Ein Standpunkt von Peter Frey.
Offenbar taugt der Ukraine-Konflikt auch zu einer Flurbereinigung in der russischen Oligarchie.
Hunderte Milliarden Dollar wurden im Zuge der Sanktionen gegen Russland seitens der Europäischen Union, Großbritanniens und der USA „beschlagnahmt“ — korrekter ausgedrückt: geraubt. Das russische Finanz- und Wirtschaftssystem ließ sich damit jedoch nicht aushebeln. Den Schaden haben dafür offenbar Leute, die seit Jahrzehnten hoffen, eine Neuauflage der goldenen Zeiten unter Boris Jelzin erleben zu dürfen. Werden wir hier Zeugen einer versuchten Dressur?
Man kann dieser Konstellation etwas Kurioses abgewinnen. Im Erzählraum des Westens gelten die russischen Oligarchen als Verbündete, als Diener des Kreml und so erscheint es schlüssig, dass westliche Sanktionen nun auch diese Leute treffen. Das entspricht allerdings nicht der Realität. Das, was hier verschwiegen wird, begründet sich in der Tatsache, dass Russlands Oligarchen — übrigens gleich ihren ukrainischen Kollegen — natürliche Verbündete der westlichen Mächte darstellen. Manche Oligarchen aus russischen Gefilden werden im öffentlichen Erzählraum hierzulande inzwischen auch als russische Opposition aufgeführt.
Westlicher Einsatz für die Freiheit — der Oligarchen
Und natürlich: Die Geschichte hat bewiesen, dass es eine Methode westlicher Eliten schon immer war, bestimmte Personen zur Not Jahrzehnte in den eigenen Gefilden zu parken. So lange, bis eine revolutionäre Situation im Opferland die Gelegenheit böte, die Marionette neu zu positionieren. Die dafür geeigneten Leute sind oft von Hybris geplagt und was die Szene der Oligarchen betrifft, glauben sie, dass es die eigene Genialität sei, die sie so unendlich reich gemacht habe. Nach ihrem Selbstverständnis haben sie sich ihre Milliarden ehrlich verdient, was sie dazu verleitet, sich für Größeres berufen zu fühlen. Zum Beispiel politisch aktiv zu werden.
An dieser Stelle ihrer Hybris, unterscheiden sich russische Oligarchen in keiner Weise von ihren Namensvettern in den westlichen Staaten. Wenn wir also von russischen Oligarchen wie (früher) Michail Chodorkowski sowie Pjotr Aven und Michail Fridman reden, finden wir deren wesensgleiche Kollegen in George Soros und Bill Gates, um nur zwei namhafte Beispiele zu nennen.
Ein weiterer russischer Oligarch, Ewgeni Lebedew hat die britische Staatsbürgerschaft erworben und sitzt im britischen Oberhaus. Wie kommt man als russischer Oligarch ins britische Oberhaus? Wessen politische Interessen wird Ewgeni Lebedew wohl vertreten — die Russlands? Sicher nicht. Er ist seit 2009 im Besitz der britischen Zeitung London Evening Standard und seit 2010 auch des, ebenfalls britischen, Independent. Erst wurde er als Investment-Banker reich, und dann suchte er den Weg in die Politik.
Zwei „Journalisten“ der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) frönten der Idiotie, als sie zu den russischen Oligarchen unter der Überschrift „Das ist Putins Bande“ schrieben:
„Wladimir Putin hat die Oligarchen entmachtet. Er lässt ihnen aber ihren Reichtum, solange sie loyal sind. […] Wer sie kritisiert oder in ein unschönes Licht rückt, hat gleich einen ruinös teuren Prozess am Hals. Wer ihnen die Tür öffnet, wird dagegen belohnt.“ (1)
So ist das, wenn ideologische Engstirnigkeit den eigenen Horizont auf ein Minimum reduziert hat. Dann heiratet er die Idiotie.
Was wollen uns die beiden „Journalisten“ (Markus Bernath und Bettina Schulz) nun denn erklären? War es falsch, dass man die Oligarchen der Möglichkeit enthoben hat, mit ihrer finanziellen Macht politische Macht auszuüben? Sagt uns denn der vor Moral nur so triefende „Wertewesten“ nicht fortwährend, dass in einer Demokratie die Macht vom Wahlvolk ausgehen muss und eben nicht von geldschweren Kapitalisten? Ich gebe hier lediglich das uns eingebläute Narrativ wider. Nach diesem hat die russische Regierung, der Putin vorsteht, also den Maßstäben einer lupenreinen Demokratie folgend gehandelt.
Noch mehr Blödsinn: Putin entmachtet die Oligarchen und belohnt jene, welche den Oligarchen die Tür öffnen? Wer muss in Russland fürchten, Leute wie Lebedew oder Chordorkowski zu kritisieren? Lebedew ist im Grunde gar kein russischer Oligarch mehr, weil der Begriff ja nun einmal finanzielle und politische Macht vereint. Lebedew ist inzwischen vielmehr ein britischer Oligarch. Ein anderer Artikel des Schweizer Blattes lässt uns zum britischen Oberhaus, in dem Lebedew als „Baron von Hampton und Sibirien“ sitzt, wissen:
„Die Mehrheit der Lords wird heute aber aufgrund ihrer gesellschaftlichen Verdienste ernannt — und nach dem Nutzen für die Förderer.“ (2)
Die „gesellschaftlichen Verdienste“ des geborenen Russen Lebedew werden die gleichen sein, wie die des geborenen Ungarn George Soros: ihr „philanthropisches“ Wirken. Stellt sich jetzt nur noch die Frage nach den Förderern.
Der Milliardär Oleg Deripaska, Gründer des Aluminiumkonzerns Rusal und Hauptaktionär des LKW-Konzerns GAZ, mit Sitz in Gorki (3), ist geschäftlich mit Roman Abramowitsch, einem weiteren russischen Milliardär verbunden. Er fordert ein „Ende des Staatskapitalismus in Russland“ (4). Er fordert also jene Verhältnisse zurück, durch die er in der Jelzin-Zeit reich geworden ist (5). Jene Verhältnisse, deren Ende mit dem Eintritt des Wladimir Putin in die hohe russische Politik eingeläutet wurde. Weil wir gerade von Idiotie sprachen: Das nennt die „Hochleistungspresse“ hierzulande dann „Kreml-Nähe“ (6).
