US-Präsident Biden hat das neue Haushaltsgesetz beschlossen, in dem keine Hilfen für Kiew mehr vorgesehen sind. Generell sind die Nachrichten der letzten Tage für Kiew katastrophal. Ich habe die Entwicklungen zusammengefasst.
Ein Kommentar von Thomas Röper.
Der US-Senat hat das neue Haushaltsgesetz mit 87 zu 11 Stimmen angenommen. In dem Gesetz haben die US-Republikaner durchgesetzt, dass keinerlei neue US-Hilfen für Kiew genehmigt werden. Das Gesetz verhindert einen Shutdown und garantiert die Zahlungsfähigkeit der USA bis zum 19. Januar 2024. Das Weiße Haus gab kurz darauf eine Pressemeldung heraus, in der bestätigt wurde, dass US-Präsident Biden das Gesetz unterschrieben hat. Da die früher genehmigten US-Hilfen für die Ukraine praktisch aufgebraucht sind, steht Kiew nun für mindestens zwei Monate ohne finanzielle und militärische Hilfe der USA da.
Das sind aber bei weitem nicht die einzigen schlechten Nachrichten für Kiew. Hier fasse ich die Meldungen der letzten Woche zusammen.
Zurückgehende westliche Unterstützung
Am 10. November meldete Bloomberg, dass die EU die eine Million Artilleriegranaten, die sie Kiew bis März 2024 versprochen hat, nicht liefern kann.
Auch die finanzielle Hilfe der EU steht auf der Kippe. Da die EU-Kommission die Gelder des bis 2027 geltenden Haushaltes bereits ausgegeben hat, ist unklar, wie die EU ihre finanziellen Versprechungen gegenüber Kiew für 2024 einhalten will. Die EU-Kommission hat die Mitgliedstaaten gebeten, 50 Milliarden in den gemeinsamen Haushalt nachzuzahlen, aber trifft auf wenig Gegenliebe und sogar ein angekündigtes Veto aus Ungarn.
Am 11. November forderte Borrell die EU-Mitglieder auf, die US-Hilfen für Kiew zu kompensieren, falls die US-Hilfen ausbleiben. Da die EU und ihre Mitglieder aber bereits Probleme haben, die eigenen Versprechen gegenüber Kiew einzuhalten, dürfte diese Idee illusorisch sein. Das bestätigte sich am 13. November, denn da meldete Reuters, dass einige EU-Länder Widerstand gegen einen Plan von Borrell vom Juli leisten, der der Ukraine vier Jahre lang jedes Jahr fünf Milliarden Euro für Militärhilfe bereitstellen soll. Es sieht also nicht nach mehr Hilfe aus Brüssel für Kiew aus, sondern nach weniger Hilfe.
Am 13. November erklärte Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, dass die Möglichkeiten der US-Regierung, Kiew zu unterstützen, rückläufig seien:
„Von Woche zu Woche wird es für uns schwieriger, das, was wir glauben, der Ukraine zur Verfügung stellen zu müssen, nämlich die Instrumente und Mittel, die sie zur Verteidigung ihres Territoriums und ihrer Offensive benötigt, vollständig zu finanzieren. Wir sind immer noch in der Lage, die von der Ukraine geforderte militärische Unterstützung zu leisten, aber wenn wir vollständig finanziert wären, könnten wir dies auf einer nachhaltigeren Basis tun.“
Sullivan sagte, das „Fenster der Gelegenheit“ für die US-Regierung schließe sich, aber das Weiße Haus könne kein konkretes Datum nennen, wann die gesamten Mittel Washingtons zur Unterstützung Kiews ausgegeben sein würden:
„Ich kann Ihnen sagen, dass dies bereits unsere Fähigkeit beeinträchtigt, die Ukraine mit allem zu versorgen, was sie braucht. Und dieser Effekt wird sich mit der Zeit noch verstärken“
Die russischen Pranker haben kürzlich mit westlichen Regierungschefs telefoniert, die ihnen mitgeteilt haben, dass es schlecht für die Ukraine aussieht. Die italienische Premierministerin Meloni erklärte ihnen im Oktober, dass es in Sachen Ukraine auf „allen Seiten eine große Müdigkeit“ gebe. Und am 14. November veröffentlichten sie, dass der lettische Außenminister ihnen gesagt hat:
„Wir haben ihnen beim Wiederaufbau geholfen. Wir haben ihnen mit Waffen geholfen. Wir haben ihnen mit allem geholfen, was wir können. Humanitäre Hilfe, Medizin, alles, alles. Und wir sind nicht glücklich darüber, aber wir sehen keine andere Wahl.“
Da die baltischen Staaten zu den radikalsten Unterstützern Kiews in der EU gehören, ist es besonders überraschend, dass diese Aussage aus Lettland kommt.
