Die Lehrerschaft verdrängt ihr Versagen in der Pandemie und behindert dadurch die Heilung der Kindern zugefügten Verletzungen
Ein Kommentar von Bernd Schoepe.
Lehrer, Erzieher und ihre Verbände haben in der Corona-Krise versagt und sich (mit-) schuldig gemacht an den ihnen zum Schutz anvertrauten Kindern und Jugendlichen. Gemäß den Schulgesetzen der Länder, so im Schulgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg, in der ich bis Februar 2021 als Lehrer für die gymnasiale Oberstufe unterrichtet habe, haben Schule und Unterricht den Auftrag,
„das eigene körperliche und seelische Wohlbefinden ebenso wie das der Mitmenschen zu wahren (…) sowie für die Gleichheit und das Lebensrecht aller Menschen einzutreten“. (1)
Artikel 6, Abs. 2 der nordrhein-westfälischen Landesverfassung besagt:
„Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung und den Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung. Staat und Gesellschaft schützen sie vor Gefahren für ihr körperliches, geistiges und seelisches Wohl. Sie achten und sichern ihre Rechte, tragen für altersgerechte Lebensbedingungen Sorge und fördern sie nach ihren Anlagen und Fähigkeiten.“
Diese Grundsätze und Grundrechte sind während der Corona-Zeit massiv missachtet worden. Das körperliche und seelische Wohlbefinden litt drastisch unter Lockdowns, Masken-und Testzwang und einer monatelang andauernden sozialen Isolation der Kinder und Jugendlichen. Die Gleichheit und das Lebensrecht aller Kinder wurden durch den Entzug von Bildung ebenso verletzt wie durch die stark vom sozialen Status der Eltern abhängigen Bedingungen beim Homeschooling und das Verbot, mit Gleichaltrigen zusammenzusein.
Die Kinder wurden zu Objekten obrigkeitsstaatlich agierender Regierungen degradiert. Sie wurden einem Wust von Maßnahmen, die noch dazu ständig wechselten, unterworfen, ohne je selbst gehört zu werden.
Die rigiden Regeln der Corona-Pädagogik waren:
- Nicht anfassen! Abstand halten!
- Nicht miteinander spielen!
- Nicht toben!
- Nicht frei bewegen!
- Nicht spontan sein!
- Nicht sich unbändig freuen! (Denn dann verrutscht die Maske!)
- Nicht berühren! Keine Zärtlichkeiten!
- Und: nicht frei atmen!
Das, was den jungen Menschen damit angetan worden ist, kann kaum anders als mit dem Ausdruck der „Schwarzen Pädagogik“ belegt werden. Unter diesem Begriff werden Erziehungsmethoden zusammengefasst, die mit Gewalt, Einschüchterung oder Angsterzeugung arbeiten. Zur schwarzen Pädagogik
„gehören alle Handlungen, mit denen ein Kind unter Einsatz körperlicher oder seelischer Mittel zu bestimmten Handlungen bzw. zu einem bestimmten Verhalten gebracht werden soll, wie (…) Manipulation, Ängstigung, Liebesentzug, Isolierung, Misstrauen, Demütigung, Verachtung, Spott, Beschämung, Gewaltanwendung bis hin zur Folter.“ (3)
Fehlende Rechtfertigung
Denn obwohl spätestens nach dem ersten Lockdown hinreichend deutlich geworden war, dass die Maßnahmen teils auf übertrieben dargestellten, teils sogar auf evidenzlosen Annahmen gründeten, blieb das überaus strenge Regime an den Schulen über die gesamte Corona-Zeit hin bestehen.
Nie aber ging vom SARS-CoV-2-Virus allgemein eine so große Gefahr für die Gesundheit oder gar für Leib und Leben der Kinder, Lehrer und Eltern aus, dass dieses Regime dadurch gerechtfertigt gewesen wäre. Dafür rief es verharmlosend „Kollateralschäden“ genannte immense Folgen hervor, die sich tatsächlich zur größten Gesundheitskrise in der neueren Geschichte ausweiten sollten, von der insbesondere junge Menschen betroffen sind.
Schwerste Kollateralschäden
Die rigiden Maßnahmen hemmten die natürliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, setzten sie mindestens anderthalb Jahre unter Dauerstress- und Angst, stahlen ihnen wichtige Lebensjahre und zwangen sie unter ein lebensfeindliches Hygieneregime.
Man schreckte nicht davor zurück, den Kindern – gleichfalls ohne Evidenz – ein schlechtes, schuldbeladenes Gewissen einzubläuen (todbringende „Superspreader“, „Ihr seid schuld, wenn Oma stirbt“!), durch das sie von Angststörungen und Traumatisierungen noch viele Jahre, schlimmstenfalls ihr ganzes Leben lang, heimgesucht und belastet werden.
