Ein Beitrag von Eugen Zentner.
Im Zuge der Corona-Krise haben sich viele Künstler kritisch zu Wort gemeldet. Allerdings handelt es sich dabei überwiegend um aufstrebende Newcomer. Während die ganz großen Namen den Regierungskurs mittragen, prangern sie kontinuierlich die Maßnahmen-Politik an oder verweisen auf deren katastrophale Folgen – nicht nur in den sozialen Medien und auf Demonstrationen, sondern auch in den eigenen Werken. In manchen Fällen ist sogar ein beachtliches Œuvre entstanden. Seit knapp zwei Monaten können sie diese ihren Fans auch live präsentieren. Kulturveranstaltungen dürfen nun uneingeschränkt stattfinden. Keine G-Regeln, keine Maskenpflicht, keine Zuschauerbeschränkungen. Dennoch ist es für jene kritischen Künstler nicht leicht, öffentlich aufzutreten, weil sogenannte Woke-Aktivisten ihre Veranstaltungen torpedieren.
Diese Taktik stellt eine besonders perfide Ausprägung der Cancel Culture dar. Sie kommt dann zum Einsatz, wenn die aus Sicht der Woke-Aktivisten unliebsamen Künstler ein Event ankündigen. Deren Veranstalter werden daraufhin sofort unter Druck gesetzt, telefonisch wie schriftlich. Solchen Leuten dürfe man keine Plattform bieten, heißt es dann meistens. Schnell werden die üblichen Kampfbegriffe ausgepackt, die dazu dienen sollen, jene Künstler zu diskreditieren. Sie seien „rechts“, „antisemitisch“ oder „Corona-Leugner“ und „Verschwörungstheoretiker“. Bei den adressierten Veranstaltern zeigt das Wirkung, weil sie die gebuchten Künstler oftmals nicht gut kennen und sich vorab nicht mit ihnen beschäftigen. Also glauben sie zunächst dem, was ihnen in diesen telefonischen oder schriftlichen Mitteilungen übermittelt wird. Aus dem Effekt heraus neigen die Veranstalter dann dazu, das Event sofort abzusagen. Als Motor fungiert oftmals die Angst vor einer Kontaktschuld, auf die die Woke-Aktivisten ausdrücklich hinweisen.
Solche Erfahrungen hat unter anderem der Comedian Nikolai Binner gesammelt. Der Berliner sorgte während der Corona-Zeit mit satirischen Videos für große Aufmerksamkeit. Darin werden die Großen und Mächtigen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft durch den Kakao gezogen, in überspitzter wie polemischer Form. Für Binners Berufsstand ist das eigentlich nichts Ungewöhnliches. Satire greift zu diesen Stilmitteln, um auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen. Doch mit seiner Kritik an der Corona-Politik hat sich der Comedian bei den Woke-Aktivisten unbeliebt gemacht, weshalb sie ihm das Leben schwer zu machen versuchen. Vor einem Auftritt in Freiburg im Mai erhielt der Betreiber des Veranstaltungsorts mehrere Schreiben und Anrufe, in denen Binner als „rechter Comedian“ diffamiert wurde. Wie könne er so einer Person bloß eine Bühne bieten, lautete der Vorwurf. Der Location-Betreiber kontaktierte daraufhin Binners Booking-Manager und fragte nach genaueren Informationen zum Künstler. Vermutlich hätte er die Veranstaltung sogar abgesagt, wären vorher nicht schon die Verträge unterzeichnet worden. Binner konnte auftreten, hatte aber vorsorglich Security angeheuert.
Dass solche Vorsichtsmaßnahmen mittlerweile notwendig sind, zeigen die Ereignisse rund um das kürzlich vereitelte Rapbellions-Konzert in Berlin. Das mehrköpfige Rap-Kollektiv ist in der Vergangenheit ebenfalls mit corona- wie regimekritischen Beiträgen aufgefallen. Für die Woke-Aktivisten war das Grund genug, sie ins Fadenkreuz zu nehmen. Folglich wurden auch die Rapbellions in die rechte Ecke geschoben. Die Methode ist insofern perfide, als die Aktivisten sich selbst ein „erwachtes“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus attestieren, es anderen aber absprechen, wenn diese bei einem Thema eine abweichende Meinung vertreten. Sie setzen also den moralischen Maßstab und wähnen sich im Besitz einer Definitionsmacht, die als Gradmesser des Sagbaren dient. Wer diesen Raum überschreitet, erhält sofort ein imageschadendes Etikett.