An anderer Stelle hielt sich Deripaska in bemerkenswerter Weise den Spiegel vor:
„Der russische Aluminiummagnat Oleg Deripaska forderte am Donnerstag die Regierung auf, sich nicht mehr in die Wirtschaft einzumischen und stattdessen ein berechenbares, auf Rechtsstaatlichkeit basierendes Umfeld zu schaffen, um ausländische Investoren in die von Sanktionen betroffene russische Wirtschaft zurückzuholen.“ (7)
Warum das eine Spiegelung ist? Weil die schwerreichen Magnaten Russlands die Regeln für sich zu optimieren suchen, in dem sie sich in politische Prozesse einmischen. Hier eingebremst zu werden, setzen sie mit Unberechenbarkeit und Unrechtsstaat gleich. Übrigens machte Deripaska die obige Aussage Anfang März des Jahres mitten in Russland, während eines Wirtschaftsforums im sibirischen Krasnojarsk (7i). So schnell wird man anscheinend in Russland doch nicht hinter Gitter gesteckt. In Bezug auf dass Betteln um ausländische Investoren (siehe Zitat oben) ist zu fragen, wo und in was Rusal und Deripaska so investieren.
Merke: Um Milliardär werden zu können, ist ein passendes politisches Umfeld erforderlich. In diesem wird der zukünftige Milliardär mit seinem skrupellosen Gewinnstreben praktisch zum Leben erweckt. Der ausgewachsene Milliardär fühlt sich schließlich berufen, selbst Hand an die politischen Verhältnisse zu legen, um das egomanische Erfolgsrezept dauerhaft abzusichern. Er wird Politiker „aus innerer Berufung“ oder „delegiert“ Politiker.
Alle sind sie in den „wilden Neunzigern“ im Zuge der Privatisierung staatlicher Unternehmen abnorm reich geworden, auch Alexei Mordaschow, der aktuell drittreichste Mann Russlands. Er ist Vorstandsvorsitzender von Severstal, dem zweitgrößten Stahlproduzenten Russlands. Wichtige Abnehmer des russischen Stahls sind die in Europa ansässigen Autobauer wie BMW und Mercedes, sowie die Siemens AG. Die deutschen Konzerne profitierten bislang vom russischen Stahl (8). Doch Anfang März wurde Mordaschow von der Europäischen Union sanktioniert, sprich sein Vermögen gesperrt (9). Wem wurde mit dieser Sanktionierung wohl geschadet? Und: Verstecken sich hinter dieser Sanktionierung möglicherweise verschiedene Ziele?
Russische Milliardäre sind, wie ihre milliardären Kollegen im Westen, schlicht Nomaden. Sie sind mobil, ganz nach ihren privaten Interessen — und die sind in erster Linie monetär. Sie nehmen auch entsprechend die „passende“ Staatsbürgerschaft an. Ihren enormen, privaten Gewinn unterwerfen sie natürlich keinen nationalen Interessen, sondern legen diesen dort an, wo er sich am effektivsten kapitalisieren lässt. Und in russischen Medien wird das thematisiert:
„Hätte man Michail Chodorkowski, Pjotr Aven und Michail Fridman im Jahr 2003 gesagt, dass sie alle in 20 Jahren in Großbritannien leben würden, wären sie nicht überrascht gewesen: Zu diesem Zeitpunkt hatte jeder Oligarch, der etwas auf sich hält, bereits Immobilien auf der Insel gekauft, während Boris Beresowski im selben Jahr den Status eines politischen Flüchtlings erhielt.“ (a1), (10)
Aus all dem lässt sich eines recht leicht herleiten:
Russlands Oligarchen sind keine Freunde der russischen Regierung und wir können sogar davon ausgehen, dass Russlands Präsident die Oligarchen verachtet. Und außerdem erkennen wir, dass es auch im größten Land der Erde einen Tiefen Staat gibt, der mit den gewählten Vertretern des präsenten Staates um die Macht im Land ringt.
Dass es diesen Tiefen Staat in Russland gibt, darüber wird dort auch ziemlich offen gesprochen. Auch von „Kreml-nahen“ Politikern wie Jewgeni Prigoschin, dem Chef der privaten Söldner-Truppe Wagner:
„Der »tiefe Staat« [in Russland] ist eine Gemeinschaft staatsnaher Eliten, die unabhängig von der politischen Führung des Staates agieren, enge Verbindungen haben und ihre eigene Agenda verfolgen. Diese Eliten arbeiten für unterschiedliche Herren: einige für die bestehende Regierung, andere für diejenigen, die schon lange auf der Flucht sind, aber dank ihrer Verbindungen nach der Flucht der Älteren auf ihren Plätzen bleiben. Ein typisches Beispiel für den »tiefen Staat« ist das Kreieren von Persönlichkeiten wie Chodorkowski, Dworkowitsch und so weiter.“ (11)
Russlands Krieg in der Ukraine zwingt nun den dortigen Tiefen Staat, aus der Deckung zu kommen.
Rückblick
Die Nähe der Oligarchen zur Politik ist fast zwangsläufig, weil ihre Geldmacht — wie weiter oben bereits betont — nur durch geeignete politische Verhältnisse abgesichert werden kann. Sie und ein politisch-wirtschaftlich verwobenes Kartell westlicher Agenten hatten über fast ein Jahrzehnt hinweg Russland ihren Willen aufgezwungen, mit einer Sprechpuppe namens Boris Jelzin und seinem Wirtschaftsminister Jegor Gaidar, der sich zu den Freunden des Oligarchen George Soros zählen durfte. Nicht zuletzt wurde damals, Anfang der 1990er Jahre ein gewisser Anatoli Tschubais zum „Direktor der Privatisierung des Staatsvermögens“. Jenes Staatsvermögens, an dem sich später ausländische und inländische „Investoren“ laben sollten.
2013 wurde bekannt, dass Tschubais vor der Jahrtausendwende von CIA-Beamten beraten worden war (12).
Die Oligarchen, beherrschten als Fünfte Kolonne im Auftrag Washingtons Russland, dessen Politik und dessen Medien. Die vom Westen gefeierten „freien Medien“, dienten der ungehinderten Manipulation der Massen. Man steuerte Wahlen, stürzte und hofierte Politiker, um die Politikerkaste zu konditionieren. Die Oligarchen benutzten das Staatswesen, samt dem russischen Volk, statt diesen zu dienen. Sie schmarotzten vom natürlichen Reichtum des Landes (13). Und hinter ihnen standen die US-Regierung, westliche Geheimdienste, Konzerne sowie Institutionen wie der IWF und die Weltbank.