Als Schwarze Pädagogik der übelsten Sorte lässt sich auch der z.T. von Lehrern und Schulleitungen ausgeübte Impfdruck und die Ausgrenzung und Diskriminierung maskenbefreiter und nicht-geimpfter Kinder bezeichnen. Kindern, deren Eltern die höchst fragwürdigen und medizinisch nicht begleiteten Tests ablehnten, mit denen die Schüler mehrmals die Woche traktiert wurden, wurde das Recht auf schulische Bildung genommen, denn gegen Schüler, die den Test verweigerten, wurden „Betretungsverbote“ der Schule verhängt.
Eltern, die sich schützend vor ihre Kinder stellten, mussten mit ansehen, wie ihnen Jugendämter unter Einsatz massiven Polizeiaufgebots die Kinder wegnahmen und sie in Pflegefamilien gaben.
Bericht einer Kinderärztin
Die Kinderärztin Dr. Andrea Knipp-Selke, Mitautorin der interdisziplinären Thesenpapiergruppe zum Themenkreis Covid-19 Schrappe et al., berichtete über Fälle von Kindern, die sich aufgrund großer psychischer Belastung durch schulischen Impfdruck, hilfesuchend und verzweifelt an ihre Praxis wandten:
„Der Druck auf die Jugendlichen sich impfen zu lassen, ist sehr groß. Das geht so weit, dass die Lehrer die Tafel aufklappen und auf der einen Seite stehen die ungeimpften Kinder und auf der anderen Seite die geimpften Kinder und die ungeimpften Kinder müssen sich dann täglich testen lassen. Ein anderes Kind erzählte uns, dass die Lehrerin jeden Morgen alle Schüler aufruft und sie fragt, ob sie geimpft oder nicht-geimpft sind, und die, die geimpft sind, bekommen einen Applaus und die nicht geimpften einen bösen Blick der Lehrerin oder werden aufgefordert sich dafür zu rechtfertigen. Ein Schüler berichtete, dass, als er über den Schulflur lief, eine Lehrerin ihn anherrschte, ob er sich denn jetzt endlich habe impfen lassen, schließlich wolle man nicht wegen ihm sterben. Zu den Masken erinnere ich mich an ein Mädchen, das wegen der FFP-2-Maske im Sportunterricht zusammengebrochen ist. Dann kam die Lehrerin und riss ihr nicht etwa die Maske vom Gesicht, sondern wies sie an, mal flacher zu atmen. Oder: der Impfbus fährt vor der Schule vor und die Mittelstufenschüler gehen zur Impfung und der Impfpass wird am Eingang zum Impfbus durch die Oberstufenschüler kontrolliert, – so etwas wie ein Arztgeheimnis gibt es da nicht mehr. (…) Das ist sicherlich nicht an allen Schulen so. Aber es sind beileibe auch keine Ausnahmefälle. (…) Was die Impfung betrifft, so hat keiner der Jugendlichen Angst vor der Infektion, sie wollen einfach nur ihr Leben zurück.“ (4)
Folgen der Isolierung und Angsterzeugung
Und heute? Ein befreundeter Kollege erzählt mir von der Situation in seinen Klassen. Ein Drittel der Schüler seien in ärztlicher oder therapeutischer Behandlung. Massiv treten auf: Schlafstörungen, Depressionen, Lethargie, Antriebslosigkeit, völlige Hilf- und Orientierungslosigkeit in praktischen Dingen. Arhythmie bestimme immer noch das Leben eines signifikanten Teils der Schülerschaft. Die Lernrückstände seien besonders in den naturwissenschaftlichen Fächern so groß, dass sich die Lücken kaum schließen lassen.
Insbesondere Kinder aus armen Haushalten, die von der ganzen Situation besonders überfordert waren, hätten keine Chance, ihre Lernrückstände aufzuholen. Wieder einmal sind es die sozial Benachteiligsten und Schwächsten, die zum größten Opfer einer gedanken- und rücksichtslosen Politik geworden sind.
Am schlimmsten findet der Kollege, dass den Kindern soviel Angst gemacht wurde und sie mit dem Vorwurf leben mussten, vielleicht ihre Familienmitglieder umzubringen, wenn sie sich nicht an die Regeln hielten. Damit erklärt er sich auch, dass noch immer Jüngere die Maske trügen, obwohl sie meist wenig oder gar keine Angst hätten, sich selbst mit dem Virus anzustecken.
Der Kollege hofft, dass in einem ähnlichen, zukünftigen Fall solche Maßnahmen auf mehr Widerstand oder Verweigerung bei den Lehrern stoßen.
