Ein Kommentar von Norbert Häring.
Das 2018 vorgestellte Programm Known Traveller Digital Identity vom Weltwirtschaftsforum, US-Homeland-Security und anderen, erschien damals noch schockierend und dystopisch. Es soll uns zwingen, unseren Überwachern unsere Daten frei Haus zu liefern. Durch Corona wurden die Menschen so an engmaschige Kontrollen und Überwachung gewöhnt, dass sie kaum noch etwas dabei finden, wenn Singapur auf seinem Flughafen dieses Programm einführt, allerdings, wie vorausgesagt, ohne die versprochene Datenautonomie der Reisenden.
In Signapur wurde ein Gesetz verabschiedet, das es ermöglicht, dass Reisende, die das Land über den Changi Flughafen verlassen, keine Reisedokumente mehr vorzeigen müssen. Sie werden stattdessen durch automatische Gesichtserkennung und Iris-Scans, nötigenfalls durch Fingerabdrücke identifiziert. Dafür müssen sie diese biometrischen Merkmale bei der Einreise erfassen lassen. Dies zu verweigern dürfte nicht möglich sein. Das geht aber nicht klar aus der fast ausnahmslos sehr freudigen Berichterstattung in den internationalen Medien über dieses neue Verfahren hervor, dass 2024 eingeführt werden soll.
Aus einem Bericht von Channel News Asia erfährt man allerdings auch, was in dem Gesetz sonst noch steht und worum gestritten wird. Es gibt den beteiligten Behörden und Stellen das Recht, von Passagieren im grenzüberschreitenden Verkehr mit jeglichem Verkehrsmittel vorab identifizierende und sonstige Informationen einzuholen. Die kleinen und mittelgroßen Busgesellschaften, die davon auch betroffen sind, haben wissen lassen, dass sie sich kaum in der Lage sehen, diese Anforderung zu erfüllen.
In dem Gesetz steht auch, dass die Einwanderungsbehörde eine Liste mit unerwünschten Personen erstellt und alle Verkehrsgesellschaften ihre Passagierdaten damit abgleichen müssen. Wer auf der Liste steht, darf nicht an Bord gelassen werden.
Seit 2017 betreibt IDEMIA, das sich das „international führende Unternehmen für biometrische Identifikation“ nennt, im neuen Terminal 4 des Changi Flughafens automatische Kontrollstellen mit biometrischer Identifikation. Seit 2022 wird die IDEMIA-Technologie auch in allen anderen Terminals eingesetzt.
IDEMIA ist einer der wichtigsten Partner von Weltwirtschaftsforum und US-Heimatschutz bei der Entwicklung des 2018 vorgestellten Known-Traveller-Digital-Identitiy-Programms, kurz KTDI. Ausgekocht wurde das System von einer 2015 gegründeten Arbeitsgruppe gemeinsam von US-Heimatschutzbehörde und anderen US- und internationalen Anti-Terror- und Kriminalitätsbehörden und privaten Datenkraken wie Google und Visa.
Das Prinzip sieht vor, dass Passagiere, dafür dass sie ihre biometrischen Daten und sonstige Informationen vorab liefern, bei Kontrollen am Flughafen Schlangen vermeiden können und bequemer reisen. Gleichzeitig sollten die Reisenden volle Kontrolle darüber behalten, welche Daten sie zur Verfügung stellen. Wie ich damals schon betonte, ist diese Freiwilligkeit angesichts des Machtgefälles zwischen Reisendem und Grenzbehörden reine Augenwischerei.
Das Perfide an automatisierter biometrischer Identifikation ist, dass auf diese Weise eine eindeutige, global nutzbare Identität geschaffen wird. Da immer mehr öffentliche Plätze mit Kameras mit Gesichtserkennung überwacht werden und man sich zu immer mehr Anlässen per Gesichtserkennung identifizieren muss oder soll, wird auf diese Weise ein extrem reichhaltiges Dossier über unsere Bewegungen, Handlungen und Vorlieben gefüllt, das bei entsprechendem Datenbankzugang über unsere biometrische Identität abgerufen werden kann. Auf nationaler Ebene haben diesen Zugang typischerweise Regierungsbehörden, insbesondere die Geheimdienste, auf globaler Ebene hat ihn die US-NSA oder strebt ihn zumindest an.
Datenbroker sorgen zudem dafür, dass solche Informationen über uns in kommerziellen Datenbanken zusammengeführt und an alle verkauft werden, die das nötige Kleingeld haben und etwas Gewinnbringendes damit anfangen können.
Der Dubai International Airport (DXB) hat bereits 2018 sogenannte „Smart Gate tunnels“ eröffnet, in denen die registrierten Passagiere per Gesichtserkennung identifiziert werden. Seit 2021 gibt es solche Gesichtserkennungstunnel auch in der Londoner Station der Schnellzüge unter dem Ärmelkanal.
Was tun?
Direkt etwas gegen diese Auswüchse zu tun ist schwierig. Wichtig ist erst einmal, sich dem Digitalisierungseifer der von IT- und Pharmakonzernen gesponserten Politiker entgegenzustellen, die behaupten, sie täten das für unsere Bequemlichkeit, Sicherheit und Gesundheit, und dann zu Zwangsmitteln greifen, wenn wir das anders sehen und nicht mitmachen. Aufwachen und aufwecken sind die Gebote der Stunde.
Quellen und Anmerkungen
Dieser Beitrag erschien zuerst am 27.9.2023 auf norberthaering.de.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Sergey Nivens / Shutterstock.com
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