„[…] Mitte der 1990er Jahre hatten wir Mitarbeiter der CIA als Berater und sogar offizielle Mitarbeiter der Regierung der Russischen Förderation. […] Später wurden sie in den USA zur Verantwortung gezogen, weil sie als CIA-Mitarbeiter, die in Russland arbeiteten, gegen US-Gesetze verstoßen und sich an der Privatisierung beteiligt hatten. […] Es gab amerikanische Spezialisten, die in unseren Atomwaffenkomplexen saßen, sie arbeiteten dort, von morgens bis spät abends. […] Sie benötigten keine ausgeklügelten Instrumente, um sich in unser Leben einzumischen, denn sie hatten die Kontrolle über alles.“ (14)
„Sie“ hatten auch die Kontrolle über die neue Oligarchenschicht Russlands, oft junge Intellektuelle mit wenig Lebenserfahrung, die sich hervorragend für die eigenen Zwecke benutzen ließen. Das ließ dann auch Karrieren wie die folgende zu:
„Wladimir Potanin hat einen bemerkenswerten Aufstieg geschafft: Er war in von 1996 bis 1997 Vize-Ministerpräsident der russischen Regierung und konnte binnen weniger Jahre sein Vermögen vervielfachen, vor allem als Nutznießer der Privatisierung vormals staatlicher Unternehmen. Dabei übernahm Potanin gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Mikhail Prokhorov den Nickel- und Palladium-Förderer Norilsk Nickel.“ (8i)
Kurz nachdem im Jahre 2000 der bis dahin in der Politik weitgehend unbekannte KGB-Offizier Wladimir Putin zum ersten Male Präsident der Russischen Förderation geworden war, wurde der Oligarch Wladimir Gusinski, Eigentümer des russischen Ablegers von ntv, verhaftet. Außerdem wurden die Lizenzierungsgesetze für die Medien verschärft. Es waren die ersten Anzeichen dafür, dass der Raubtierkapitalismus in Russland an die Kette gelegt werden sollte (15).
Wenige Wochen später lud Putin die 18 mächtigsten Oligarchen Russlands „zum Gespräch“, welches er einleitete mit:
„Es hat keinen Sinn, sich gegenseitig die Schuld zu geben. Lassen Sie uns also zur Sache kommen und offen sein und das tun, was notwendig ist, um unsere Beziehungen in diesem Bereich zivilisiert und transparent zu gestalten.“ (16)
Es war eine einseitige Angelegenheit, bei der den Emporkömmlingen unmissverständlich klar gemacht wurde, dass sie künftig ihre politischen Aktivitäten radikal einzuschränken hätten (16i). Die neue russische Führung übte sodann systematisch Druck auf die inzwischen so an Macht gewöhnten Oligarchen aus, und arbeitete dabei nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“. Ermittlungsverfahren wegen Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung wurden eingeleitet. Die Oligarchen waren zutiefst beunruhigt und baten ein halbes Jahr später um eine weitere Audienz.
Dort versicherte ihnen Putin, dass das (ergaunerte) Vermögen der Neureichen nicht angetastet würde, pochte aber auf die Einhaltung des Rechts und mahnte ein „Gefühl der Verantwortung gegenüber dem Volk und dem Land“ an (17). Doch war das nicht alles. Der russische Präsident nutzte das Treffen für eine Machtdemonstration. Er forderte die Geschäftsleute auf, 2,6 Millionen US-Dollar in einen Fond von 3 Millionen US-Dollar zu spenden, der vom russischen Patriarchen Alexej II. zur Unterstützung von Familien verwundeter und getöteter Soldaten geschaffen wurden war. Zwar war das, im Vergleich zum Vermögen der Oligarchen, eine lächerlich geringe Summe, doch ging es um die eingeforderte Gehorsamsgeste — die geleistet wurde. Das war auch ein Affront gegenüber dem damals wohl mächtigsten Oligarchen Boris Beresowski, der den Tschetschenienkrieg verurteilte, während er eben dort illegale Geschäfte getätigt hatte (18). Und natürlich ging es damals um die im Tschetschenienkrieg getöteten oder verwundeten Soldaten.
Und so ging es weiter. Roman Abramowitsch, durch die Privatisierung der Ölindustrie unfassbar reich geworden, wurde von Wladimir Putin noch im Jahre 2000 zum Gouverneur des Autonomen Kreises der Tschuktschen, ganz im Nordosten Russlands ernannt. Was in westlichen Medien als Offerte klassifiziert wurde, war in Wirklichkeit eine weitere Episode bei der Einhegung der Oligarchen (die bis heute nicht zu Ende gegangen ist). Denn Abramowitsch musste dieses Amt des Gouverneurs übernehmen und sich, ganz konkret mit seinem Vermögen, um die Verbesserung der wirtschaftlich und sozial darniederliegenden Region kümmern. Was er dann auch tat (19). Acht Jahre ließ ihn die russische Regierung auf dem undankbaren Posten zappeln, bis seinem Rücktrittsgesuch im Jahre 2008 vom damaligen Präsidenten Dimitri Medwedew endlich stattgegeben wurde (20).
Der „Kreml-Kritiker“ und die Alfa-Bank
Die Interessen bestimmter (nicht aller), westlicher Eliten decken sich mit denen der meisten russischen Oligarchen. Man möchte die „Goldenen Neunziger“ zurück. Man wünscht sich eine deregulierte, der Kontrolle des Staates entzogene Wirtschaft, in der man ungeniert Profitmaximierung betreiben kann. Für nichts anderes wird die „Opposition“ um Nawalny und die Nowaja Gaseta politisch, medial und finanziell gepampert.
Michail Fridman und Pjotr Aven sind zwei weitere Oligarchen, die durch die Verscherbelung russischen Volksvermögens in den 1990ern unermesslich reich geworden sind und damit fast automatisch Lust auf Macht bekamen. Sie gründeten die Alfa-Gruppe, heute einer der größten Industrie- und Finanzkonzerne Russlands. Und wer über genug Wirtschaftskapital (Handel mit Gas, Roh- und Baustoffen, Lebensmittelverarbeitung, Telekommunikation, Wasserversorgung) verfügt, gründet natürlich seine eigene Bank. In den damaligen russischen Zeiten war das möglich (21). Die Alfa-Bank ist die größte private Kreditbank Russlands.
Die Oligarchenschicht in Russland sollte nicht unterschätzt werden. Sie hat nach wie vor großen Einfluss auf Russlands Wirtschaft und Politik. Es ist eine Mär, dass der russische Präsident mit diesen Leuten einfach so tun und lassen könnte, wie er will. Er muss bei all seinen politischen Entscheidungen den Einfluss der Oligarchen berücksichtigen.