Keine Einsicht, keine Aufarbeitung
Die couragierten Kolleginnen und Kollegen – auch Schulleiterinnen und Schulleiter – die nicht bereit waren, bei der schwarzen Corona-Pädagogik mitzumachen, mussten ihren Beruf aufgeben oder wurden suspendiert und entlassen. Nachdem selbst Gesundheitsminister Lauterbach die Schulschließungen als „Fehler“ (5) bezeichnet hat, einige Corona-Regeln für „schwachsinnig“ erklärte und sogar von „Exzessen“ sprach, (6) außerdem sein Ministerium keine Belege mehr für den Nutzen der Maskenpflicht nennen kann, (7) müssen sie dringend rehabilitiert werden.
Ein Weg, die schlimme Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, könnte sein, dass die Lehrerkollegien sich mit den Skeptikern und Kritikern der Maßnahmen an einen Tisch setzen und konstruktiv überlegen, welche Schritte zur Aufarbeitung gemeinsam unternommen werden können. Die Pädagogen könnten damit nicht nur ihr eigenes Gewissen entlasten, sondern auch ein Vorbild geben, wie es gelingen kann, den geschundenen Gesellschaftskörper- und Geist zu heilen.
Doch während wir erleben, wie das offizielle Corona-Narrativ tagtäglich mehr unter der Last einer immer gründlicher erfolgenden wissenschaftlichen Aufarbeitung der Covid-19-Hysterie, geleakter Dokumente und anderer skandalträchtiger Enthüllungen (Twitter- und Pfizer-Files, von der Leyens Affäre um angeblich gelöschte Impfdeal-SMS, Italogate) zusammenbricht, erkennt die besonders „systemrelevante“ Berufsgruppe der Pädagogen die Zeichen der Zeit immer noch nicht. Viele Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer haben allen Vorgaben nicht nur ohne Wenn und Aber gehorcht und unverhältnismäßige, Maßnahmen umgesetzt, die den Kindern und Jugendlichen große Schäden zufügten. Nein, schlimmer noch: Ihren Interessenverbänden war dieses kinderfeindliche Regime noch nicht streng genug und es wurde ein ums andere Mal der Ruf nach noch schärferen Maßnahmen laut!
Jetzt hüllen sich Schulleitungen, -kollegien, -behörden und Lehrerverbände in beharrliches Schweigen und man will nichts mehr von Corona hören…
Obwohl die Pädagogen, insbesondere die Lehrer – vergleicht man sie mit anderen „systemrelevanten“ Berufen in der Pandemie – eine mehrfach privilegierte Gruppe darstellten, bleiben sie als Berufsgruppe in Erinnerung, die ständig Verschärfungen der Maßnahmen und eine Vorzugsbehandlung als vermeintliche Risikogruppe einforderte: Von Anfang an beanspruchten die Lehrer höchste Schutzmaßnahmen für sich, wo doch die Tätigkeiten und Anforderungen anderer Berufe größere Belastungen und Gefährdungen mit sich brachten.
Statt die Größe zu haben, wenigstens jetzt Einsicht in ihr fehlgeleitetes Handeln zu zeigen und mit der Reflexion des eigenen Versagens zu beginnen, tun die Pädagogen entweder so, als sei nichts, zumindest nichts Einschneidendes geschehen oder als hätte man ja nicht besser wissen können, was einer ganzen Generation mit der schwarzen Corona-Pädagogik angetan wurde. Diese wurde und wird immer noch als alternativlos dargestellt – aber wie wir nicht erst seit heute oder gestern wissen – war sie es nicht. Die Fakten, welche negativen Folgen Schul-Lockdowns, separierende Regeln und Sonderbehandlungen auf das Leben und die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen haben, lagen schon im Sommer 2020 auf dem Tisch. Doch hat sich nicht nur die Politik über die Mahnungen und Warnungen hinweggesetzt, sondern leider auch die übergroße Mehrheit der Pädagogen!
