Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Diese Woche hat erneut bewiesen, dass der Russe nicht nur verschlagen und bösartig, sondern auch extrem unzuverlässig ist. In Dingen von zentraler Bedeutung, auf die sich die US-geführte, westliche Wertegemeinschaft fest verlassen hatte, hat er ganz banal versagt. Genauer gesagt: Der Kreml hat diese Woche seine über viele Monate sorgfältig geplante Großoffensive gegen die Ukraine doch glatt verschlafen. Die sollte in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag dieser Woche genau um 03:00 Uhr morgens stattfinden. So hatten es die eigentlich immer absolut zuverlässigen und wahrheitsgetreuen Analysen und streng geheimen Einschätzungen der US Geheimdienste vorausgesagt, die in allen westlichen „Qualitätsmedien“ veröffentlicht worden waren.
Nun hat sich herausgestellt, dass die Russen sich nicht nur nicht an den von ihren amerikanischen Partnern vorgegebenen Zeitplan gehalten haben, sondern überhaupt nicht nach deren Regeln spielen wollten. Da aber die westliche Welt in gewohnter Weise sich auf die hundertprozentige Zuverlässigkeit der amerikanischen Geheimdienste und der Warnungen der US-amerikanischen- Präsidenten auch diesmal verlassen hat, war die Enttäuschung über den ausgebliebenen Krieg groß, vor allem bei den Börsenspekulanten, die auf den Finanzmärkten in Erwartung des Kriegs erhebliche Verluste gemacht haben.
Noch schlimmer wiegt jedoch der Prestigeverlust des US-Präsidenten, Schläfriger Joe, und seine umtriebige Bande von Kriegstreibern im Weißen Haus und US-Außenministerium. Auch die US-Schoßhündchen in London, die stets übertrieben laut kläffen, um das Herrschen in Washington zu beeindrucken, reagierten verstört, weil der unberechenbare Putin ganz einfach keinen Krieg will.
Und wer den Schaden hat, der braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen! So geht es auch in der internationalen Politik. Tatsächlich erdreistete sich die attraktive und wortgewandte Sprecherin des Russischen Außenministeriums, Frau Maria Sacharowa, westliche Qualitätsmedien um einen Zeitplan für die zukünftigen, russischen Invasionen zu bitten.
Da am frühen Morgen des 16. Februar allen Warnungen westlicher Politiker und Medien zum Trotz kein russischer Einmarsch in die Ukraine stattgefunden hatte, hatte Frau Sacharowa sich über den Messenger-Dienst „Telegram“ an mehrere westlichen Medien mit einer ungewöhnlichen Bitte gewandt. Darin forderte die russische Diplomatin die Organe der West-Propaganda auf, ihr den Zeitplan für die weiteren russischen Invasionen zu übermitteln, die der Kreml angebliche noch für den Rest des Jahres geplant habe. Sie begründete diese Bitte mit dem Wunsch, ihren Urlaub besser um diese Termine herum planen zu können. Wörtlich hieß es in der Telegram-Message:
"Eine Bitte an die Massen-Desinformationsmedien der USA und Großbritanniens, Bloomberg, The New York Times, The Sun und andere: Geben Sie den Zeitplan unserer 'Einmärsche' für das kommende Jahr bekannt. Ich will meinen Urlaub planen."
Angesichts von so viel Spott und Hohn muss es für unsere Wohltäter und Beschützer in Washington zutiefst enttäuschend sein, dass viele Menschen in ihren europäischen Vasallenländern sich klammheimlich, oder inzwischen auch ganz offen über die amerikanische Blamage lustig machen und der Sacharowa applaudieren. Die hatte einen Tag zuvor, nur wenige Stunden vor der angeblichen russischen Invasion bereits in einer feurigen Erklärung prophezeit:
"Der 15. Februar 2022 wird als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem die westliche Kriegspropaganda versagt hat". Ihr zufolge wird die Glaubwürdigkeit des Westens "beschämt und zerstört, ohne dass ein einziger Schuss abgegeben wurde.”
Gleichzeitig hatte das Moskauer Verteidigungsministerium bekannt gegeben, dass eine Reihe russischer Truppen ihre Trainingsübungen in Weißrussland beendet haben und in die Kasernen an ihren jeweiligen Standorten zurückkehren werden.