Die Alfa-Bank finanziert unter anderen den ungekrönten Hofnarren der westlichen Medien, den „Kreml-Kritiker“ Alexej Nawalny (22). Dieser „Vorzeigedemokrat“ des Westens ist in Wirklichkeit ein verhinderter Oligarch:
„Marktfundamentalisten wie ich [Nawalny] glaubten, sie würden allesamt Millionäre werden. Jeder dachte, wenn wir schlau sind, werden wir bald reich werden. […] Aber dann wurde es offensichtlich, dass die Reichen diejenigen sind, die irgendwie Kontakte zur Regierung haben.“ (22i)
Der verhinderte Karrierist Alexej Nawalny, dessen Skrupellosigkeit zu seinem Bedauern nicht mit Reichtum belohnt wurde, gründete im Jahre 2011 die inzwischen in den USA registrierte, sogenannte Anti-Corruption Foundation, zu deutsch und kurz ausgedrückt „Antikorruptionsfonds“ (23). Das ist nur noch grotesk.
Dieser „Antikorruptionsfonds“ stellt auf Basis „investigativer Recherchen“ „Korruptionslisten“ auf, welche von den Sanktionsbehörden der USA und der EU dankbar aufgegriffen werden. Die Liste enthält die Namen tausender Personen aus Politik, Wirtschaft und Kultur Russlands. In diese Liste kann man eingetragen und aus ihr kann man auch ausgetragen werden (23i). Ganz nach dem Gutdünken Nawalnys.
Mit Letzterem wurde Ihnen eine Falle gestellt, liebe Leser! Nawalny ist der nützliche Idiot. Die entscheidenden Einträge bekommt er zugeflüstert. Würde Nawalny aus reinem, eigenen Antrieb die Oligarchen Michail Fridman und Pjotr Aven auf seine Sanktionsliste setzen, wäre im schlechtesten Fall sein Leben in Russland akut bedroht. Im besten Falle würde die Geldquelle Alfa-Bank ausscheiden. Und nicht nur die, denn es gibt offenbar weitere Geldgeber aus der Wirtschaft (24). Einmal ganz abgesehen davon, dass er derzeit in Russland in Haft ist (25), beißt Nawalny natürlich nicht die Hand, die ihn füttert. Nawalnys Macht ist eine fiktive, durch die westlichen Medien gemalte. Aber ein wirklich reale Macht ist es nicht.
Die inhaltlichen Belange der „Antikorruptionsbehörde“, im russischen Фонд борьбы с коррупцией, daher auch kurz FBK genannt, vertritt nach außen hin vorrangig Nawalnys Berater und politischer Direktor Leonid Wolkow (im englischen Leonid Volkov). Formal verantwortet er die Korruptionslisten, von denen übrigens auch Hunderte von Journalisten betroffen sind (26), (27).
Er kann auch Personen aus den Korruptionslisten streichen, formal, wie gesagt. Leonid Wolkow hat im März des Jahres zugesichert, sich für die Streichung der Oligarchen Fridman und Aven (Alfa-Bank) aus den Sanktionslisten der EU und Großbritanniens einzusetzen (28), (29). Und wie sieht es in den „Sanktionsempfehlungen“ seiner eigenen „Behörde“ aus? Zum Bedauern von Fridman und Aven sind selbige genau dort gelistet, jeweils begründet mit (Hervorhebung durch Autor):
„Russischer Oligarch. Im Rahmen des Krieges bleibt er auf höchster Ebene in das System der russischen politischen Korruption verwickelt, in dem Kapital ein Instrument zur Erlangung politischer Macht ist und politische Macht eine Bedingung für den Erhalt des Kapitals.“ (30)
Nun, das ist sogar korrekt! Russische Oligarchen wollen und sollen die russische Politik korrumpieren. Sie wollen es, weil sie es sonst nicht zum Oligarchen gebracht hätten und sie sollen es, weil sie als Fünfte Kolonne in Russland benutzt werden, um die Drecksarbeit für westliche Interessen zu verrichten.
Natürlich ist die veröffentlichte Botschaft eine andere. Eine die den Leuten weismachen möchte, dass Putin und die Oligarchen an einem Strang ziehen würden. Was schlicht nicht der Wahrheit entspricht.
Wer nun ist denn tatsächlich dafür verantwortlich, dass (unter anderem) Fridman und Aven — im obigen Sinne doch westliche Agenten — in den Listen der als Stiftung betriebenen FBK zu finden sind? Und warum haben russische Gerichte die Stiftung in Russland verboten?
Einen Hinweis finden wir in der aktuellen Besetzung des Aufsichtsrates der Stiftung. Nawalny zufolge gehören diesem unter anderem der belgische Europaabgeordnete und frühere Premierminister seines Landes, Guy Verhofstadt, die US-Publizistin Anne Applebaum sowie der US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama an (31).
Das sind absolute Systemlinge und ideologische Frontkämpfer des westlichen Wertesystems, ganz besonders Anne Applebaum und Francis Fukuyama. Die US-Amerikanerin Applebaum ist Mitglied der bis zum heutigen Tage wohl einflussreichsten Denkfabrik in den USA, dem Council on Foreign Relations (CoFR) sowie Vorstandsmitglied im von der US-Regierung betriebenen National Endowment for Democracy (32), (33). Der US-Amerikaner Francis Fukuyama arbeitete bei der US-amerikanischen, eng mit dem Rüstungssektor vernetzten Denkfabrik RAND und unter mehreren US-Regierungen. Außerdem ist auch er Mitglied des CoFR (32i), (34).
„Fukuyama war nicht einmal an einer Universität angestellt, sondern arbeitete im amerikanischen Außenministerium. Publiziert wurde sein Aufsatz [Das Ende der Geschichte] auch nicht in einer wissenschaftlichen Zeitschrift mit entsprechenden Peer-Review-Verfahren, sondern in der vergleichsweise kleinen The National Interest. Die damalige Auflage: 6000 Exemplare. Ihr Gründer Irving Kristol […] galt als einer der wichtigsten Neokonservativen der USA. Finanziell mit Mitteln reicher, konservativer Industrieller ausgestattet, schuf er die Zeitschrift, um einen harten Kurs in der US-Außenpolitik zu popularisieren.“ (35)
Kristol und Fukuyama fanden sich wenig später im Project for a New American Century (PNAC) wieder. Das war ein Projekt zur Neuordnung der Welt im Sinne einer US-amerikanischen Hegemonie, ein Projekt das auf dem Prinzip massiver Einmischung in die Belange anderer Staaten fußte und zu einer ganzen Reihe US-geführter Kriege führte (36). Das bedenkend drängen sich zwei Fragen auf.
Erstens: Was geht diese US-Amerikaner Korruption in Russland an? Nichts. Sie mischen sich in die Belange eines fremden Staates ein. Sie handeln wie Agenten und sie beschäftigen Agenten, zum Beispiel im FBK.