Vergebliche Versuche, auf das Leiden aufmerksam zu machen
Wir, mein Kollege Finn Jagow und ich, gingen im März 2021 mit der Auswertung einer selbst konzipierten und von uns durchgeführten Studie an die Öffentlichkeit, die wir „E-Learning: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie…?!“ nannten und die u.a. auf den Nachdenkseiten veröffentlicht wurde. Wir schrieben:
„Aus den Auskünften unserer Schülerinnen und Schüler muss der Eindruck gewonnen werden, dass das Leben dieser jungen Menschen tatsächlich seit über drei Monate weitgehend nur noch auf das Schlafen (bzw. einen Zustand fast vollständiger Passivität, ja Apathie) und dem Sitzen oder Liegen vor elektronischen Geräten – teils zu schulischen, teils zu tendenziell entgegengesetzten Zwecken – zusammengezurrt ist. Was dies für das persönliche Wohl und die Gesundheit unserer Schüler bedeutet, lässt sich schon anhand der Zahlen der durchschnittlichen Dauer der Mediennutzung erkennen, die in unserer Befragung bei zehn Stunden täglich liegt (gegenüber sieben bis acht Stunden im ersten Lockdown). Angesichts dieses dramatischen Bildes und der psychisch extrem angespannten Lage sowie dem Leiden unserer eigenen Schülerinnen und Schüler daran, sind wir enttäuscht darüber, dass offenbar noch immer viel zu wenige Pädagoginnen und Pädagogen der Dimension dieser Gefährdung unserer Kinder und Jugendlichen gewahr werden, denn sonst hätten sie und ihre Verbände doch schon längst Alarm schlagen müssen.“
Wir stellten damals fest, dass die Schüler mit zahlreichen Problemen kämpften. Sie sollten sich später als die Probleme herausstellen, die verantwortlich dafür waren, dass die einzige Triage, die wirklich zur Realität wurde, die Triage in Kinder-und Jugendpsychiatrien war:
• Probleme der Rhythmisierung • Probleme der Orts-und Zeitdiffusion • Probleme der Motivation • Probleme der Konzentration • Problem der Monotonie • Problem der Isolation • Problem der nicht-natürlichen Kommunikation
Aufgrund der besorgniserregenden Zustände, die wir mit unserer Untersuchung zu Tage gefördert hatten, wandten wir uns an wichtige schulpolitische Institutionen und Akteure (Schulbehörde, schulpolitische Sprecher der Bürgerschaft, Landesschüler-und Landeselternbeirat) sowie die in Hamburg beheimateten Medien, um ins Gespräch über Möglichkeiten zu kommen, wie die Schulen wieder geöffnet werden können.
Dieser, wie auch unser nachfolgender, noch breiter angelegte Interventionsversuch, der unter dem Titel „Kinder, Corona und der digitale Distanzunterricht – Keine Auswege aus der Bildungskatastrophe?“ erschien, blieben ohne Resonanz. Zwar erhielten wir durch die damalige GEW-Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze zunächst eine Einladung zu einer Online-Konferenz mit Vorstandsmitgliedern, aber dann haben wir, auch auf unsere Nachfrage hin, nichts mehr von der GEW gehört. Die ebenfalls angeschriebenen Parteien wimmelten uns mit Floskeln und Gemeinplätzen ab. Die den Schulsenator stellende SPD antwortete gar nicht.
Im Frühjahr 2023 beschäftigt sich die Hamburger Gewerkschaftszeitung „hlz“ (Ausgabe März/April) auf über 30 Seiten mit dem Titelthema Gendern. Über die Bildungs- und Gesundheitskatastrophe, die die Corona-Maßnahmen an den Schulen hervorgerufen hat, lesen wir weiterhin kein einziges Wort. Ich finde diese Weigerung zu Reflexion und Selbstkritik unerträglich. Daher kann sie von kollegialer Seite nicht länger unwidersprochen bleiben.
Als langjähriges Mitglied der GEW treibt mich um, dass trotz der veränderten Faktenlage, so wie sie sich nach drei langen Pandemie-Jahren in Deutschland heute darstellt, bei den Funktionsträgern meiner Gewerkschaft noch immer kein Prozess des Umdenkens in Gang gekommen ist. Vor allem will sich offenbar niemand die Frage stellen, was denn mit den Kindern und Jugendlichen bei der nächsten Ansteckungswelle oder einem neuen Seuchen-Alarm geschieht? Müssten wir nicht jetzt Lehren aus unseren Fehlern und Irrtümern bei Corona ziehen, um uns nicht abermals an der jungen Generation zu versündigen?
