Ein Interview von Eugen Zentner mit dem Rapper SchwrzVyce.
Gegen den Rapper SchwrzVyce wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung eingeleitet. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main bezieht sich dabei auf den Song «AfD – Offizieller Werbespot», in dem der Musiker einige Politiker der Bundesregierung in derben Worten angreift. SchwrzVyce sieht in dem Ermittlungsverfahren einen Angriff auf die Kunstfreiheit und weist die Vorwürfe zurück, mit dem Verweis auf die Eigentümlichkeiten seines Kunstgenres und die Grundprinzipien des Rechtsstaates. Im Interview spricht der Rapper über die Intention seines Songs, über sein Verhältnis zur AfD und die Probleme des Parteiensystems.
SchwrzVyce, Ihr Song «AfD – Offizieller Werbespot» hat für viel Aufregung gesorgt, unter anderem deswegen, weil darin einige Regierungspolitiker zum Beispiel als „Fotze“ oder als „Stricher“ bezeichnet werden. Nun hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen Sie ein „Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beleidigung von Personen des politischen Lebens“ eingeleitet. Was sagen Sie zu dem Vorwurf?
Für den intelligenten Zuhörer ist offensichtlich erkennbar, dass die Beschimpfungen in eine Persiflage eines fiktiven AfD-Wahlwerbespots eingebettet sind, welcher zum Ziel hat, die Polarisierung der politischen Lager im heutigen Deutschland zu veranschaulichen. In der Gesamtschau geht es hier ja um eine kritische Auseinandersetzung mit dem politischen Handeln der erwähnten Parteien und Akteure. Wie im Rap oder auch der Satire üblich, sind hierbei Übertreibungen und Vulgärsprache ein gängiges Stilmittel und als legitim zu erachten. Ich bediene mich hier der gleichen künstlerischen Mittel wie beispielsweise Jan Böhmermann und Konsorten. Die Anschuldigungen halte ich daher für juristisch nicht haltbar. Dass der Song rege Kritiken in verschiedenen Lagern und Medien hervorrief, zeigt, dass die Darbietung ihren künstlerischen Zweck erfüllt hat: Emotionen hervorrufen, provozieren und zum Nachdenken anregen. Einem völlig normalen AfD-Bashing, häufig auch ohne künstlerischen Bezug, setzt der Song ein Ampel-Bashing entgegen.
Zu ihrem Song hat sich unter anderem der Anwalt Markus Haintz geäußert. In einem Interview erklärte er, dass nicht alle Beleidigungen von der Kunstfreiheit gedeckt seien. In Ihrem Fall dürfte die Grenze des rechtlich Zulässigen überschritten sein. Dabei verwies er auf den § 185 Strafgesetzbuch (StGB), von dem nun auch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Gebrauch macht. Juristisch scheint es also eine klare Sache zu sein. Mit welchen Argumenten wollen Sie sich verteidigen?
Die Sachlage ist keinesfalls klar! In der aktuellen Rechtsprechung gibt es eine Reihe vergleichbarer Beispiele derlei vulgärer, beleidigender Sprache gegenüber Politikern, die im Rahmen der Kunstfreiheit als zulässig erachtet wurde. So muss ein faires Gericht auch im vorliegenden Fall entscheiden. In einem Rechtsstaat darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden, nur weil mein Ausdruck sich künstlerisch gegen das Establishment richtet. Sollte es zu einer Anklage oder gar Verurteilung kommen, wäre dies ein herber Schlag gegen die künstlerische Freiheit in Deutschland und man sollte mit allen juristischen Mitteln dagegen vorgehen.
Warum haben Sie sich für so ein drastisches Mittel entschieden?
Mit dem Song möchte ich auf künstlerische Weise die Frustration gegenüber der aktuellen Politik zum Ausdruck bringen, die viele Menschen in diesen Zeiten verspüren. Dieser Frust kommt meiner Ansicht nach von einer wahrgenommenen Ohnmacht gegenüber politischen Eliten, die teils verheerende politische Entscheidungen treffen, Wahlversprechen brechen und ganze Teile der Bevölkerung stigmatisieren. Der Song gibt eben genau diesen Gefühlen Ausdruck. Solche Gefühle lassen sich nicht in politisch korrekter Form ausdrücken, was im Übrigen auch dem Genre Rap nicht angemessen wäre. Üblicherweise beleidigen sich Rapper gegenseitig, was man in diesem Genre „Battle“ nennt. Ich richte meinen Battle in Richtung der Politik. Hier geht es nicht um persönliche Beleidigungen, sondern um den künstlerischen Ausdruck und das Zurückerlangen der eigenen Stimme, die im politischen Geschehen kein Gehör findet.
Sie sagen, es gehe nicht um persönliche Beleidigung. Aber einige Personen werden direkt angegriffen, insbesondere die Führungsriege der Grünen? Warum gerade die?
Die Ampelregierung ist für viele Deutsche Sinnbild einer Politik, die sich seit langem komplett von den Interessen großer Teile der Bevölkerung entfernt hat.
Mit dem Ermittlungsverfahren stellt sich auch die Fragen, wie weit Kunst gehen darf? Wo liegen für Sie die Grenzen? Oder hat Kunst überhaupt keine Grenzen?
Ich bin grundsätzlich ein Anhänger radikaler Meinungsfreiheit und dementsprechend denke ich auch, dass in der Kunst alles erlaubt sein sollte.
Ihre Kritiker verweisen darauf, dass der Song Hass verbreitet und eine Gewaltspirale in Gang setzen könnte. Wie sehen Sie das?
