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USA sind Mittäter | Von Jochen Mitschka

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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Derzeit wird durch die Politik der Bundesregierung gegenüber den Kriegsverbrechen Israels das Image Deutschlands, das nach dem Krieg so mühsam wieder aufgebaut worden war, zerstört. Außerdem möglicherweise erhebliche Schadenersatzforderungen der Opfer begründet. Deshalb diese außergewöhnlichen PodCasts dazu. In der heutigen Ausgabe will ich daher wieder ausführlich über die für die Weltpolitik und Weltordnung wichtigen Entwicklungen im berichten. Sie scheinen weit entfernt, aber Deutschland ist tief involviert und wird daraus mit großen Schäden hervorgehen, ziemlich unabhängig davon, wie der israelische Expansionskrieg für ein Großisrael ausgehen mag. Ich werde berichten über die Mittäterschaft der USA, was zum Jahrestag des Völkermordbeginns in Gaza passierte, über die größte Anzahl von möglichen Kriegsverbrechern, die jemals in einer Anzeige an den IStGH erwähnt wurden, wie die Hannibal-Direktive auch im Mainstream angekommen ist, wie es mit dem Krieg gegen den Libanon läuft, und einen Rückblick auf die Kreuzzüge wagen. Aber nur der erste Teil wird sich als PodCast realisieren lassen, wobei ich hoffe, dass die anderen Punkte als Text wahrgenommen werden. Natürlich kann es keine komplette Chronologie der letzten Woche sein, weil täglich tausende von Meldungen auflaufen. Aber dieser PodCast mit Anhang, mit wichtigen bzw. typischen Meldungen, versucht Hintergründe zu erklären, und Meldungen von Massenmedien ins richtige Licht zu rücken.

USA, die Mittäter

Analysten liegen teilweise im Streit darüber, ob nun Israel die USA „in der Tasche habe“, nicht zuletzt durch Millionenspenden der israelischen Lobbyorganisation AIPAC an US-Politiker, welche sich als einzige solche Organisation nicht als „ausländische Lobbyorganisation“ registrieren muss. Oder ob die USA Israel als unsinkbaren Flugzeugträger zur Machtprojektion im Nahen und Mittleren Osten ansehen, und daher unter Kontrolle haben. Und nur geschickt „guter Cop“ und „böser Cop“ spielen. Dabei ist die Antwort einfach: Die USA und Israel leben in Symbiose. Israel benötigt Waffen, welche die US-Waffenindustrie und ihre politischen Lobbyisten erfreuten. Und die imperialen Kräfte in den USA freuen sich, dass die arabische Welt zerstritten ist und die Herrscher auf die US-Waffen zur Absicherung ihrer Macht angewiesen sind, was ihre Macht in der Region erhält. Während die diversen Regierungen in Israel wissen, dass sie notfalls die USA mit Kernwaffeneinsatz erpressen können, um konventionelle militärische Hilfe zu schicken, wie bereits praktiziert[1].

Am 6. Oktober 2024 veröffentlicht die Drop Site News einen Artikel, der mit umfangreichen Hinweisen, Texten und Beweisen den Eindruck verstärkt, dass die USA nicht nur eine „helfende Hand“, sondern aktive Mittäter waren. Wer den ersten Band von „Gaza, Kolonialismus auf Drogen“ gelesen hat, weiß, was ich meine. Wir hatten schon in Gaza gesehen, als bei einem Geiselbefreiungsunternehmen über 300 Palästinenser, auch von US-Marines getötet worden waren, wie weit die „Hilfe“ der USA beim Völkermord ging. Die Überschrift des Artikels ist insofern nur eine Bestätigung: „Israelische Kabinettsmitglieder erwecken den Eindruck, Blinken habe der Bombardierung von Hilfslastwagen zugestimmt“[2]. Diese Feststellung hat noch gar nicht absehbare Folgen für die internationale Ordnung. Daher will ich ausführlich darauf eingehen.