Zweitens: Wer hat wohl tatsächlich das letzte Wort im FBK? Nawalny und Wolkow oder doch eher Applebaum und Fukuyama? Die Antwort dürfte nicht schwer zu finden sein.
Nachdem das nun klar ist, können wir uns erneut der Frage zuwenden, warum die Oligarchen Fridman und Aven, sowie ihre Alfa-Bank, als eigentlich doch natürliche Verbündete und Agenten der westlichen Wertegemeinschaft, auf der Sanktionsliste des FBK und dann auch auf denen der USA, der EU und Großbritanniens aufgetaucht sind (37), (38). Und warum Wolkow nun nach außen hin um die Streichung der Alfa-Bank-Leute aus der FBK-Liste bittet.
Die westlichen, neokonservativen Drahtzieher, mitsamt ihren natürlichen Verbündeten des Davos-Zirkels, benötigen Helfer, die nach Kräften versuchen, die russische Gesellschaft zu spalten, auf dass man irgendwann eine revolutionäre Situation herbeiführen kann. Genau an dieser Stelle erkennt man auch, welch nützliche Rolle viele russische Oligarchen für ihre westlichen Partner spielen. Und wissen Sie was, liebe Leser: Da kommt derzeit zu wenig, und das muss sich nach dem Verständnis der Drahtzieher ändern.
Öffentlich-rechtliche Medien sind manchmal einfach köstlich:
„Die russische Wirtschaftselite äußert nur selten Kritik am Kreml. Moskaus Angriffskrieg auf die Ukraine hat offenbar jedoch einige Oligarchen zum Umdenken gebracht. Mehrere haben sich nun ungewöhnlich offen vom russischen Präsidenten distanziert.“ (39)
Tatsächlich? „Moskaus Angriffskrieg“ hat einige Oligarchen zum Umdenken gebracht? Welcher Angriffskrieg des Westens, in dem sie, Russlands Neureiche, sich, mitsamt ihren Milliarden, so wohl fühl(t)en, hat die selben jemals zum Umdenken gebracht? Oder wurden wir hier schon wieder mal auf eine falsche Fährte gelockt? Wir wurden. Zum „Umdenken“ hat die Oligarchen etwas ganz anderes gebracht, und sie wissen, dass dieses „Umdenken“ nicht genug ist, um sich irgendwann wieder so richtig wohl fühlen zu dürfen, dort, wo sie sich zu Hause fühlen.
Sanktionierte russische Opposition
Sie kamen doch so gut mit ihren „Brüdern im Geiste“ zurecht und nun das:
„[…] wenn man ihnen [den russischen Oligarchen] gesagt hätte, dass zwei von ihnen unter den Sanktionen Großbritanniens und der EU stehen und nicht über ihr Kapital verfügen können, und der dritte nicht bereit sei, sich vor den westlichen Behörden für sie einzusetzen, wären sie äußerst überrascht gewesen. Und das Schicksal hat sich auf den Kopf gestellt: Aven und Fridman sitzen in ihren Londoner Residenzen, während Chodorkowski nicht für sie, sondern für Oleg Tinkow plädiert, der ebenfalls in London wohnt und 2003 unter eigenem Namen russisches Bier verkaufte, aber 2022 den britischen Sanktionen zum Opfer fiel. Aber die Welt ist nicht ohne gute Männer — es gibt auch jemanden, den man um Unterstützung für Aven und Friedman bitten kann.“ (10i)
Zwischen 2009 und 2013 probte Nawalny, sich extremer Nationalisten im Lande bedienend und hoch gejubelt von der westlichen Propaganda, finanziert mit dem Geld der Oligarchen Aven und Fridman (Alfa-Bank), den Aufstand gegen die russische Regierung. Es war also nicht nur ein Aufstand des „Kreml-Kritikers“ sondern auch einer der Oligarchen. Ein Aufstand der misslang. Nawalny wurde nach und nach kalt gestellt. Und die Oligarchen zogen sich vom politischen Schlachtfeld zurück. Dieser Zustand ist für deren Partner im Westen auf Dauer nicht zufriedenstellend.
Die russischen Oligarchen lavieren. Sie haben viel zu verlieren, sie befinden sich in einem Dilemma. Sie sind bislang nicht bereit, den Selbstbetrug anzuerkennen und Schlussfolgerungen zu ziehen. Sie wollen ihr schönes Leben, finanziert mit den Erlösen aus dem natürlichen russischen Reichtum, einfach nicht aufgeben. Nur einer spielt die Rolle, die alle Oligarchen spielen sollen, und das ist ein gewisser Michail Chodorkowski.
„Warum also sind sie nicht bei Chodorkowski, der nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis seit einem Jahrzehnt Pläne für die Macht im Russland nach Putin schmiedet? Warum setzt er sich nicht für seine ehemaligen rivalisierenden Kollegen ein, mit denen er in den 90er Jahren dieselbe russische Ölindustrie abgesägt hat? Kann er die Oligarchenkriege jener Jahre nicht vergessen?“ (10ii)
Chodorkowski ist viel offener in dem Bemühen, aktiv an der Destabilisierung Russlands teilzuhaben als seine oligarchischen Kollegen. Ganz einfach deshalb, weil er — im Gegensatz zu ihnen — nichts mehr zu verlieren hat. Er ist schlicht kein Oligarch mehr. Er ist eher ein weiterer Nawalny. Obwohl er früher auf unzweifelhaft kriminelle Weise Russlands Reichtümer abgeschöpft hatte, wird er in hiesigen Medien, so wie Nawalny, als „Kreml-Kritiker“ gehandelt und von einem Mikrophon zum nächsten gereicht (40). Im Gegensatz zu Nawalny ist Chodorkowski mit einem Vermögen von etwa 90 Millionen Euro noch immer schwer reich (41). Aber ein Milliardär ist er nicht mehr. Doch träumt er davon, diesen Status wieder zu erlangen, und es Putin, der ihm „sein Vermögen weggenommen hat“, heimzuzahlen. Und außerdem mag er jene, die das noch haben, was er nicht mehr hat, ganz und gar nicht:
„Warum also sollte Chodorkowski jetzt Aven und Fridman dabei helfen, ihr Geld wieder flüssig zu machen: Damit sie damit nicht nur die Ukraine finanzieren können, sondern auch Navalny und ganz allgemein den ganzen neuen „revolutionären Untergrund“ in Russland? Warum sollte Chodorkowski, der sich als graue Eminenz und Koordinator der gesamten antirussischen Arbeit sieht, das tun? Sollen sich doch die „Regimegegner“ an ihn persönlich wenden, und er wird sie von westlichen Sonderdiensten finanzieren und unterstützen lassen. Er braucht keine konkurrierende Firma wie Wolkows Alfa-Bank (gemeint Nawalniks mit unabhängiger Finanzierung).“ (10iii)
Die Oligarchen sind sich in ihrem Streben nach Profit und Macht sowieso selbst nicht grün. Um den jeweiligen Kontrahenten auszustechen, ging man auch gern vor Gerichte, auch vor ausländische, zum Beispiel in Großbritannien (13i), (42). Mehr noch buhlte man gar beim gehassten Präsidenten um die Gunst. In Russland nennt man die Oligarchen in der Ölbranche übrigens auch Ölbarone (43). Was werden Avens und Fridmans westliche „Freunde“ ihren (nicht mehr so ganz) russischen Juniorpartnern jetzt wohl zu sagen haben, vielleicht etwas in dieser Art?