Längst liegen hinreichend Beweise dafür vor, dass das offizielle Corona-Narrativ durch massive Täuschungen der Öffentlichkeit, Manipulationen und Betrügereien und mittels eines Ineinandergreifens von Strukturen institutionalisierter Korruption aufrechterhalten wurde. Ich nenne hier nur die Täuschung mit den PCR-Tests, die Aussagewert nur für die Laborforschung, nicht aber als Diagnoseinstrument zum sicheren Nachweis von Infektionen hat, die als „Masken-Deals“ bekannt gewordenen Korruptionsfälle, in denen politische und wirtschaftliche Interessen miteinander verquickt wurden, die Manipulation mit der Zahl der Krankenhausbetten, die der Öffentlichkeit eine Verknappung der Intensivbetten vortäuschte und damit Panik schürte, obwohl in den Krankenhäusern in den Pandemiejahren 2020/21 historische Leerstände herrschten, und – auf EU-Ebene – die völlig intransparente, in Geheimverträgen geregelte Beschaffungspolitik der sog. Impfstoffe, die zu einem Fiasko für den europäischen Steuerzahler zu werden droht. Und das, obwohl die sog. Impfstoffe sich zwar auf breiter Front als relativ wirkungslos in der Virusbekämpfung, dafür aber als „stark“ bei den Nebenwirkungen erwiesen haben – versichert wurde uns das Gegenteil!
Diffamierung der Kritiker geht weiter
Mir will nicht in den Kopf, wie es sein kann, dass es für Personen, die wissenschaftlich sozialisiert wurden und im wissenschaftlichen Denken geschult sind, keine Selbstverständlichkeit mehr ist, den alten römischen Grundsatz „Audiatur et altera pars“ („Man höre auch die andere Seite!“) zu beherzigen. Dieser Grundsatz stellt meiner Ansicht nach eine Art Lackmustest für die vernunftgeleitete Gesinnung des Menschen und die Offenheit, aber auch die Lernfähigkeit einer Gesellschaft dar.
Zwar müsste man erwarten können, dass, nachdem die Fundamente der offiziellen Corona-Erzählung derartig ins Wanken gekommen sind, sich nun Öffnungen des Debattenraums, Dialogbereitschaft, und ein Aufeinander-Zugehen anbahnen. Doch offenbar kann oder will man zumindest beim Hamburger GEW-Vorstand nicht von dem abwertenden und demokratiefeindlichen Wording und Framing lassen, mit dem man drei Jahre lang eine kritische, oppositionelle Minderheit belegt hat. Muss die Gewerkschaftsleitung, um von ihrem krachenden Scheitern in der Corona-Krise abzulenken, aus lauter Verzweiflung darüber, historisch derartig versagt zu haben, diese Ausgrenzungspolitik nun auch noch forcieren?
Der Hamburger „Jour Fixe Gewerkschaftslinken“ wurde vom Landesvorstand die Nutzung der gewerkschaftseigenen Räumlichkeiten nach 18 Jahren untersagt. Der Grund: einige Teilnehmer am Jour Fixe nahmen seit Dezember 2021 regelmäßig an den Corona-maßnahmenkritischen, sogenannten Kunsthallendemonstrationen teil, die als Friedensdemos fortgeführt werden, und die Termine werden im wöchentlich erscheinenden Jour Fixe-Gewerkschaftslinke-Info veröffentlicht.
Die GEW war und ist sich nicht zu schade, diesen demokratischen Protest zu verunglimpfen und friedliche und freundliche Demonstranten (12) in die Nähe von Gewalttätern zu rücken wobei Twitterbotschaften aus ominösen „Antifa“-Kanälen als einzige „Beweismittel“ für angebliche Querfront-Aktivitäten der Gruppe herhalten müssen. (13)
Es ist ein herber Rückschlag für die Debattenkultur, dass sich die GEW an die Seite der völlig diskursunfähigen „Antifa“ und ihrer undifferenzierten Anwürfe stellt. Wäre es für die GEW nicht an der Zeit anzuerkennen, dass die Andersdenkenden – sei es in der Corona-, sei es in der Ukraine- und Friedens-Frage – Argumente auf ihrer Seite haben? Argumente, die man nicht teilen und nicht gut finden muss, mit denen man sich aber auseinandersetzen muss, und zwar mittels Gegenargumenten.
Wen oder was verteidigt die GEW eigentlich, wenn sie immer noch gegen Maßnahmen-Kritiker, Grundrechte-Verteidiger und die Reste einer linken Opposition, die die sozialen Ungerechtigkeiten und die totalitären Tendenzen des großkapitalaffinen Pandemieregimes alleine noch zum Thema macht, hetzt und zu Felde zieht?
Kein Protest gegen Sozialisierung der Corona-Verluste
Kritische Gewerkschaften müssten nicht auf ihre eigenen Mitglieder oder Ex-Mitglieder und Gesinnungsgenossen eindreschen, sondern angesichts der – vorläufigen! – Gesamtkosten der Pandemiebekämpfung in Deutschland in Höhe von mehr als 440 Milliarden Euro Sturm laufen! Der Cicero titelte: „Selten wurde soviel Geld mit so wenig Ertrag zum Fenster rausgeworfen.“ Und das für ein Gesundheitssystem, das heute, wie der Cicero-Autor Rolf Hanselle unterstreicht, nach drei Corona-Jahren „so marode wie nie zuvor sei“ (14) – Das gilt, wie zu ergänzen wäre, ganz ähnlich für das Bildungssystem.