Der Autor, Yaniv Cogan, erklärt schon am Anfang des Artikels, dass der US-Außenminister Antony Blinken, schon von Beginn des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen an „das Steuer in der Hand“ hatte. Nach dem 7. Oktober war Blinken am 11. Oktober der erste hochrangige US-Beamte, der in Israel eintraf. Schon bei der Abreise noch in den USA, hatte er erklärt, dass die USA hinter Israel stünden[3].

Diesmal sei Blinken in Israel gewesen, um zu fordern, dass Israel seine Entscheidung, jegliche humanitäre Hilfe, die nach Gaza gelangt, zu bombardieren, und eine „totale Belagerung“ des Streifens verhängt, zu überdenken[4]. Im Gegenzug habe US-Präsident Joe Biden angeboten, Israel selbst zu besuchen. Berichten zufolge erklärte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu Blinken bei seiner Ankunft am 16. Oktober 2023:

„Ich habe Leute im Kabinett, die wegen dem, was passiert ist, nicht wollen, dass ein einziges Aspirin nach Gaza gelangt.“[5]

Von der Kirya aus, dem Hauptquartier des israelischen Militärs in Tel Aviv, habe Blinken an den hektischen Diskussionen des israelischen Kriegskabinetts teilgenommen[6]. Dies sei das Entscheidungsgremium, das den Völkermordfeldzug leitete, und daher durch den IStGH zur Rechenschaft gezogen werden muss. Es waren Gespräche und Entscheidungen, die parallel zu den Gesprächen im erweiterten Sicherheitskabinett stattfanden. Aber nicht alle Minister des Kabinetts waren Teilnehmer der Völkermordentscheidungen.

„Laut Yaron Avraham, Reporter von Channel 12, beriet das [Sicherheits-]Kabinett am 16. und 17. Oktober ‚stundenlang über den genauen Wortlaut der Entscheidung, wobei jeder Entwurf zwischen dem Kabinettssaal und Blinkens Zimmer, das einige Meter entfernt im Inneren der Kirya liegt, hin- und hergeschickt wurde… Schließlich, gegen 3 Uhr morgens, einigen sie sich auf einen Text, der im Kabinettssaal auf Englisch verlesen wird.‘[7] Avrahams Bericht über den Vorgang wurde unabhängig von einem Reporter des konkurrierenden Channel 13 bestätigt, der schrieb: ‚Die Diskussion mit Blinken läuft wie folgt ab: Er sitzt mit seinen Beratern und seinem Sicherheitsteam in einem Raum in der Kirya, während das Sicherheitskabinett die Diskussion führt; [Minister für strategische Angelegenheiten Ron] Dermer geht hin und her und kommuniziert mit ihm.[8][9]

Blinken seinerseits habe den Tag mit einer triumphalen Rede beendet. In dieser übernahm er die Verantwortung bzw. Lorbeeren für die Wiederaufnahme der humanitären Hilfe für Gaza:

„Zu diesem Zweck haben die Vereinigten Staaten und Israel heute und auf unsere Bitte hin vereinbart, einen Plan auszuarbeiten, der es ermöglicht, dass humanitäre Hilfe von Geberländern und multilateralen Organisationen die Zivilbevölkerung in Gaza erreicht – und nur sie – einschließlich der Möglichkeit, Bereiche zu schaffen, um Zivilisten vor Gefahren zu schützen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Hilfe so bald wie möglich nach Gaza fließt. Wir teilen Israels Besorgnis darüber, dass die Hamas Hilfe, die nach Gaza gelangt, beschlagnahmen oder zerstören oder sie auf andere Weise daran hindern könnte, die Menschen zu erreichen, die sie brauchen. Sollte die Hamas in irgendeiner Weise verhindern, dass humanitäre Hilfe die Zivilbevölkerung erreicht, auch indem sie die Hilfe selbst beschlagnahmt, werden wir die Ersten sein, die dies verurteilen, und wir werden uns dafür einsetzen, dass dies nicht noch einmal passiert.[10][11]

Am folgenden Tag, nach einer weiteren Runde von Kabinettssitzungen, die diesmal sowohl von Blinken als auch von Biden geleitet wurden, wurde ein Überblick über die Entscheidung vom Büro von Premierminister Netanjahu öffentlich bekannt gegeben, und der Artikel zitiert:

„Wir werden keine humanitäre Hilfe in Form von Nahrungsmitteln und Medikamenten von unserem Territorium in den Gazastreifen zulassen“[12]

und in einer separaten hebräischen Version:

„Angesichts der Forderung von Präsident Biden wird Israel humanitäre Lieferungen aus Ägypten nicht vereiteln, solange es sich nur um Nahrungsmittel, Wasser und Medikamente für die Zivilbevölkerung im südlichen Gazastreifen oder um solche, die sich dorthin bewegen, handelt, und solange diese Lieferungen die Hamas nicht erreichen. Alle Lieferungen, die die Hamas erreichen, werden vereitelt.“[13]

Das hebräische Wort לסכל, „vereiteln“, wird von Israel häufig verwendet, um gezielte Tötungen und Attentate zu beschreiben. Die bisherige Politik, erklärt der Autor, alle humanitären Hilfslieferungen am Eindringen in Gaza zu „verhindern“, wurde Ägypten als explizite Drohung übermittelt, Hilfslastwagen zu „bombardieren“[14].

Der Inhalt der von Blinken persönlich genehmigten Politik war dann dem Artikel zufolge von Bezalel Smotrich, einem Mitglied des Sicherheitskabinetts, den israelischen Medien mit den Worten erklärt worden:

„Uns im Kabinett wurde von Anfang an versprochen, dass es eine Überwachung geben würde und dass von der Hamas und ihren Organisationen [sic] entführte Hilfslastwagen aus der Luft bombardiert und die Hilfe gestoppt würde.“[15]

Der Sprecher des Außenministeriums, Vedant Patel, habe gegenüber Drop Site News jedoch erklärt:

„Die Annahme, dass irgendjemand im Außenministerium Angriffe auf humanitäre Helfer oder Konvois in irgendeiner Weise genehmigt habe, ist absurd. Wir haben immer klar gesagt, auch unmittelbar nach dem 7. Oktober, dass Israel das Recht hat, Hamas-Milizen anzugreifen. Außenminister Blinken hat ebenso klar gesagt, dass Israel sicherstellen muss, dass humanitäre Hilfe nach Gaza geliefert wird und dass humanitäre Helfer im Gazastreifen geschützt werden.“

Das Außenministerium habe damit aber nicht klargestellt, ob es Luftangriffe gegen Hamas-Militante (oder diejenigen, die wahllos als Militante eingestuft werden) genehmigt, die Hilfskonvois sichern oder deren Inhalt beschlagnahmen. Hinzufügen muss man, dass auch Hilfslieferungen bombardiert wurden, die von der zivilen Polizei der Hamas-Verwaltung gegen Plünderungen geschützt worden war. Mit dem Hinweis: „Hamas“.

„Minimale Hilfe sollte erlaubt sein“

Für Smotrich und andere israelische Politiker habe die Zustimmung der USA zu dieser Politik die Gelegenheit eröffnet, Bestrebungen zu verwirklichen, die sie schon lange vor dem 7. Oktober gehegt hatten. Bereits 2018, als sich Palästinenser in Gaza mit Massenprotesten gegen die israelische Blockade wehrten – die von der israelischen Regierung scherzhaft als „Termin bei einem Ernährungsberater“ bezeichnet wurde –, hatte Smotrich deutlich gemacht:

„Meiner Meinung nach sollte Gaza hermetisch abgeriegelt werden. Wir sollten ihnen nichts geben. Lasst sie an Hunger, Durst und Malaria sterben. Das ist mir egal, sie sind nicht meine Bürger, ich schulde ihnen nichts.“[16]

Cogan berichtet, dass der erste Teil der von Blinken genehmigten humanitären Hilfspolitik – das Verbot der Einfuhr von Hilfe aus israelischem Gebiet –nur von kurzer Dauer war. Im Dezember 2023 begannen Hilfslieferungen direkt über Israel einzutreffen, und vom ersten Moment an habe Israels Überwachungsmechanismus verursacht, dass alle Hilfslieferungen, unabhängig von ihrer Herkunft, in Israel kontrolliert werden mussten, bevor sie Gaza erreichten, was zu erheblichen Verzögerungen führte[17]. Aber auch die zweite Politik – die „Vereitelung“ von Hilfslieferungen innerhalb Gazas, wenn sie „die Hamas erreichen“ – habe sich als wirksames Mittel in Israels Arsenal erwiesen, wenn es darum ging, die Bevölkerung Gazas auszuhungern.