„Hey Pjotr und Michail, Ihr seid bei uns geduldet und könnt eure innere Leere mit Geld und Luxus gern auch zukünftig weiter kompensieren. Aber Ihr müsst euch schon ein bisschen mehr dafür anstrengen als bisher. Die paar Kröten, die ihr über die Alfa-Bank unserem Oppositionskasper zugeschustert habt, sind nett aber nicht genügend. Ihr könntet viel mehr in Eurem Russland, in dem ihr nicht leben möchtest, bewegen. Also bewegt euch und Eure Netzwerke und wir werden euch auch wieder ganz toll finden.“
Pjotr Aven und Michail Fridman bohren nun dünne Bretter. Sie versuchen, ihre Anteile an der Alfa-Bank zu veräußern (44). Dazu liest man in russischen Medien:
„Die flüchtigen Oligarchen konkurrieren jetzt nicht um die Vergangenheit, sondern um die Zukunft. Um die Zukunft Russlands, die sie für sich zurückfordern wollen. Natürlich sind Aven und Fridman feige genug, aber unter den Alfa’s, nach denen Wolkow fragt, befindet sich auch Herman Khan, ihr ewiger Mitarbeiter und Stellvertreter, der gerade »konkrete Dinge« vor Ort tat.“ (10iv)
Auf der anderen Seite organisiert der Oligarch, Wladimir Potanin seit einigen Monaten die Rückführung seiner Investitionen nach Russland. Die französische Bank Société Générale, die sich aus dem russischen Markt zurückzieht, hat ihm ihr gesamtes Russlandgeschäft verkauft. Potanins Wirtschaftstätigkeit liegt im strategisch wichtigen Bereich von Materialien für die Halbleiterindustrie, Nickel und Palladium (45).
Schuss ins eigene Knie
Schauen wir uns etwas näher an, wie kurzsichtig, gar widersinnig das Sanktionsregime ausfällt, das mit zunehmendem Fanatismus nicht nur gegen Russland betrieben wird.
Russland ist zum Beispiel der zweitgrößte Aluminiumexporteur für die USA gewesen (3i). Nun aber wurde Russland weitestgehend vom Finanzsystem SWIFT abgekoppelt. Aluminium ist ein strategischer Rohstoff und er wurde von den USA in Russland gekauft, weil ein Bedarf besteht. Was ist schwerwiegender: Der Mangel an US-Dollar für Russland oder der Mangel an Aluminium in den USA, vor allem aber in Europa!?
Man versucht, die russischen Oligarchen mit deren Verbindungen in Russland gegen die russische Regierung in Stellung zu bringen. In dem man sie erpresst. Der Reichtum dieser Leute hängt von zwei Faktoren ab: Erstens dem profitablen Verkauf russischer Rohstoffe und zweitens einem Markt, in dem sie ihre mit westlicher Währung erzielten Gewinne anlegen können. Dieser Markt war für die Ausverkäufer immer vorrangig im Westen. Von diesem sind sie abhängig.
Noch mehr rührt aber ihre Abhängigkeit daher, dass sie „ihr Geld“ bei potenziellen Erpressern parken und auch noch deren Nähe suchen. Sie könnten ja ihr Vermögen auch bei russischen Banken in Russland horten. Das tun sie aber nicht. Ihr Opportunismus und die ideologische Nähe zum westlichen Wertesystem sind einfach zu groß. Nun haben ihnen die falschen Freunde seit einem Jahr „ihr Geld“ eingefroren und die Oligarchen barmen, wie schlecht es ihnen gänge (46).
Man hat den Oligarchen ein „Angebot“ unterbreitet, dessen Annahme „ihr Geld“ vielleicht wieder flüssig machen könnte. Die russische Oligarchie soll ihre natürliche Feindschaft zum System unter der Präsidentschaft von Wladimir Putin endlich mit aller Macht ausleben.
Dessen ist sich die russische Führung bewusst:
„Ja, natürlich werden sie [der Westen] auf die so genannte Fünfte Kolonne setzen. Auf unsere Landesverräter. Auf diejenigen, die hier, bei uns, Geld verdienen, aber dort leben. Und sie leben nicht einmal im geographischen Sinne des Wortes, sondern nach ihren Gedanken. Nach ihrem sklavischen Bewusstsein… Viele dieser Menschen sind von Natur aus geistig genau dort angesiedelt, und nicht hier. Nicht bei unserem Volk. Nicht bei Russland. Das ist ihrer Meinung nach ein Zeichen der Zugehörigkeit zu einer höheren Kaste, zu einer höheren Rasse. Solche Leute sind bereit, ihre eigenen Mütter zu verkaufen, wenn sie nur in den Vorzimmern dieser allerhöchsten Kaste sitzen dürfen… Sie verstehen überhaupt nicht, dass sie, wenn sie von dieser so genannten „höheren Kaste“ gebraucht werden, nur als entbehrliches Material gebraucht werden, um sie zu benutzen, um unserem Volk maximalen Schaden zuzufügen.“ (12i)
Und nun werden sie von der „höheren Kaste gebraucht“. Und deshalb lesen wir in den „Qualitätsmedien“ seit einem Jahr von Hoffnungen:
„Die Sanktionen des Westens treffen auch die Milliardäre in Russland. Lehnen diese sich nun gegen ihren Präsidenten Wladimir Putin auf?“ (17i)
Das Rezept kommt uns doch bekannt vor! So mit den „eigenen Leuten“ umzugehen, macht uns zweierlei sichtbar: Der Zynismus der westlichen Mächte bei der „Zusammenarbeit“ mit ihren „Partnern“ einerseits. Und andererseits wird hier augenscheinlich, dass den Drahtziehern der Operation zur Schwächung oder gar Ausschaltung Russlands die Felle davon schwimmen.