Am Dienstag dieser Woche gab es dann eine weitere US-amerikanische Abstrusität im Zusammenhang mit der Ukraine: Einen Tag vor der angeblichen russischen Invasion hatte sich der US-Präsident mit einer Botschaft direkt an das russische Volk gewandt, mit den Worten:
„An die Bürger Russlands: Sie sind nicht unser Feind. Und ich glaube nicht, dass Sie einen blutigen, zerstörerischen Krieg gegen die Ukraine wollen, ein Land und ein Volk, zu dem Sie so enge familiäre, historische und kulturelle Beziehungen haben“. Im Anschluss warb Biden für eine diplomatische Lösung im Ukraine-Konflikt – betonte aber zugleich, dass eine russische Aggression trotz des angekündigten Teilrückzugs der Truppen weiterhin möglich bleibe.
Einen Tag später in Moskau, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch dieser Woche wurde der Kreml-Sprecher Peskow unter anderem gefragt, ob der russische Präsident nicht auch eine Ansprache an die US-Bevölkerung plane. Peskow stellte daraufhin zunächst die ironische Frage, ob damit ein Appell an die amerikanische Regierung gemeint sei, „Kanada nicht anzugreifen“. Anschließend schlug er jedoch einen ernsteren Ton an und versicherte, dass eine Putin-Ansprache nicht geplant sei, was er wie folgt begründete:
„Denn erstens klärt der Präsident ständig die ganze Welt auf – es gab bereits mehrere Pressekonferenzen des Präsidenten in der letzten Woche, bei denen er Fragen beantwortet und dabei die Haltung der Russischen Föderation erschöpfend dargelegt hat."
Weiter erklärte der Kreml-Sprecher, dass seiner Ansicht nach Putin den US-Bürgern keine Erklärung schuldig sei und er fügte wörtlich hinzu:
„Es wäre wohl unvernünftig, der ganzen Welt zu erklären, warum Russland nicht tut, was die Vereinigten Staaten von Amerika und die europäischen Hauptstädte faktisch von unserem Land verlangen. Er (Präsident Putin) wird nicht erklären, warum Russland die Ukraine nicht angreift.“
So abstrus die ganze anglo-amerikanisch geschürte NATO-Kriegshysterie gegen Russland auch ist, lassen sich doch einige Ziele identifizieren, wie auf dem Rücken der europäischen Vasallenvölker mächtige Gruppen in den USA profitieren können, vor allem die Falken in Washington und die US-Finanz- und Wirtschaftseliten. Allerdings haben sowohl die US- als auch die britische Regierung von Anfang an klar gemacht, dass sie die Ukraine nicht mit eigenem Militär gegen Russland verteidigen werden. Somit ist auszuschließen, dass Washington und London versuchen wollen, die europäischen NATO-Länder militärisch gegen Russland zu mobilisieren. Unter den gegebenen Bedingungen wäre sowas ohnehin nicht möglich.
Auf den ersten Blick erscheint das US-Verhalten dennoch abwegig. Oder was sonst soll man denken, wenn US/UK/NATO unablässig die Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden, russischen Invasion mit tödlichem Ernst an die Wand malen, zugleich aber sowohl höchste russische als auch ukrainische Regierungsstellen mit Nachdruck immer wieder bestritten haben und auch weiterhin dementieren, dass eine solche Gefahr existiert.
Dennoch glaubt der Autor dieser Zeilen hinter dem anscheinend verworrenen Vorgehen der Amerikaner eine komplexe und vielschichtige Operation der psychologischen Kriegsführung zu erkennen. Die ist in ihrer ersten Phase nur indirekt gegen Russland gerichtet und hat stattdessen als Hauptzielscheibe die lasch gewordene Bevölkerung der europäischen NATO-Vasallen, insbesondere Deutschlands. Es geht darum, diese europäische Bevölkerung angesichts der russischen Bedrohung wachzurütteln.
Es geht darum den Völkern die Bereitschaft zu erhöhen, für die Verteidigung der liberalen, westlichen Lebensart gegen die Angriffe der russischen Autokratie ökonomische Opfern zu bringen. Von militärischen Opfern ist dagegen keine Rede, denn ein offener Krieg gegen Russland könnte schnell in die nukleare Katastrophe führen, bei der alle die Verlierer sind. Deshalb muss der neue Krieg gegen Russland auch nicht-militärisch geführt werden.
