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Rechte Genderkritik – ein Wolpertinger?

Rechte Genderkritik – ein Wolpertinger?


Ein Meinungsbeitrag von Anke Behrend.

Kennen Sie den Wolpertinger? Er ist ein bayerisches Fabelwesen, ein Unding! Eine Mischung aus Hase, Katze oder Ente mit Geweih, zusammengesetzt von gewitzten Präparatoren, um leichtgläubige Touristen zu foppen. Im Roman „Wolpertinger oder Das Blau“ (1993) steht der Wolpertinger symbolisch für die Inkonsistenz und Postfaktizität der Postmoderne, die auf wundersame Weise der unkomfortablen Wirklichkeit zu entkommen versucht.

Ebenso skurril und aus einem frankenstein’schen Labor entsprungen mag genderkritischen Feministinnen die boomende „Genderkritik“ aus dem rechtskonservativen Lager, speziell im angloamerikanischen Sprachraum anmuten, ist Kritik an Gender, gelesen als soziale Rolle, Gesamtheit aus Erwartungen, Zuschreibungen und Normen, doch das feministische Anliegen schlechthin.

Wie kommen also ultrakonservative, streng religiöse meist männliche Protagonisten wie Matt Walsh, Ben Shapiro oder Jordan Peterson dazu, scheinbar ein feministisches Anliegen zu unterstützen? Was verstehen sie unter Gender und was wollen sie erreichen?

Dem neoliberalen Abdriften des vermeintlich sprachsensiblen Queerfeminismus in „Veruneindeutigung“ von Begrifflichkeiten ist es geschuldet, dass sowohl die Gesellschaft als Ganzes als auch die Queertheorie und ultrakonservative Kräfte nicht mehr zwischen Sex und Gender,Nature undNurture, unterscheiden können oder wollen.

Die wichtigste feministische Theoriebildung des 20. Jahrhunderts, die Trennung der sozial konstruierten Geschlechtsrolle vom biologisch existierenden Körper und alle daraus folgenden Forderungen nach Emanzipation, ist damit zunichte gemacht worden. Doch genau dieser Trennung hätte es bedurft, die feministische Utopie zu verwirklichen, dass Frauen mit ihrem Körper und wegen ihrer Körper keine gesellschaftlichen Nachteile erfahren.

Erste kritische Stimmen gegen die Queertheorie kamen folgerichtig aus den Reihen der Feministinnen der zweiten Welle. Doch die Entwicklung war anfangs schwer absehbar und die feministischen Ideale von Toleranz und Emanzipation für alle marginalisierten Gruppen, machte die Debatte schwierig und im weiteren Verlauf nahezu unmöglich.

Aus Abwehrreflexen der Konservativen gegen alles Feministische wurde die Ablehnung von „Gender“ schlechthin, aber nicht als Ablehnung der Geschlechtsrollen, im Gegenteil: Die Ablehnung von Gender in konservativen Kreisen bedeutete die Ablehnung von emanzipatorischen Bestrebungen, die nun auch ihrerseits die Kritik an sozialen Rollen zunehmend aufgegeben hatten. Aus der Forderung nach „Freiheit von“ Genderstereotypen war ein „Anspruch auf“Genderstereotype geworden: Die Genderidentität begann, die biologische Identität zu verdrängen. Der auf dem Rückzug befindliche konservative Biologismus mit seinem Dogma, auch das Soziale am „Frausein“ wäre angeboren, feierte fröhliche Urständ und männliche Transaktivisten forderten mit Verweis auf eben jenes feministische Ideal, der biologische Körper solle keine soziale Grenze sein, dass ihre männliche Biologie sie nicht am „Frausein“ hindern dürfe, denn selbiges wäre angeboren, allerdings nicht in Form von Genen und Fortpflanzungsorganen, sondern im Gehirn.

Wie zum Hohn, waren bald biologisch männliche Personen die besseren Frauen, „Woman of the Year“, sie gelangten auf Quotenplätze, gewannen im Frauensport und all das mit Unterstützung des Queerfeminismus, der dazu die entsprechende Theorie lieferte: Nicht nur das soziale Geschlecht, das Gender, sondern auch das biologische Geschlecht sei sozial konstruiert. Der Feminismus war (und ist?) im Begriff an sich selbst zu scheitern.

Einige reaktionäre Antifeministen applaudierten, war Frausein für sie doch immer schon eine Art Geisteskrankheit und Feminismus die klinische Form dessen gewesen. Allerdings führte der generelle Abwehrreflex gegen alles Feministische und nunmehr als „Gender“ bezeichnete dazu, dass sich plötzlich linke genderkritische Feministinnen neben rechten Konservativen scheinbar auf der gleichen Seite der Debatte gegenüber dem zunehmend aggressiver werdenden Transaktivismus wiederfanden, denn oberflächlich betrachtet sind kaum Unterschiede in der Argumentation auszumachen.

Für genderkritische Feministinnen zählt das biologische Geschlecht, weil Frauen andere reproduktive Rechte beanspruchen als Männer und ihre Körper einen Unterschied machen. Frauen und Transpersonen haben verschiedene Schutzbedürfnisse, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.

Konservative tun aber genau das. Ihnen dient die Biologie zur Legitimation und Festschreibung von sozialen Machtstrukturen. Wir befinden uns also nur scheinbar in einer Diskurs-Allianz mit Ultrakonservativen, religiösen Hardlinern und Antifeministen, deren Kampf gegen „Gender“ eben keine Kritik an althergebrachten Geschlechtsrollen ist, sondern ein Kampf gegen emanzipatorische Bewegungen schlechthin, sowie der Versuch, gleichzeitig mit dem Transaktivismus auch die Errungenschaften der Frauenbewegung rückgängig zu machen und das „traditionelle“ Geschlechter- und Machtverhältnis zu reinstallieren. Konservative Kritik an „Gender“ ist nicht interessiert an Frauenrechten oder den Ursachen für den Boom von Transidentität bei Kindern und Jugendlichen. Konservative und rechte Transkritik ist reaktionärer Etikettenschwindel – ein postfaktischer Wolpertinger aus biologistischen Versatzstücken.

+++ Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags. +++ Bildquelle: VerisStudio / Shutterstock.com


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