Als das Jahr 2023 zu Ende ging, stimmte der UN-Sicherheitsrat über eine Resolution zur Erleichterung der Einfuhr von Hilfsgütern nach Gaza ab, die unter dem Druck der USA erheblich abgeschwächt worden war[18]. UN-Generalsekretär António Guterres erklärte:

„Viele Menschen messen die Wirksamkeit der humanitären Operation in Gaza anhand der Zahl der Lastwagen des Ägyptischen Roten Halbmonds, der UN und unserer Partner, die Hilfsgüter jenseits der Grenze abladen dürfen. Das ist ein Fehler. Das wahre Problem ist, dass die Art und Weise, wie Israel diese Offensive durchführt, massive Hindernisse für die Verteilung der humanitären Hilfe innerhalb des Gazastreifens schafft.“[19]

Was erklären kann, dass der UN-Generalsekretär in Israel im Oktober zur persona non grata in Israel erklärt wurde, und ihm der Zugang zu Flüchtlingslagern verwehrt wurde.

Hilfsgüter, die es trotz Verzögerungen durch das Militär und israelische Demonstranten, die von der Regierung angestachelt wurden, Hilfslastwagen zu blockieren, unversehrt nach Gaza geschafft hatten, mussten dann innerhalb des Gazastreifens mit einer Handvoll Lastwagen verteilt werden, die Israel im Gazastreifen fahren ließ. Der Autor erklärt die Schikanen Israels: Sie fuhren mit kaum verfügbarem Treibstoff, fuhren unter Beschuss über zerstörte Straßen voller nicht explodierter Munition und wurden aufgrund von Sperren durch die israelische Regierung ohne Echtzeitkommunikation ausgeliefert. Für über eine Million Flüchtlinge, die im Süden des Gazastreifens eingesperrt waren, mussten die Nahrungsmittel, die sie erhalten hatten, in Zelten und in immer knapper werdenden Behältern gelagert werden. In der Zwischenzeit wurde, wie man auch im ersten Band meines Gaza-Buches lesen konnte, die inländische Nahrungsmittelproduktionskapazität von Gaza durch die absichtliche „und schadenfrohe“ Zerstörung der Landwirtschaft durch die israelischen Streitkräfte und Bäckereien dezimiert.

Guterres‘ Bemerkungen wurden eine Woche später in dem Antrag der südafrikanischen Regierung an den Internationalen Gerichtshof zitiert, zusammen mit Kommentaren eines hochrangigen Beamten des UNRWA, das die meisten humanitären Bemühungen in Gaza koordiniert hat, und die Resolution als „grünes Licht für fortgesetzten Völkermord“ bezeichnete[20].

Dann geht der Autor auf das Verfahren des IGH ein, welches ausführlich im ersten Band von „Gaza, Kolonialismus auf Drogen“ berichtet wird. Er schreibt, in Kurzform, dass am 26. Januar ein Gremium aus 17 Richtern festgestellt hatte, dass die Rechte der Palästinenser gemäß der Völkermordkonvention „einer realen und unmittelbaren Gefahr“ ausgesetzt seien. Am selben Tag kürzten die USA die Finanzierung des UNRWA[21], nachdem israelische Knesset-Abgeordnete aggressiv die Geschichte verbreitet hatten, dass die Agentur – die Zehntausende im Gazastreifen beschäftigt – auch eine unbekannte Zahl von Hamas-Mitgliedern[22] in ihren Reihen habe und dass „Terroristen“ Schüler in von der UNRWA betriebenen Schulen gewesen seien.