„An den Gewohnheiten der Oligarchen ändert sich also nichts, nur dass sie früher den natürlichen Reichtum Russlands geteilt haben und jetzt Pläne für die künftige Rache, für die Rückgabe des Verlorenen haben. Und der Wettbewerb ist nicht weniger heftig – nur wird das Ergebnis nicht die triumphale Rückkehr der Oligarchen nach Russland sein, sondern ihre Verwandlung in banale Diener der Feinde Russlands. Und am Ende steht das Schicksal des in London ansässigen Pioniers Boris Beresowski.“ (10v)
Die Spreu trennt sich vom Weizen. Und die Oligarchen Russlands müssen sich entscheiden. Die gesellschaftliche Stimmung im Lande ist nicht auf ihrer Seite. Außerdem aber müssen sich diese Leute zu einer weiteren Entscheidung durchringen und diese wird sie so oder so einen Preis kosten. Verweigern sie sich einer Rolle innerhalb der Fünften Kolonne des Westens in Russland, verlieren sie deren Wohlwollen und möglicherweise auch ihre Reichtümer. Tun sie das nicht, dürften sie als ausländische Agenten ihre Heimat endgültig verlieren.
Man könnte es auch Flurbereinigung nennen, oder das Aufdecken der Karten. Anatoli Tschubais, „Reformer“ der 1990er in Russland, dabei reich geworden, mit starken Verbindungen zu Klaus Schwabs Davos-Club, Lobbyist im russischen Pharmakomplex, leidenschaftlicher Vertreter der „Dekarbonisierung“ in seinem Land, früheres Beiratsmitglied der Investmentbank JP Morgan, zuletzt Sonderbeauftragter des russischen Präsidenten bei den Vereinten Nationen, hat im März 2022 sein Amt aufgegeben und sein Land verlassen. Er hat nicht vor, zurückzukehren (12ii), (47).
Bitte bleiben Sie schön aufmerksam, liebe Leser.
Anmerkungen und Quellen
(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen – insbesondere der deutlich sichtbaren Verlinkung zum Blog des Autors – kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei internen Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden.
(a1) Übersetzungen aus dem russischen und englischen erfolgten unter Zuhilfenahme von DeepL.com.
(1) 12.03.2022; NZZ; Markus Bernath, Bettina Schulz; Das ist Putins Bande; https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/international/russlands-praesident-wladimir-putin-und-seine-oligarchen-ld.1674316?reduced=true
(2) 19.04.2023; NZZ; Niklaus Nuspliger; Das britische Oberhaus wirkt aus der Zeit gefallen. Kann eine sanfte Reform die Lords vor der Abschaffung bewahren?; https://www.nzz.ch/international/britisches-oberhaus-in-der-krise-sind-die-lords-noch-zu-retten-ld.1727063
(3, 3i) 10.04.2018; Wirtschaftswoche; Maxim Kireev; Worüber der Oligarch Oleg Deripaska gestolpert ist; https://www.wiwo.de/politik/ausland/aluminium-tycoon-verliert-ein-vermoegen-worueber-der-oligarch-oleg-deripaska-gestolpert-ist/21159194-all.html
(4) 28.02.2028; ARD-Tagesschau; Russische Oligarchen kritisieren den Kreml; https://www.tagesschau.de/ausland/europa/oligarchen-russland-kritik-kreml-101.html
(5) 19.04.2023; Forbes; Oleg Deripaska; https://www.forbes.com/profile/oleg-deripaska/
(6) 30.09.2022; ntv, ino/AFP; Oligarch Deripasks wegen Sanktionsbetrugs angeklagt; https://www.n-tv.de/politik/Oligarch-Deripaska-wegen-Sanktionsbetrugs-angeklagt-article23621516.html
(7, 7i) 02.03.2023; Reuters; Russian tycoon Deripaska criticises Moscow, frets about investor flight; https://www.reuters.com/markets/europe/russian-tycoon-deripaska-criticises-moscow-frets-about-investor-flight-2023-03-02/
(8, 8i) 01.03.2022; David Gerginov; GeVestor; https://www.gevestor.de/finanzwissen/oekonomie/rankings/die-5-reichsten-russischen-oligarchen-712779.html
(9) 01.03.2022; ARD-Tagesschau; Notker Blechner; Wer sind die sanktionierten Oligarchen?; https://www.tagesschau.de/wirtschaft/wer-sind-die-sanktionierten-russen-oligarchen-101.html
(10 bis 10v) 06.03.2023; RIA Nowosti; Pjotr Akopow; https://ria.ru/20230307/oligarkhi-1856237660.html
(11) 16.04.2023; Reporter; Sergej Marschetski; Bolt dot or ellipsis: when and how can CBO be stopped; https://en.topcor.ru/34180-zhirnaja-tochka-ili-mnogotochie-kogda-i-kak-mozhet-byt-ostanovlena-svo.html
(12 bis 12i) 25.03.2022; Strategic Culture; Matthew Ehret; As New Purge of Fifth Columnists Approaches: Anatoly Chubais Jumps Ship; https://strategic-culture.org/news/2022/03/25/as-new-purge-of-fifth-columnists-approaches-anatoly-chubais-jumps-ship/; Primärquelle: https://vk.com/wall-147665401_523298?lang=en
(13, 13i) 23.03.2013; BBC; Obitury: Boris Berezovsky; https://www.bbc.com/news/world-europe-19435227
(14) 09.12.2021; TaSS; CIA employees worked in Russian government in mid-1990s – Putin; https://tass.com/russia/1373523
(15) 15.06.2000; The Economist; Putin versus the Oligarchs?; https://www.economist.com/europe/2000/06/15/putin-versus-the-oligarchs
(16, 16i) 29.03.2022; npr; Greg Rosalsky; How Putin Conquered Russia’s Oligarchy; https://www.ktep.org/politics/2022-03-29/how-putin-conquered-russias-oligarchy; entnommen von NYT: https://www.nytimes.com/2000/07/29/world/putin-exerting-his-authority-meets-with-russia-s-tycoons.html (Registrierungsschranke)
(17) 25.01.2001; The Moscow Times; Yevgenia Borisova; Putin Asks Oligarchs for a Handout; https://www.themoscowtimes.com/2001/01/25/putin-asks-oligarchs-for-a-handout-a255792
(18) 25.03.2013; ntv, dpa, rts; Kreml will Beresowskis Vermögen; https://www.n-tv.de/politik/Kreml-will-Beresowskis-Vermoegen-article10355416.html
(19, 19i) 05.03.2022; taz; Inna Hartwich; Die leisen Worte der Oligarchen; https://taz.de/Russlands-Geldadel/!5838960/; Anmerkung PA: Der Autorin gelingt das Kunststück, ein Zerrbild Russlands in den 1990er Jahren zu entwerfen, in dem der prägende Einfluss des westlichen Auslands (Clinton-Regierung, CIA, Soros, westliche Konzerne und Banken, IWF und Weltbank) auf die Geschicke des Landes komplett unter den Tisch fällt.