Gegeißelt werden müsste die Regierung, die so ineffizient und kontraproduktiv mit den Steuergeldern ihrer Bürger umgeht und nicht jene, die früh davor gewarnt haben.
Kritische, kämpferische Gewerkschaften und linke Politik müssten immer die Schwächsten der Gesellschaft in ihrem Blick behalten und sich besonders für Sie einsetzen. Aber die Kinder, die Jugendlichen und die Alten, sind in der Corona-Krise entrechtet, entmündigt und in einem Maße vernachlässigt worden, dass man das ihnen dadurch zugefügte Leid und das an ihnen begangene Unrecht nur als Zivilisationsbruch bezeichnen kann.
Ein wahrer Dorn im Auge sollte kritischen Gewerkschaften sein, dass zur Begleichung der gigantischen Rechnung für die unnötigen Kosten dieses katastrophalen Pandemiemanagements vor allem die arbeitende Bevölkerung herangezogen wird. Diese „dürfen“ nun also als doppelt Geschädigte und Betrogene das Pandemie-Theater – vorerst? – verlassen, während der Club der Top-Milliardäre in zwei Corona-Jahren seinen Reichtum verdoppelt hat. Und die Gewerkschaft feiert Lohnabschlüsse, die einen realen Einkommensverlust von fünf und mehr Prozent pro Jahr bedeuten, auch noch als Erfolg?!
Wo und wie die Kinder im Politik- „Ranking“ erscheinen
Astronomische 440 Milliarden Euro für Corona, 100 Milliarden Euro für die „Kriegswirtschaft“ auf der einen Seite, ganze zwei Milliarden Euro zur Kompensation der durch die Corona-Maßnahmen hervorgerufenen Bildungskatastrophe bei den Kindern und Jugendlichen auf der anderen Seite.
Dieser Vergleich zeigt den Stellenwert, den die Belange von Kindern in Deutschland haben. Wenn man die zwei Milliarden Euro durch die Zahl der Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland dividiert: 8,7 Millionen, kommt man auf nur rund 200 Euro pro Schulkind.
Laut dem Präsidenten des Deutschen Kinderhilfswerk, Thomas Krüger, „werden (…) im Endeffekt (…) weniger als 150 Euro pro Kind in die Hand genommen.“ (15)
Wären die Kinder in dem Fall Erwachsene, und hätten nicht so viele in den Corona-Wirrnissen ihren moralischen Kompass verloren, würde man eine derartige „Wiedergutmachung“ als „Verhöhnung der Opfer“ bezeichnen. Bei diesem Programm kommt als Problem hinzu, dass es nur für die Ferienzeit aufgelegt wurde. Der Bildungsforscher Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin bezeichnet das als „widersinnig“ und führt aus:
„Es sind sehr demotivierte Schüler, die uns im Homeschooling quasi verloren gegangen sind, und die jetzt dazu zu bringen, an diesen freiwilligen Programmen teilzunehmen, ist totaler Quatsch (…) Am Ende sind es dann die mittelguten Schüler aus mittleren oder oberen Schichten, die daran teilnehmen, die denken, irgendwelche Rückstände zu haben, und die vielleicht auch objektiv welche haben.“ (16)
Das bedeutet, dass die Schüler, die Hilfe am nötigsten haben, am wenigsten Hilfe erhalten.
Solange Pädagogen immer noch keine Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und es die Regierung bei Placebo-Maßnahmen und Alibi-Veranstaltungen zum vermeintlichen Ausgleich ihres schlimmen Versagens gegenüber Kindern und Jugendlichen belässt, werden die psychischen Schäden des Pandemieregimes nicht gemindert werden können.
Das würde zu allererst einmal voraussetzen, dass man sich bei den Opfern entschuldigt. Zur inneren Bereitschaft zu gelangen, um Entschuldigung zu bitten, ist ein bitterer und harter Weg, denn er erfordert den Mut, über den eigenen Schatten zu springen. Bringen die Pädagogen aber diesen Mut nicht auf, lassen sie die Kinder und Jugendlichen in ihrem Leiden im existenziellen Sinn alleine, dann droht uns wirklich eine verlorene Generation.