Für die Rapbellions ist es dadurch schwierig geworden, einen Veranstaltungsort zu finden. Und wenn es dann doch klappt, stehen zahlreiche Woke-Aktivisten und Antifa-Mitglieder direkt vor der Tür und poltern. Das geschah vor dem angekündigten Konzert in Berlin, wo mehrere Polizeiwagen und selbst das BKA anrücken mussten, um einen Gewaltausbruch zu vermeiden. Dabei hatte das Rap-Kollektiv den Veranstaltungsort geheim gehalten. „Wir richteten eine geschlossene Telegram-Gruppe ein, in der wir ihn erst kurzfristig bekannt gaben“, sagt Lapaz, einer der Gründungsmitglieder. Zuvor hatten sich die Fans per Mail anmelden müssen, woraufhin die Rapbellions nach sorgfältiger Prüfung sie in die geschlossene Gruppe einluden. Doch unter ihnen befand sich ein Maulwurf, der den Veranstaltungsort im Netzwerk der Woke-Aktivisten kursieren ließ. Sie mobilisierten zu einer Protestaktion vor dem Eingang, riefen die Einsatzkräfte auf den Plan und sorgten dafür, dass die Betreiber fünfzehn Minuten vor Beginn das Konzert absagten. Begründet wurde das mit einem Vertragsbruch. Es sei nicht vorgesehen gewesen, dass „rechte Rapper“ auftreten.
Glücklicherweise befand sich unter den Konzertgästen ein Fan, der im Umland von Berlin ein größeres Haus mit Garten besitzt. Er machte den Vorschlag, das Event kurzerhand dort zu veranstalten. Das Konzert fand statt, doch der Vorfall zeigt, dass die Sabotage-Praxis Methode hat. Es handelt sich um ein weitverbreitetes Phänomen, das jedoch unter dem Radar der Öffentlichkeit bleibt. „Die meisten Fälle bekommt man nicht mit, weil die Künstler nicht sonderlich bekannt sind“, sagt der Comedian Binner. „Und genau deswegen machen sie keine Karriere. Das ist das Gefährliche: „Solche Künstler werden gecancelt, bevor sie den Durchbruch schaffen.“
Dieses Problem sieht auch die Künstlerin Angelika Gigauri. Im letzten Jahr wurde ihr eine Ausstellung verwehrt, weil eine Regionalzeitung leichtfertig mit den genannten Kampfbegriffen hantierte. Der Fall trägt kafkaeske Züge. Seit Beginn der Corona-Politik fertigt Gigauri Zeichnungen an, die verschiedene Aspekte der Krise thematisieren. Abgebildet ist immer ein Kopf mit einem Virus als Krone. Dieses Motiv variiert die Künstlerin, indem sie das Haupt mit verschiedenen Gedanken füllt. Im Herbst 2020 nahmen Bekannte einige ihrer Bilder mit auf eine Demonstration in Bayreuth, wo es um die Maskenbefreiung für Kinder ging. Darüber schrieb der zuständige Journalist der Regionalzeitung aber nicht, sondern ließ sich über die angebliche antisemitische Hetze in den Telegram-Kanälen des Veranstaltungsleiters aus. Seinen Artikel schmückte ein Foto, auf dem Gigauris Bilder und der vermeintliche Delinquent zu sehen waren.
Dass zwischen ihr und dem Veranstaltungsleiter keine persönliche Verbindung bestand, spielt für den Kunstverein Kronbach keine Rolle. Dort hatte sich die Künstlerin zuvor mit ihren Zeichnungen für eine Ausstellung beworben – und wurde auch angenommen. Nach dem Artikel ruderte der Kunstverein aber zurück. Ihre Bilder seien „antisemitisch belastet“, hieß es – wohl weil ihre Bekannten mit ihnen auf der Demonstration auftraten. „Ich war geschockt“, erinnert sich Gigauri. „Und enttäuscht, dass man als Künstler so wenig offen ist.“ Der Comedian Nikolai Binner erklärt dieses Phänomen damit, dass auch viele Veranstalter „woke“ seien. Sie ersticken die Auftrittsmöglichkeiten bereits im Keim. Die Aktivisten treten erst dann in Erscheinung, wenn die verfemten Künstler diesen Filter passiert haben.
+++ Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: Bro Crock / shutterstock.com
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