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Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier: „Leider kann ich noch keine großen Aufarbeitungsbemühungen der Justiz erkennen“

Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier: „Leider kann ich noch keine großen Aufarbeitungsbemühungen der Justiz erkennen“


Ein Interview von Eugen Zentner mit Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier.

Der Kölner Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier ist einer der wenigen Vertreter seiner Zunft, die die Corona-Politik von Anfang an öffentlich kritisiert und auf die Missstände hingewiesen haben. Er sprach bundesweit auf Demonstrationen, schloss sich der Vereinigung Anwälte für Aufklärung an und vertritt bis heute viele Maßnahmenkritiker vor Gericht. Über die brisantesten Fälle berichtet Sattelmaier in seiner Telegram-Reihe «Neues aus dem Gerichtssaal». Mittlerweile hat die Kritik an den Maßnahmen auch den sogenannten Mainstream erreicht. Enthüllungsberichte in den Leitmedien, Fehlereingeständnisse seitens der Politik und Studien über die Nutzlosigkeit von Masken deuten darauf hin, dass zumindest in Teilen der Gesellschaft eine Aufarbeitung der Corona-Politik stattfindet. Ob sie auch in der Justiz zu beobachten ist, führt Sattelmaier in einem Interview aus. Er spricht über seine Erfahrungen der letzten drei Jahre, beschreibt sowohl das Vorgehen von Richtern und Staatsanwaltschaft als auch die Stimmung unter seinen Anwaltskollegen.

Herr Sattelmaier, momentan findet eine gesellschaftliche Aufarbeitung der Corona-Politik statt, auch in einigen Leitmedien. Nun wurden in der gesamten Krisenzeit nicht nur politische Fehler gemacht, sondern auch juristische. Werden auch sie momentan aufgearbeitet? Welche Beobachtungen machen Sie in dem Bereich des Rechtswesens?

Leider kann ich noch keine großen Aufarbeitungsbemühungen der Justiz erkennen. Ganz im Gegenteil: Noch immer werden Maßnahmenkritiker überwiegend mit der maximalen Härte des Gesetzes und im Bereich der Strafverfolgung mit aufwändigsten Mitteln belegt und belangt. Noch immer kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass auch die Gesinnung der Angeklagten vor Gericht durchaus eine Rolle spielt, was in der Regel nicht so sein dürfte. Und von einer großen Aufarbeitungswelle an den Verwaltungsgerichten kann auch noch nicht die Rede sein. Ob dies jemals der Fall sein wird, vermag ich nicht sagen zu können.

In welchen Punkten hat die Justiz ihrer Meinung nach besonders versagt?

Vor allem die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat nahezu alles an Grundrechtseinschränkungen durchgewinkt, die von der Exekutive beschlossen wurden. So war der einzelne Bürger ohne effektiven Rechtsschutz im Hinblick auf seine Abwehrrechte. Insbesondere haben die Verwaltungsgerichte die fehlende Evidenz der Maßnahmen niemals gerügt. Aber auch in der Strafgerichtsbarkeit gibt es Versäumnisse. Allzu schnell wurden Strafbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse von den Gerichten auf Betreiben der Staatsanwaltschaften erlassen. Hierdurch wurde der Druck auf die Mandanten enorm verstärkt.

Als Anwalt haben Sie in den letzten drei Jahren sehr viele Verfahren geführt und überwiegend Maßnahmenkritiker verteidigt. Könnten Sie kurz beschreiben, was Sie in dieser Zeit erlebt haben? Welche Erfahrungen haben sich besonders stark eingebrannt?

In den Verfahren gegen Maßnahmenkritiker konnte ich in der überwiegenden Zahl der Fälle ein gesteigertes Verfolgungsinteresse der Staatsanwaltschaften feststellen. Vor Gericht herrschte dann oftmals eine eisige Kälte, sobald man mit dem Mandanten den Saal betrat. Gerade in Bagatellfällen sank die Bereitschaft von Gerichten und Staatsanwaltschaften, Verfahren gegen die bislang nicht mit dem Gesetz in Konflikt geratene Bürger einzustellen. Dies stellt meiner Erfahrung nach aber eine übliche Praxis der chronisch überlasteten Justiz dar. Mein Eindruck bestätigt sich durch die von mir auch während der Coronazeit geführten Verfahren, die keinen maßnahmenkritischen Bezug hatten. Hier war es nach wie vor möglich, in derartigen Fällen bereits im Ermittlungsverfahren Einstellungen zu erwirken.

Im Gegenteil: Da wurden teilweise völlig überzogene Strafen insbesondere von den Staatsanwaltschaften gefordert, die dann zu Eintragungen in das Führungszeugnis führen sollten. Sogar unverhältnismäßige Freiheitsstrafen wurden schnell mal beantragt – wie gesagt: bei Angeklagten, die (teilweise in Jahrzehnten) noch nie straffällig waren. Erschreckend waren teilweise auch die Verfügungen der Gerichte zu den einzelnen Hauptverhandlungen. Teilweise konnte man den Eindruck gewinnen, das vor Gericht ein Terrorprozess mit hoher Sicherheitsstufe stattfindet. Gerichte erließen Verfügungen zur Durchsuchung sowohl von Verfahrensbeteiligten wie auch Zuschauern und es hielt sich eine Menge Sicherheitspersonal im Gerichtssaal auf.