UNRWA „vertuscht die Aktivitäten der Hamas und terroristische Aktivitäten vollständig“, sagte Knesset-Mitglied Sharren Haskel gegenüber ausländischen Medien. „Die Hamas hat diese Organisation übernommen.“ In einem Gespräch mit israelischen Medien, so der Artikel weiter, habe Haskel hinzugefügt:

„Es gibt 13.000 UNRWA-Mitarbeiter im Gazastreifen und sie sind alle Hamas-Mitglieder oder deren Verwandte.“

Der Finanzierungsstopp, der damals als „vorübergehende Pause“ beschrieben wurde, dauert im Wesentlichen bis heute an[23], schreibt der Autor und lähmt die humanitären Bemühungen der Agentur. Und nun kommen jene NGOs zum Zuge, über die ich in dem Buch „Die Menschenrechtsindustrie im humanitären Angriffskrieg“ berichtete. Anstelle von UNRWA pflegte Israel Beziehungen zu ausländischen NGOs, vor allem zu World Central Kitchen, die es unterließen, die israelische Politik zu kritisieren oder auf einen Waffenstillstand zu bestehen, denen jedoch die Infrastruktur und das Fachwissen fehlten[24], um die Schwächung der UNRWA auszugleichen. Schließlich muss man hinzufügen, dass trotz der vollkommenen Unterordnung unter Israels Bedingungen, mindestens ein Raketenangriff gegen Fahrzeuge der Organisation mit dem Tod der Insassen stattfand.

Etwa zur gleichen Zeit betonte Netanjahu in öffentlichen Reden für seine israelischen Wähler wiederholt, dass die Menge an Hilfe, die Israel nach Gaza lässt, „minimal“ sei[25]. Der ehemalige Brigadegeneral Effi Eitam, der nach dem 7. Oktober Berichten zufolge[26] einer von Netanjahus engen Vertrauten und Beratern wurde, beleuchtete die Bedeutung des Satzes:

„Was die humanitäre Hilfe betrifft, sollte nur minimale Hilfe erlaubt sein, und wenn ich minimal sage, bedeutet das, dass man vor einer humanitären Krise in Gaza nicht zurückschrecken darf. Es gibt keine Unschuldigen in Gaza.“[27]

Am 6. Februar 2024 kritisierte Gidon Sa’ar, Mitglied des Sicherheitskabinetts und Vorsitzender der rechtsgerichteten Partei Neue Hoffnung (die die Koalition inzwischen verlassen hat), den Politikwechsel. In einem Zoom-Gespräch mit Parteimitgliedern erklärte Sa’ar:

„Ich bin derzeit der Meinung, dass die humanitäre Hilfe für Gaza sofort eingestellt werden sollte, bis ein humanitärer Hilfsmechanismus ausgearbeitet ist, der weder von Machtübernahmen durch die Hamas noch von der Verteilung von Hilfsgütern durch die Hamas an die Zivilbevölkerung abhängig ist.“[28]

Diese Politik, so Sa’ar, sei bereits in „einer Entscheidung des [Sicherheits-]Kabinetts verankert, die zu Beginn des Krieges getroffen wurde und besagte, dass die humanitäre Hilfe aus Ägypten erlaubt sein wird, solange diese Lieferungen die Hamas nicht erreichen, und dass die Lieferungen, die die Hamas erreichen, verhindert werden.“ Ihm zufolge wurde diese Politik von „den Vereinigten Staaten von Amerika … in den Gesprächen Mitte Oktober gebilligt, darunter auch in den Gesprächen mit Außenminister Blinken, der [Israel] besuchte und an Diskussionen, vor allem mit dem Kriegskabinett, zum Thema humanitäre Hilfe teilnahm. Gerade jetzt“, sagte er, „am Vorabend eines weiteren Besuchs des amerikanischen Außenministers in Israel müssen wir diese Idee wiederbeleben, um das Ziel, das ich zuvor erwähnt habe, nicht zu untergraben, das eines der Kriegsziele ist, nämlich die Zerstörung der Regierungsfähigkeiten der Hamas.“