Fragen, die unumgänglich in diesem Prozess der Selbstkritik beantwortet werden müssen, sind:
• Warum wurde so wenig vom Wohl der Kinder hergedacht und argumentiert? • Warum hat man der Obrigkeit bedingungslos geglaubt? • Warum war man so leicht bereit, schutzbefohlene Menschen zu entwürdigen? • Warum hat man die eigenen Interessen so über die Kinder gestellt? • Warum hat man, obwohl rationales und wissenschaftliches Denken in der Schule vermittelt werden soll, die kritischen Stimmen in der Wissenschaft ignoriert oder sich sogar an deren Herabsetzungen und Diffamierungen beteiligt?
Und schließlich:
• Warum flüchtet man sich ins Verschweigen, obwohl dieses Schweigen es wahrscheinlicher macht, dass so etwas wieder passieren kann?
Was eine Aufarbeitung zu Tage fördern könnte
Dass den Lehrern, Erziehern und ihren Verbänden ihr Fehlverhalten während der Corona-Zeit nicht einsichtig wird, dürfte auf tiefersitzende Probleme ihres professionellen Selbstbildes und Selbstverständnisses verweisen. Es hat seine Ursachen u.a. in der neoliberalen Umformung der Lehrerrolle, in der Umgestaltung der Schulen zu kalten und herzlosen Einrichtungen („Lernmaschinen“) zur effizienten „Humankapital“-Verwertung.
Die Selbsterkenntnisprobleme stehen im engen Zusammenhang mit der trostlosen Bilanz von bald 30 Jahren Bologna-„Reformpolitik“, die vor der Lehrerausbildung nicht Halt machte. Wir begegnen bei den jüngeren Lehrern heute oft einem Sozialcharakter, der als das Produkt dieser Negativ-Entwicklung des öffentlichen Bildungssystems angesehen werden muss. Oder, wie es der Autor Wilfried Schwetz, in einer Replik zur Frage des Versagens der Linken in der Corona-Krise treffend ausgedrückt hat:
„Ich frage mich schon länger, wie bei jungen Leuten, die 30 Jahre Bertelsmann, PISA-, Bologna, Kita, Schule und Universität, samt entsprechend konditioniertem Lehrpersonal, hinter sich haben, etwas anderes herauskommen kann, als das, was wir heute sehen.“
Sicher scheint mir zu sein, dass der Neoliberalismus viel dafür getan hat, dieses Gehorsamsklima an Schulen zu erzeugen. Denn der Neoliberalismus hat das kollegiale Band zerrissen, indem er jeden zum Unternehmer und Optimierer seiner selbst gemacht hat. Er hat den postmodernistischen Affekt der Differenz, Dekonstruktion und des Solipsismus [allein die Existenz des eigenen Ichs ist gewiss; N.H.] hochgezüchtet, um ihn dann umso besser für sich ausbeuten zu können.
Das gelang ihm, indem er „die großen Erzählungen“ und alles, was in ihnen als kollektive und menschheitsverbindende Ideen oder als Ausprägungen eines das Einzelne und den Einzelnen transzendierenden Geistes zum Ausdruck kam, als etwas Altmodisches, Abgelebtes, Einengendes, Engstirniges, Autoritäres, ja Reaktionäres in Misskredit gebracht hat. Dies mit der Begründung, dass „die großen Erzählungen“, indem sie die Menschen unter das Gesetz des Allgemeinen, unter Logik, Wort, Schrift, Ethnie, Geschlechteridentität etc. „zwingen“, nicht zur Freiheit geführt, sondern sie nur umso stärker unterjocht hätten.
Der postmodernistische Glaube: „Es liegt alles in mir“ und „Es liegt alles an mir!“, der unsere Gegenwart bestimmt, erweist sich als besonders gut geeignet, um die Subjekte in Form von Selbststeuerungstechniken besonders effektiv zu Herrschaftszwecken disziplinieren und ausbeuten zu können. Dabei wird die Gewalt der gesellschaftlichen Verhältnisse und ihrer Strukturen für sie selbst weitgehend unsichtbar gemacht, indem sie sie in sich hineinnehmen. (Fremdsteuerung wird so zur Selbststeuerung).
In der Praxis konnte mit diesem „neoliberalen Trick“ der politische Begriff von Kollegialität ganz schnell abgeräumt, die innerschulische Mitbestimmung der Lehrerschaft erst ausgetrocknet und dann still und leise beerdigt werden. Danach konnten die Pädagogen ohne nennenswerte Gegenwehr in das System digitalen Monitorings gepresst werden, das heute die Schulen beherrscht.
Das erklärt auch, wie die so entstandene Vereinzelung der Lehrer, sie zu derart widerspruchslosen Befehlsempfängern machen und dazu führen konnte, dass sie während der gesamten Corona-Krise ihr eigenes Interesse über das Interesse der Schutzbefohlenen stellten.