Am 16. November berichtete die Ukrainiskaja Prawda, dass die Sonderbeauftragte der USA bei einem Besuch in Kiew angedeutet habe, dass es keine US-Hilfen mehr geben werde.
Am 17. November ging das Pentagon der Antwort auf die Frage aus dem Weg, wie lange die Mittel für die Ukraine noch ausreichen. Am gleichen Tag berichtete das Wall Street Journal, dass westliche Beamte in Waffenlieferungen keinen strategischen Nutzen an Kiew mehr sehen. Demnach meinen sie, dass „nicht ein einziges an die Ukraine geliefertes Waffensystem bisher strategische Ergebnisse auf dem Schlachtfeld gebracht hat“. Gleichzeitig sagen sie, dass es für die ukrainischen Streitkräfte im Moment entscheidend sei, Truppen und Munition aufzustocken. Die Ukraine habe weder das eine noch das andere, und der Westen sei nicht in der Lage gewesen, „bei der Waffenproduktion mit Russland mitzuhalten“.
Außerdem schrieb das Wall Street Journal, das Pentagon verfüge derzeit noch über rund fünf Milliarden Dollar, um die Waffenlieferungen an die Ukraine fortzusetzen. Die Mittel, die für die Versorgung der US-Streitkräfte während der Waffenlieferungen an Kiew reserviert waren, beliefen sich jedoch nur auf 1,1 Milliarden Dollar, betonte die Zeitung. Infolgedessen schrumpfen die militärischen Hilfspakete. Die Pakete, die etwa alle 14 Tage verkündet werden, bewegen sich zwischen 300 und 500 Millionen Dollar. Die am 3. November angekündigte Hilfe belief sich jedoch nur auf 125 Millionen Dollar.
Die katastrophale militärische Lage
Dass die ukrainische Gegenoffensive ein Fiasko war, ist allgemein bekannt. Die Ukraine hat dabei einen Großteil der westlichen Waffen und etwa 100.000 Soldaten verloren. Die Rekrutierung von Ersatz läuft jedoch schleppend. Am 9. November meldete die New York Times, dass die Ukraine deswegen dazu übergegangen sei, mehr Frauen an die Front zu schicken. The Economist meldete am 13. November, dass die USA davon ausgehen, dass die Ukraine 190.000 Soldaten als tot und verwundet verloren hat.