Ich finde nicht, dass der Song Hass verbreitet, im Gegenteil. Ich finde, er fördert den längst überfälligen Diskurs in unserer Gesellschaft über Meinungsfreiheit, Framing der Medien und Stigmatisierung. In diesem Fall von der AfD und ihren Wählern. Wenn man es schafft, etwas musikalisch auszudrücken, ist man eigentlich schon sehr weit weg von der Anwendung echter Gewalt und hat ein Ventil gefunden, sich anderweitig Gehör zu verschaffen. Außerdem wird meiner Meinung Hass tagtäglich von Medien und Politikern verbreitet. Die AfD ist ein beliebtes Ziel dieser kollektiven Verachtung, weswegen der Song auch von ihr handelt.
Für Aufregung gesorgt hat auch der Titel des Songs. Es handelt sich doch nicht um einen „offiziellen Werbespot“, schließlich hat die AfD ihn nicht in Auftrag gegeben. Warum haben Sie ihren Song so genannt?
Der Titel weckt das Interesse des Zuschauers und löst rege Debatten und Spekulationen aus. „Offiziell“ steht in diesem Sinne für eine offizielle Form der Auseinandersetzung mit den Diffamierungen von „bösen Rechten“ und AfD-Wählern, die hier auch stellvertretend zu sehen sind, für all die Menschen, die sich nicht so recht mit dem Mainstream anfreunden können. Dass Zuschauer tatsächlich spekulieren, ob der Song wirklich ein offizieller AfD-Wahlwerbespot ist, zeigt auf künstlerische Weise, wie absurd das Framing und die öffentliche Debatte über eine demokratisch legitimierte Partei geführt wird. Keiner weiß so recht, ob das Stück reine Satire ist oder tatsächlich offiziell ist – oder einfach die persönliche Parteienpräferenz von SchwrzVyce wiedergibt. Die Provokation in alle Richtungen in Form von Satire ist ein Stilmittel, dessen sich viele Künstler bedienen. In diesem politisch angespannten Kontext und in Form von Rap bin ich aber einer von sehr wenigen.
Ihre Kritiker sehen in dem Song keine Satire. Können Sie erklären, welche Elemente in dem Stück dafürsprechen, dass es sich um eine Satire handelt? Provokation allein kann es doch nicht sein?
Rap lebt davon, tabuisierte Themen direkt und frei anzusprechen. Satire ist in diesem Sinne dem Rap sehr ähnlich. Dass ein schwarzer Rapper als vermeintlicher Anhänger der AfD in der Frankfurter Innenstadt seine Wut gegenüber Politikern zum Ausdruck bringt, sollte für viele schon Satire genug sein. Tatsächlich fragten sich auch viele Hörer, ob das Ganze tatsächlich ernst gemeint ist.
Wollten Sie mit dem Song wirklich für die AfD werben? Und wenn ja, warum?
Nein, als Künstler schreibe ich ja keinen Song mit der Absicht, Werbung machen zu wollen. Ich greife aktuelle gesellschaftliche Themen auf und lege diese auf provokative und pointierte Weise dar. Dennoch denke ich, dass die meiner Meinung nach miserable Arbeit der Altparteien im Kontext von Corona, Krieg etc. Grund genug ist, eine echte „Alternative“ zu wählen. Die AfD ist die einzige seriöse Opposition, die sich immer wieder vehement gegen aus meiner Sicht schlechte, ja sogar rechtswidrige Entscheidungen der Regierung gestellt hat. Hochrangige Politiker der AfD wie Alice Weidel waren für mich immer wieder Stimmen der Vernunft, in Zeiten, in denen Politiker der Regierung Entscheidungen trafen und Aussagen tätigten, die bei vielen Kopfschütteln auslösten. Der Song ist aber nicht als Werbeprojekt entstanden, sondern als Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Diskurs über das Framing „der Rechten“. Jeder sollte heutzutage verstehen, dass die pauschale Diffamierung der AfD als eine Nazipartei eine gezielte Form der Meinungsmache ist, die dem Machterhalt etablierter Parteien dient und Feindbilder aufrechterhält.
Nicht wenige vertreten die Meinung, dass einzelne Parteien keine wirkliche Veränderung herbeiführen. Wer an die Macht komme, füge sich in das System ein. Das eigentliche Problem sei demnach das Parteiensystem selbst. Wie sehen Sie das?
Dem stimme ich zu! Pyramidale Machtsysteme wie in unseren repräsentativen Demokratien üblich, sind per se anfällig für Korruption. Das Problem ist hier, dass zu viel Macht auf zu wenigen Akteuren vereint ist, sodass diese wiederum sehr einfach „bestochen“ werden können, auch wenn sie einst mit guten Absichten in die Politik gingen. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn Wähler Parteien schneller „abstrafen“, indem sie Oppositionsparteien wählen, sofern sie mit dem Kurs der Regierung nicht einverstanden sind.
Wer einen Blick auf Ihre Diskographie mit Titeln wie «Von Verbrechern regiert», «Rechtsextrem» oder «Claus Strunz» wirft, spürt die Lust an der Provokation. Woher rührt sie? Warum legen Sie es darauf an, die Gemüter zu erhitzen?
Es geht hier um Rap, mit dem man, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, Dinge ansprechen kann und sollte. Als Provokation empfinden es diejenigen, die vor dem Deckmantel der politischen Korrektheit nur bestimmte Ansichten gelten lassen und andere zensieren, verächtlich machen oder einfach ignorieren. Die wahre Provokation geht von einem kränkelnden Verständnis von Demokratie, Mitbestimmung und Meinungsfreiheit aus – und dabei geht es nicht bloß um Musik, sondern auch um das reale Leben.
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Hier der Link zum Musik-Video "AfD / Alternative für Deutschland (Wahlwerbespot)": https://www.youtube.com/watch?v=lwq94zSjj4g +++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags. +++ Bildquelle: SchwrzVyce
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