Aber schon bald waren Angriffe auf Hilfsgüter wieder an der Tagesordnung. Am 5. Februar beschoss das israelische Militär einen Hilfslastwagen des UNRWA, woraufhin die Hilfsorganisation und das Welternährungsprogramm ihre Hilfsmissionen wochenlang einstellten. Grund für den Beschuss: Angeblich habe der Geheimdienst berichtet, dass „Hamas“ die Lieferung gestohlen hat. Am selben Tag zielte ein israelischer Luftangriff auf ein Polizeiauto, das einen Mehllastwagen begleitete, und „riss die Passagiere in Stücke“, wie Zeugen aussagten. Begründung:

Am 9. Februar teilte UNRWA-Direktor Philippe Lazzarini der Presse mit, dass das israelische Militär acht palästinensische Polizisten ermordet habe, die Hilfskonvois eskortierten. Wenige Tage später bezeichnete der damalige Sondergesandte des US-Außenministeriums für humanitäre Fragen im Nahen Osten, David Satterfield, den Angriff des israelischen Militärs auf die Sicherheitseskorte der Hilfslastwagen der Hamas als großes Hindernis für die Lieferung der Hilfe: ‚Nach dem Abzug der Polizeieskorten ist es für die UN oder sonst jemanden, Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder jeden anderen Hilfslieferanten praktisch unmöglich, Hilfsgüter sicher nach Gaza zu bringen.‘“[29]

Dann stellte Ende März der Internationale Gerichtshof fest, dass der Gazastreifen sinngemäß einer Hungerblockade unterworfen ist, und ordnete die Beseitigung derselben an. Aber statt dem Folge zu leisten, tötete Israel weitere örtliche Polizisten, welche für die Sicherheit der Hilfslieferungen sorgen sollten, ebenso wie Familienangehörige, die nach Nahrungsmittel suchten, Passanten und Anwohnerkomitees, welche die Hilfslieferungen verteilen sollten.

Eine Drohne tötete nach längerer Beobachtung eines WCK-Team, das auf einer mit Israel abgesprochenen Route fuhr, jedes einzelne Mitglied des Konvois durch mehrere Angriffe.

Der Artikel zitiert dann, was der Einsatzbefehl deutlich gemacht hatte: „… dass die IDF angewiesen sind, einen Versuch von Hamas-Terroristen zu vereiteln, die in Gaza eintreffenden Hilfslastwagen zu übernehmen. Die IDF erhielt diese Anweisung vom Sicherheitskabinett zu Beginn des Krieges, irgendwann um den 18. Oktober 2023, nach starkem Druck der Vereinigten Staaten.“ Die von den Drohnenpiloten geäußerten Bedenken, Hilfskräfte zu treffen, wurden von ihren Kommandeuren zurückgewiesen, die auf strikter Einhaltung des Befehls bestanden, „egal was passiert“.

Am 29. August ermordete das israelische Militär vier palästinensische Arbeiter, die einen Konvoi begleiteten, der von der in den USA ansässigen NGO Anera organisiert wurde. Auch hier berief sich die israelische Regierung als Rechtfertigung für den Angriff auf die Politik, „bewaffnete“ Kräfte anzugreifen, welche die Kontrolle über die Hilfe übernehmen.

Die Folgen der Hungerpolitik

„Die Folgen der Hungerpolitik in Gaza sind keine Spekulationen mehr. Eine Studie von Wissenschaftlern verschiedener Universitäten in Gaza, die inzwischen alle vom israelischen Militär zerstört wurden, ergab, dass der durchschnittliche Palästinenser im Gazastreifen seit dem 7. Oktober 2023 über 10 Kilogramm (oder 22 Pfund) an Gewicht verloren hat und sich die Zahl der untergewichtigen Personen vervierfacht hat. Der Global Nutrition Cluster, der die Aktivitäten verschiedener NGOs zur Bekämpfung der Unterernährung koordiniert, schätzt, dass über 50.000 Kinder unter 5 Jahren akute Behandlungsdienste für Unterernährung benötigen.