Am 16. November gestand auch der NATO-Generalsekretär ein, dass die Lage schlechter ist, als gedacht:
„Wir müssen anerkennen, dass die Lage auf dem Schlachtfeld schwierig ist. Russland plant keinen Frieden, im Gegenteil, wir sehen, dass Russland offensive Operationen startet, zum Beispiel um Avdejewka. Aber die Tatsache, dass die Lage schwieriger ist als erwartet, ist kein Argument gegen Hilfe, sondern für noch mehr Hilfe für die Ukraine. Wir können nicht zulassen, dass Präsident Putin gewinnt, das wäre schlecht für die NATO. (…) Ich bin überzeugt, dass die USA der Ukraine weiterhin Hilfe leisten werden. Ich reise durch die NATO-Länder und erhalte die gleiche Botschaft der Unterstützung. Erst in den letzten Tagen hat Deutschland neue Hilfe angekündigt, andere NATO-Länder haben ebenfalls Hilfe zugesagt.“
Stoltenberg versucht immer noch, Optimismus zu verbreiten, aber nur Stunden später haben die USA den neuen Haushalt ohne Ukraine-Hilfen beschlossen. Und die Signale aus anderen NATO-Staaten dürften ebenfalls nicht so rosig sein, wie er behauptet, was die Äußerungen aus Italien und Lettland gezeigt haben. Ob Deutschland ein paar Milliarden mehr bereitstellen will, hat da keinen Einfluss mehr, denn die fehlende US-Hilfe kann Deutschland nicht ersetzen.
Am 17. November gestand Selensky ein, dass die Ukraine einen Mangel an 155-mm-Granaten hat. Er begründete das mit dem Konflikt in Israel:
„Ich konzentriere mich jetzt darauf, Hilfe aus dem Westen zu bekommen. Der Fokus der westlichen Länder verlagert sich aufgrund der Situation im Nahen Osten (…) Ohne ihre Unterstützung werden wir uns zurückziehen müssen.“
Am gleichen Tag beschwerte sich ein wichtiger Berater der ukrainischen Präsidialverwaltung, dass die wenigen Waffen, die noch aus dem Westen kommen, auch noch stark verspätet in der Ukraine eintreffen:
„Wenn wir uns auf bestimmte Instrumente für die Kampfhandlungen geeinigt haben, sollten diese Instrumente in 7 bis 10 Tagen zur Verfügung stehen, so viel wie für die Logistik nötig ist, aber nicht in 90 oder 120 Tagen“
Keine EU-Mitgliedschaft?
EU-Kommissionschefin von der Leyen hat den EU-Staaten empfohlen, die Beitrittsverhandlungen mit Kiew zu beginnen. Aber dagegen gibt es Widerstand. Ungarn will der Ukraine beispielsweise nur eine Art privilegierten Partnerstatus anbieten und lehnt es sogar ab, beim anstehenden EU-Gipfel überhaupt über eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine zu sprechen.
Der EUobserver berichtete am 16. November, dass auch andere EU-Staaten gegen die ukrainische Mitgliedschaft sind und zitierte eine Quelle bei der EU wie folgt:
„Österreich wird sich mit Sicherheit dagegen sein, aber es wird sich hinter Ungarn verstecken (…) Trotz seiner neuen Rhetorik will Frankreich die Ukraine nicht wirklich in der EU haben und Deutschland spielt ein zynisches Spiel. Sie [Deutschland] wollen im Namen der Erweiterung Änderungen am EU-Vertrag erzwingen, wie zum Beispiel mehr qualifizierte Mehrheitsentscheidungen. Die Änderungen werden Berlin mehr Macht geben, aber die Deutschen glauben nicht wirklich, dass die Ukraine beitreten wird.“
Muss Kiew Gebiete abgeben?
Im Westen scheint man sich einig zu sein, dass die Ukraine im Gegenzug für einen Waffenstillstand oder Friedensvertrag Gebiete an Russland abtreten muss, was Kiew hinter den Kulissen auch bereits Ende Oktober mitgeteilt wurde. Das bestätigt indirekt sogar der ehemalige NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der vorgeschlagen hat, die Ukraine ohne die von Russland kontrollierten Gebiete in die NATO aufzunehmen. Der Vorschlag ist unrealistisch, wie der letzte NATO-Gipfel gezeigt hat, aber er zeigt ein weiteres Mal, dass man im Westen zu dem Schluss kommt, dass die Ukraine diese Gebiete verloren hat.