Und dann führte die oftmals verordnete Maskentragungspflicht zu großen Verwerfungen. Dies führte in Extremfällen dazu, dass den Angeklagten das rechtliche Gehör, welches ein Rechtsstaat zwingend gewähren muss, verwehrt wurde, indem den Mandanten der Einlass untersagt wurde. In diesem Zusammenhang haben sich bei mir zwei Erlebnisse regelrecht eingebrannt. Mir wurde angedroht, dass ich notfalls mit Gewalt aus dem Gerichtssaal entfernt werde, wenn ich nicht die Maske aufziehe. Es stellt einen klaren Verstoß gegen §§ 177 GVG dar. Hiernach dürfen gegen Rechtsanwälte – anders als bei allen anderen Beteiligten eines Prozesses – gerade keine Ordnungsmaßnahmen ergriffen werden. Dass dem so ist, hat auch gute historische Gründe. Denn der Rechtsanwalt ist die letzte „Verteidigungsinstanz“ des Angeklagten vor der Macht des Staates.

Viele Bürger sind mittlerweile der Meinung, dass es in Deutschland keinen wirklichen Rechtsstaat gibt. Wie sehen Sie das?

Es gibt sicherlich viel zu kritisieren und vor allem zu reformieren, weshalb ich nicht so weit gehen würde.

Haben Sie reuige Richter erlebt, die Ihnen gegenüber zugaben, falsch geurteilt zu haben?

Noch keinen Einzigen. Allerdings habe ich trotz allem Richter und Richterinnen erlebt, die ihren Job machen und das recht so anwenden, wie ich es noch gelernt habe. Insbesondere haben sie die Gesinnung der Angeklagten sozusagen aus dem Gerichtssaal entfernt.

Welche Signale nehmen Sie seitens der Staatsanwaltschaft wahr? Findet dort ein Umdenken statt?

Derartige Signale vermag ich nicht zu erkennen.

Welche Stimmung nehmen sie unter den Anwälten wahr? Findet der Großteil Ihrer Kollegen immer noch, dass die Corona-Maßnahmen angemessen und verhältnismäßig waren? Oder beginnen immer mehr Anwälte skeptisch oder gar kritisch zu werden?

Ich glaube, dass es viel mehr kritische Kollegen und Kolleginnen gibt, als man denkt bzw. sieht. Aus nachvollziehbaren Gründen haben aber die allermeisten wohl eine Scheu, ihre Kritik öffentlich zu machen. Ich persönlich vernehme immer mehr Zuspruch aus der – mir bis dahin noch unbekannten – Kollegenschaft. Das lässt hoffen.

Wie müsste Ihrer Meinung nach eine Aufarbeitung in der Justiz aussehen? Wo müsste sie beginnen?

Zunächst einmal müsste sich ein Bewusstsein in der Justiz einstellen, dass vieles von dem, was in den drei Jahren Corona-Zeit von der Exekutive als alternativlos propagiert wurde, über keine ausreichende Evidenz verfügte. Im weiteren Verlauf ist dann die Erkenntnis erforderlich, dass die massiven Grundrechtseinschränkungen so nicht hätten vorgenommen werden dürfen und dass Maßnahmenkritiker eben doch in vielem Recht hatten. 

Erst dann glaube ich, dass auch die Justiz bereit ist, ihren Beitrag zur Aufarbeitung zu leisten. Im Anschluss hieran müssen vor allem die Verwaltungsgerichte noch laufende Hauptsacheverfahren unter dem Eindruck dieser Erkenntnis zu Gunsten der Bürger entscheiden. Als Beispiel nenne ich hier die zahlreichen Versammlungsverbote, die von den Behörden ausgesprochen und anschließend in den Eilverfahren von den Verwaltungsgerichten bestätigt wurden. Gerade diese Versammlungsverbote haben dann zu zahlreichen Strafverfahren geführt, die zum Teil immer noch anhängig sind.

Im weiteren Verlauf müssten Bußgelder, die auf rechtswidrigen Verordnungen ausgesprochen wurden, zurückgezahlt werden. Anhängige Strafverfahren wie zum Beispiel die oben genannten müssten eingestellt werden. 

Und zu guter Letzt müsste eine Justizreform auf den Weg gebracht werden, die Sorge dafür trägt, dass es in Zukunft nicht mehr dazu kommt, dass Gerichte solche derartig massive Grundrechtseinschränkungen einfach abnicken und diese Grundrechte wieder als Abwehrrechte gegenüber dem Staat verstehen. +++ Hier der Link zum Telegram-Kanal von Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier: https://t.me/sattelmaier

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Dirk Sattelmaier


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