(20) 03.07.2008; Spiegel Online; Medwedew entlässt Milliardär Abramowitsch als Gouverneur; https://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-medwedew-entlaesst-milliardaer-abramowitsch-als-gouverneur-a-563730.html (hinter Registrierungs/Werbeschranke)
(21) 17.04.2016; Alfa Group; Annual Report; http://www.alfagroup.org/upload/iblock/cbe/cbe07cc5058b2f983889f6ee249a52b1.pdf (nicht mehr verfügbar); Sicherung im Web Archive: https://web.archive.org/web/20160417030529/http://www.alfagroup.org/upload/iblock/cbe/cbe07cc5058b2f983889f6ee249a52b1.pdf
(22, 22i) 10.01.2018; World Socialist Web Site; Clara Weiss; Was vertritt der russische „Oppositionsführer“ Alexei Nawalny?; https://www.wsws.org/de/articles/2018/01/10/nava-j10.html
(23, 23i) acf; https://acf.international/; https://acf.international/list-of-war-enablers; abgerufen: 21.04.2023
(24) 25.04.2012; Forbes (Russland); Roman Badanin; Я понимал, что сотрудничество с Навальным может быть угрозой для моей работы; https://www.forbes.ru/sobytiya/lyudi/81639-ya-ponimal-chto-sotrudnichestvo-s-navalnym-mozhet-predstavlyat-ugrozu-dlya-moei
(25) 22.03.2022; Amnesty International; Russland: Oppositionsführer Alexej Nawalny zu weiteren neun Jahren Haft verurteilt; https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/russland-alexej-nawalny-erneute-verurteilung
(26) Droemer Knaur; Leonid Wolkow; https://www.droemer-knaur.de/autor/leonid-wolkow-3010353; abgerufen: 22.04.2023
(27) acf; Warmongers under sanctions; https://acf.international/acf-media/Federal_media_ckc57W9.pdf; abgerufen: 21.04.2023
(28) 23.03.2023; The Eastern Herald; International FBK after the resignation of Volkov led the Pevchikh; https://www.easternherald.com/2023/03/23/international-fbk-after-the-resignation-of-volkov-led-the-pevchikh/
(29) 01.03.2022; Kultur Poebel; Mikhail Fridman verliert nach Sanktionen die Kontrolle über LetterOne; https://kulturpoebel.de/mikhail-fridman-verliert-nach-sanktionen-die-kontrolle-ueber-letterone/
(30) acf; https://acf.international/acf-media/Contributors_to_the_war_pdf_DzFxRx8.pdf; abgerufen: 21.04.2023
(31) 12.07.2022; taz; Aus dem Knast gegen Korruption; https://taz.de/Alexej-Nawalny-gruendet-Stiftung/!5866789/
(32, 32i) Council on Foreign Relations; Membership Roster; https://www.cfr.org/membership/roster; abgerufen: 22.04.2023
(33) NED, Board of Directors; https://www.ned.org/about/board-of-directors/; abgerufen: 22.04.2023
(34) Stanford University; Francis Fukuyama; https://fsi.stanford.edu/people/fukuyama; abgerufen: 22.04.2023
(35) 02.10.2022; Berliner Zeitung; Nils Schniederjann; „Das Ende der Geschichte“: Warum niemand je wirklich daran geglaubt hat; https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/analyse-francis-fukuyama-kapitalismus-sozialismus-das-ende-der-geschichte-warum-niemand-je-wirklich-daran-geglaubt-hat-li.271507
(36) 16.10.2019; The Militarist Monitor; Project for the New American Century; https://militarist-monitor.org/profile/project_for_the_new_american_century/
(37) OFAC; JOINT STOCK COMPANY ALFA-BANK; https://sanctionssearch.ofac.treas.gov/Details.aspx?id=34682; abgerufen: 23.04.2023
(38) 25.02.2023; Rat der EU; 10. Sanktionspaket gegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine: die EU nimmt weitere 87 Personen und 34 Organisationen in die EU-Sanktionsliste auf; https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2023/02/25/10th-package-of-sanctions-on-russia-s-war-of-aggression-against-ukraine-the-eu-includes-additional-87-individuals-and-34-entities-to-the-eu-s-sanctions-list/
(39) 28.02.2023; BR24; Russische Oligarchen distanzieren sich von Putin; https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/russische-oligarchen-distanzieren-sich-von-putin,SylTBz8
(40) 13.12.2018; Deutschlandfunk; Was Putin macht, entspricht dem Verhaltensmuster von Kriminellen; https://www.deutschlandfunk.de/kreml-kritiker-chodorkowski-was-putin-macht-entspricht-dem-100.html
(41) 03.01.2023; Vermögen Magazin; Das Vermögen des Ex-Milliardärs Michail Chodorkowski; https://www.vermoegenmagazin.de/michail-chodorkowski-vermoegen/
(42) 07.07.2012; Stabroek News; RUSAL battle set for British court; https://www.stabroeknews.com/2012/07/07/news/world/rusal-battle-set-for-british-court-2/
(43) 11.08.2013; The Moscow Times; Oil Barons Vie for Putin’s Favor in Business Disagreement; https://www.themoscowtimes.com/2013/08/11/oil-barons-vie-for-putins-favor-in-business-disagreement-a26623
(44) 10.03.2023; Reuters; Fridman, Aven in talks over selling stake in Russia’s Alfa Bank; https://www.reuters.com/markets/deals/fridman-aven-talks-over-selling-stake-russias-alfa-bank-paper-2023-03-10/
(45) 08.09.2022; Le Monde Diplomatique; Ibrahim Warde; Wer sind die Oligarchen?; https://monde-diplomatique.de/artikel/!5866038
(46) 29.03.2022; ntv; Russischer Oligarch klagt über „sinnlose“ Sanktionen; https://www.n-tv.de/wirtschaft/Russischer-Oligarch-klagt-ueber-sinnlose-Sanktionen-article23231459.html
(47) 23.03.2022; ntv; Putin-Vertrauter Tschubais setzt sich ins Ausland ab; https://www.n-tv.de/politik/Putin-Vertrauter-Tschubais-setzt-sich-ins-Ausland-ab-article23218526.html
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 24. April 2023 bei peds-ansichten.de
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Bildquelle: Marko Aliaksandr/ shutterstock
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