Doch: die Pädagogen sind nicht nur als beflissene Helfershelfer und gut angepasste Mitläufer Täter im System der neoliberalen Disruptions- und Schockbehandlungen für Schule und Unterricht, sondern werden selbst auch mehr und mehr zu deren Opfern. Das zeigt die Kehrseite der Entwicklung zur Entdemokratisierung, Entsolidarisierung und schließlich Entmenschlichung der Schule: ein immer höherer Krankenstand, eine immer noch weiter ansteigende Burn-Out-Kurve und immer mehr Frühpensionierungen bei den Lehrern.
Es gehört jedenfalls zu einer gelingenden Aufarbeitung unbedingt dazu, dass gründliche Untersuchungen über die Frage angestellt werden müssen, wie es wieder dazu kommen konnte, dass sich die Pädagogik so widerstandslos für Maßnahmen empfänglich zeigte, die im Kern etwas Totalitäres in sich tragen. Etwas Totalitäres, durch das, wie es der Kindheitshistoriker Michael Hüter beschrieben hat, der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Aussicht auf eine menschliche Zukunft akut gefährdet scheinen:
„Die Jugendlichen, die in den Corona-Jahren 2020/21 traumatisiert wurden (…) sind diejenigen, die in rund einer Dekade über die Geschicke der Gesellschaft bestimmen. Was für ein Zusammenleben wird das sein, wenn es von Menschen bestimmt wird, die (…) es ‚dank’ der Masken nur rudimentär erlernt haben, die Mimik der anderen zu interpretieren, somit in ihrer Empathiefähigkeit eingeschränkt sind (..) und die darauf konditioniert wurden, Angst zu haben?“ (21)
Anmerkungen und Quellen
Bernd Schoepe (Jahrgang 1965), ist freier Autor, der zu bildungspolitischen, bildungssoziologischen- und philosophischen Themen schreibt. Er ist langjähriges GEW-Betriebsgruppen-Mitglied, ehem. Vertrauensmann und Mitglied der Hamburger Lehrerkammer. Hauptberuflich ist er Politik-, Deutsch- und Philosophielehrer an einer Hamburger Stadtteilschule. Autorenkontakt: berndschoepe@gmx.de.
Kürzungsbedingt sind die Nummern nicht fortlaufend
(1) Hamburgisches Schulgesetz (HMBSG), § 2 Bildungs-und Erziehungsauftrag der Schule.
(3) https://lexikon.stangl.eu/16400/schwarze-paedagogik.
(4) Knipp-Selkes Berichte sind nachzuhören bzw. nachzulesen auf „Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie“, https://www.allesaufdentisch.tv/kinder-und-jugendliche-in-der-corona-pandemie.html und Andrea Knipp-Selke, Heike Riedmann, Die Spaltung der Gesellschaft ist längst in den Schulen angekommen, Die Welt, 1.12.2021, zuletzt aufgerufen am 3.5.2023. https://www.welt.de/debatte/kommentare/article235387210/Corona-Die-Spaltung-der-Gesellschaft-ist-in-den-Schulen-angekommen.html, letzter Zugriff am 3.5.2023.
(5) https://www.tagesschau.de/inland/lauterbach-corona-pandemie-101.html, 30.1.2023.
(7) https://www.bild.de/politik/inland/politik/corona-lauterbach-weiss-nicht-ob-maskenpflicht-was-gebracht-hat-83777968.bild.html, 3.5.2023
(13) Im von der GEW unterstützten und verbreiteten Aufruf „Solidarität und Aufklärung statt Verschwörungsideologien“: https://www.gew-hamburg.de/themen/aktionen-und-kampagnen/solidaritaet-und-aufklaerung-statt-verschwoerungsideologien, 10.1.2022, letzter Aufruf am 9.5.2023.
(14) https://www.cicero.de/innenpolitik/kosten-der-corona-bewaltigung-gesundheitssystem-krankenhauser, 3.5.2023, zuletzt zugegriffen am 8.5.2023.
(15) https://www.rnd.de/politik/kritik-am-corona-aufholpaket-fur-kinder-und-jugendliche-weniger-als-150-euro-pro-kind-TYYJ6GCDLLHQ2HQQ2IWKBG3INY.html, 5.5.2021, letzter Zugriff am 8.5.2023.
(16) https://www.deutschlandfunkkultur.de/bildungsforscher-zum-aufholpaket-fuer-schueler-die-100.html, 21.6.2021, letzter Zugriff am 8.5.2023.
(21) https://www.rubikon.news/artikel/die-deformierte-generation, 4.3.2021.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 12. Juni 2023 bei norberthaering.de und in etwas längerer Form auf den Nachdenkseiten.
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Bildquelle: Oksana Kuzmina / shutterstock
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