Auch bei The Hill äußerte ein Moderator sich dementsprechend:
„Wir wussten, dass wir uns in dieser Situation befinden würden“, so der Moderator. „Einer Situation, in der Russland und die Ukraine verhandeln müssen und [in der] beide Seiten Zugeständnisse werden machen müssen. Die Ukraine wird möglicherweise ein territoriales Zugeständnis machen müssen.“
Noch deutlicher wurde Eugene Rumer, ein ehemaliger Mitarbeiter im Nationalen Sicherheitsrat von US-Präsident Bush Senior, am 16. November im Wall Street Journal. Schon die Überschrift sagte alles, sie lautete: „Es ist an der Zeit, das magische Denken über Russlands Niederlage zu beenden„
Wird Selensky gestürzt?
Selensky spricht sich bisher radikal gegen jede Form von Zugeständnissen an Russland aus und es ist fraglich, ob er es politisch überleben würde, seinen radikalen Kurs zu ändern und mit Russland zu verhandeln. Nun erklärte er, er befürchte, dass in der Ukraine ein neuer Maidan vorbereitet werden könnte, um ihn zu stürzen, wobei er natürlich Russland dafür verantwortlich machte.
In letzter Zeit haben ukrainische Medien viel über Unstimmigkeiten zwischen den herrschenden Kreisen der Ukraine berichtet. Insbesondere ging es um Streit zwischen Selensky und Vertretern des obersten Militärkommandos, darunter dem Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, General Valery Saluzhny, dem schon lange Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt werden.
Die Position des Westens ist dabei unklar, denn gerade erst wurde Saluzhny in westlichen Medien de facto als Auftraggeber der Sprengung der Nord Streams bezeichnet. Wenn das die offizielle Version des Westens werden sollte, könnte Saluzhny kaum als ukrainischer Präsident amtieren und auf Unterstützung aus dem Westen hoffen.
Auch der Tod von Saluzhnys engstem Mitarbeiter wirft Fragen auf. Er starb bei der Explosion einer Handgranate, wobei die offizielle (und wenig glaubwürdige) Version ist, er habe sie zum Geburtstag geschenkt bekommen, mit einem Souvenir verwechselt und sich so selbst in die Luft gejagt. Ob es sich dabei in Wahrheit um eine Operation des von Selensky kontrollierten Geheimdienstes SBU gehandelt hat, um Saluzhny vor seinen Ambitionen zu warnen, ist Spekulation, aber angesichts der angespannten Lage in Kiew nicht ausgeschlossen.
Wie geht es weiter?
Wie es weitergeht, ist schwer zu sagen. Sicher ist, dass die westlichen Hilfen stark zurückgehen und dass die Ukraine militärisch wohl nicht mehr lange durchhalten kann. Ob und wann Russland eine großangelegte Offensive startet, weiß ebenfalls niemand. Ob und wann Kiew dem Druck nachgibt und in Moskau um Verhandlungen bittet, ist ebenfalls nicht klar. Auch ist unklar, ob das noch Selensky tun würde, oder ob Selensky gestürzt wird, denn die Unzufriedenheit mit ihm wächst auf allen Seiten.
Den USA wäre es wahrscheinlich am liebsten, wenn die Ukraine bis zum letzten Ukrainer weiterkämpft und die EU das militärisch und finanziell unterstützt, während die USA sich aus dem kostspieligen Ukraine-Abenteuer zurückziehen, was inzwischen ja passiert ist. Das würde noch zehntausende ukrainische Menschenleben und Dutzende Milliarden europäischer Steuergelder kosten, aber das dürfte den USA egal sein.
In den nächsten Wochen dürfte sich zeigen, wie es weitergeht, denn ohne die US-Unterstützung kommen sowohl die EU als auch die ukrainische Regierung unter massiven Zugzwang.
Anmerkung
Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 19. November 2023 bei anti-spiegel.ru
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Bildquelle: alexkich/ shutterstock
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