‚Wir wissen, dass dies lebenslange schädliche Auswirkungen auf Kinder haben kann. Selbst eine kurze Zeit der Unterernährung, geschweige denn eine, die ein Jahr dauert‘, sagte Dr. Yara Asi, Co-Direktorin des Palästinaprogramms für Gesundheit und Menschenrechte an der Harvard University. ‚Das kognitive Wachstum wird verlangsamt, sodass diese Kinder in der Schule schlechtere Leistungen erbringen. Sie werden weniger in der Lage sein, am Wirtschaftsleben teilzunehmen. Körperlich verkümmertes Wachstum, also wenn Kinder nicht im normalen Tempo wachsen, kann nicht rückgängig gemacht werden.‘“[30]

Die Vertreter der USA betonen immer, wie sehr ihnen das Schicksal der Palästinenser am Herzen liege. Egal wie widersinnig es angesichts der Taten der Regierung ist.

Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie im Schriftbeitrag zu diesem Podcast.

Anhang

Was im Nahen Osten derzeit durch Israel durchgeführt wird, geht über die Vorstellungskraft normaler Menschen in Deutschland hinaus. Deshalb wollen es viele nicht glauben. So eine ähnliche Situation gab es bereits mehrmals in Deutschland. Was der Völkermord in Gaza von den anderen furchtbaren Ereignissen der Nachkriegszeit unterscheidet, ist die Tatsache, dass diese Gräueltaten durch die deutsche Staatsräson unterstützt werden. Deshalb ist dieser Völkermord für Deutschland einzigartig.

Der folgende Text ist natürlich viel zu lang, zu detailliert, und trotzdem zeigt er nicht annähernd, was in der letzten Woche im Nahen Osten passierte. Es ist eine Auswahl an Informationen, die helfen soll, die Information, welche die Massenmedien bieten, ins richtige Licht zu setzen. Denn die Massenmedien singen nach wie vor das Lied: Israel verteidige sich nur. Wer jetzt nicht dazu kommt, das zu lesen, kann es zu einem späteren Zeitpunkt tun. Es ist ein Text für Menschen, die wirklich wissen wollen, was passiert. Und was passiert ist leider traumatisierend, gibt aber Hinweise, welche Politiker wie einzuschätzen sind.

Inhalt USA sind Mittäter - Teil 2. 8 Zum Jahrestag des Völkermordbeginns 12 Die praktische Umsetzung der ethnischen Säuberung. 23 Anzeigen gegen 1000 israelische Soldaten wegen Kriegsverbrechen. 25 Wie geht die Invasion des Libanon weiter?. 27 Die Hannibal-Direktive, noch mal 40 Von Kreuzzügen zu faschistischen Kolonialreichen. 43 Der Angriff auf den Iran. 45 Deutschlands Schuld. 46 USA sind Mittäter - Teil 2

In den vorherigen Berichten hörte man, dass Vertreter der US-Regierung nach Israel geeilt seien, um mit Israel die Antwort auf den Vergeltungsschlag des Irans zu besprechen und zu planen. Allerdings fand man am 9. Oktober im Wall Street Journal (WSJ) einen Artikel, der behauptet, die USA seien frustriert darüber, dass Israel nicht bereit ist, seine Pläne mit den USA abzustimmen. Israel habe sich geweigert, der Biden-Regierung Einzelheiten seiner Pläne für militärische Aktionen gegen Teheran mitzuteilen, obwohl das Weiße Haus seinen engsten Verbündeten im Nahen Osten dränge, die Öl- und Atomanlagen des Iran aus Angst vor einem sich ausweitenden regionalen Krieg nicht anzugreifen.

US-Beamte seien frustriert, dass sie wiederholt von Israels Kriegen in Gaza und im Libanon überrascht wurden, und würden versuchen, eine weitere Eskalation zu verhindern. Einige hätten angeblich gehofft, dass die USA während eines geplanten Treffens zwischen dem israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant und Verteidigungsminister Lloyd Austin im Pentagon mehr über Israels Pläne erfahren würden, jedoch habe Gallant seine Reise verschoben.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu habe die Ausreise von Gallant am Dienstagabend verhindert. Angeblich, so der Artikel, wüssten die USA weder Zeitpunkt noch Ziele der geplanten israelischen Angriffe.