Von einem totalen Wirtschaftskrieg aus Handels- und Finanzboykotten gegen Russland versprechen sich die US/UK/NATO-Falken, Moskau in die Knie zu zwingen und – wie schon mal zu Zeiten von Präsident Boris Jelzin - zurück in den Schoß der westlich-liberalen „Wertegemeinschaft“ zu holen, was auch eine gemeinsame Frontstellung gegen China beinhalten würde. Allerdings würde eine solche Politik vor allem die Bevölkerung der europäischen NATO-Vasallen empfindlich treffen, unter anderem wegen: explodierender Energiepreise in einem ohnehin bereits stark inflationären Umfeld, wegen wachsender Arbeitslosigkeit, verbunden mit Wachstumsrückgang und wegen eines erhöhten Risikos einer Stagflation, welche unsere ohnehin bereits stark polarisierte Gesellschaft noch weiter destabilisieren würde.
Zwar hat US-Präsident Biden bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Scholz am Montag letzte Woche gewarnt, dass er die Nordstream II Pipeline „killen“ wird, wenn Russland in der Ukraine einmarschiert und damit seine Entschlossenheit ausgedrückt, autokratisch über Lebensweise und Wohlstand des deutschen Volkes zu entscheiden. Bundeskanzler Scholz hat sich weggeduckt und in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Biden kein Wort des Protestes gegen diese diktatorische Anmaßung des senilen Imperators gesagt.
Allerdings wäre es selbst für die sich immer noch allmächtig dünkenden USA politisch nicht möglich, der deutschen Regierung eine Politik aufzuzwingen, die zu einem Ende der Versorgung mit zuverlässigem und preiswertem russischem Gas und Öl führen würde. Deshalb darf die Bereitschaft zu diesem Schritt nicht von Washington aufgezwungen werden, sondern sie muss aus innerer Überzeugung aus der deutschen Bevölkerung heraus geboren werden. Zu diesem Zweck werden die Deutschen aktuell mit einer ausgefeilten Version der psychologischen Kriegsführung entsprechend manipuliert. Uns wird eingetrichtert: „Egal was in der Ukraine passiert, der Russe wird schuld sein und es ist unsere moralische Verpflichtung, dass er dafür teuer bezahlen muss, auch wenn das uns selbst viel kosten wird.“ Wie nicht anders zu erwarten, wird dieses Linie der US-Falken von ihren transatlantischen Wasserträgern in der Berliner Politik und in den deutschen Medien auf der ganzen Linie unterstützt.
Das Ziel ist: Wir Deutsche sollen ohne Protest auf dem von Washington vorgezeichneten Weg in den totalen Wirtschaftskrieg gegen Russland marschieren.
In den frühen Schlachten des Ersten Weltkrieges rückten deutsche Studenten-Kompanien ohne Deckung, aufrecht gegen französische Maschinengewehrnester vor, mit dem Lied auf den Lippen: „Süß und schön ist es fürs Vaterland zu sterben“.
Gestorben sind sie reihenweise, süß und schön war es nicht! Heute sollen wir für etwas Ähnliches - wenn auch weniger Blutiges - begeistert werden. Wir sollen marschieren und singen: „Süß und schön ist es für die US-geführte, neoliberale Weltordnung zu hungern und zu frieren“. Und die Gefahr, dass es so kommt, ist längst nicht vorbei.
Die von Frau Sacharowa eingangs genährte Hoffnung, dass der 15. Februar 2022 als der Tag in die Geschichte eingehen wird, an dem die westliche Kriegspropaganda versagt hat und die Glaubwürdigkeit des Westens "beschämt und zerstört“ wurde, scheint leider verfrüht. Vollkommen unbeeindruckt von der realen Entwicklung machen die US/UK/NATO-Kriegstreiber aktuell weiter und behaupten frech weg, dass die Russen weiter eine Invasion planen, die jeder Zeit beginnen könnte.
Wie von der Vorsehung bestellt haben am 17. Februar in der Früh Einheiten der ukrainischen Armee damit begonnen, nach Vorbereitung mit schwerem Artilleriebeschuss, an drei Stellen der so genannten Kontaktlinie auf das Territorium der aufständischen Volksrepubliken in der Ostukraine vorzudringen. Nun hoffen die Falken in Washington, doch noch ihre russische Invasion und somit ihren totalen Wirtschaftskrieg durchsetzen zu können. Dann werden die Deutschen zeigen müssen, ob sie bereit sind, aus falsch verstandener Solidarität selbst den ökonomischen Ast abzusägen, auf dem sie bisher recht komfortabel gesessen haben.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: Efasein / shutterstock
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