Diese Geheimhaltung sei schon länger von Israel gegen seinen Hauptverbündeten geübt worden, nicht zuletzt beim Angriff auf den Sekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah und einige hundert Zivilisten als Kollateralschäden. Während die USA dabei waren, so die Erklärung, einen Waffenstillstandsvertrag zwischen Israel und dem Libanon auszuarbeiten, zu dem Nasrallah angeblich bereits seine Zustimmung gegeben haben soll, wie man aus anderen Quellen erfuhr, führte Israel den Massenmord durch, um Nasrallah zu töten.

Angeblich, so die Autorin Nancy A. Youssef weiter, habe ein US-Beamter dem israelischen Verteidigungsminister gefragt, ob Israel bereit sei, sich angesichts fehlender Vorwarnungen und Informationen, selbst zu verteidigen. US-Verteidigungsminister Austin sei frustriert, weil die USA nicht genug Zeit hatten, ihre Streitkräfte so zu positionieren, dass sie Israel möglicherweise zur Verteidigung zur Seite stehen oder nahegelegene US-Truppen schützen konnten, heißt es in dem Artikel.

Israels Reaktion auf den Iran könnte die Grenzen seiner Reaktionsfähigkeit der USA auf die Probe stellen, meint Youssef. Ganz offensichtlich haben die USA große Angst davor, dass durch den Angriff auf iranische Ölanlagen eine Ölkrise die Weltwirtschaft heimsuchen könnte.

„General Erik Kurilla, der das für die US-Militäroperationen im Nahen Osten zuständige US Central Command leitet, reiste am Sonntag nach Israel, wo er sich mit Gallant und hochrangigen israelischen Militärkommandanten traf, unter anderem, um vor Angriffen auf Irans Atomanlagen oder Ölanlagen zu warnen. Gallant gilt weithin als der israelische Politiker, der am ehesten auf die US-Bedenken hinsichtlich Israels Kriegsführung im Gazastreifen reagiert, insbesondere hinsichtlich der Ausweitung der humanitären Hilfe für die Enklave und der Ausarbeitung eines Plans für die Nachkriegsverwaltung des Gazastreifens. Austin und Gallant standen im vergangenen Jahr in engem Kontakt, telefonierten manchmal mehrmals pro Woche und gelten allgemein als gut befreundet.

US-Beamte wollen jedoch nicht sagen, ob sie von Israel Zusicherungen erhalten haben, dass Washington vor dem erwarteten israelischen Angriff auf den Iran informiert würde, sondern verweisen stattdessen auf häufige Gespräche zwischen hochrangigen Beamten. Austin und Gallant haben im vergangenen Jahr mehr als 80-mal miteinander gesprochen, sagte Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh am Dienstag.[31]

Während des nächsten Treffens, einem in Washington, sollte Gallant einige Details des Angriffsplans mitbringen, darunter auch mögliche Ziele, sagten US-Beamte.

Im vergangenen Jahr hat das Pentagon seine Präsenz in der Region verstärkt, um Israel und die Interessen der USA zu verteidigen. Anfang Oktober befanden sich zwei Flugzeugträger in der Nähe, amphibische Angriffsschiffe, Zerstörer und zusätzliche Staffeln von Düsenjägern.

Die USA, so erklärt der Artikel, haben Dutzende von Angriffen gegen Israels Feinde durchgeführt. Letzte Woche 15 Ziele im Jemen bombardiert, worauf jemenitische Stellen erklärten, dass sie als Reaktion auf den Krieg in Gaza, Schiffe im Roten Meer angreifen werden, auch wenn sie nicht Fracht von oder nach Israel an Bord haben.

Dann beginnt der Artikel darüber zu spekulieren, welche Ziele denn wohl Israel (als Antwort auf den Vergeltungsschlag des Irans nach mehreren Angriffen Israels) auswählen könnte. Geradeso, als sei das alles ganz normales Prozedere. Also da kämen Radaranlagen eines Raketenabwehrsystems in Betracht, aber doch nicht Atomanlagen oder Ölanlagen, bitte. Auch könnte Israel doch gerne stattdessen die militärische und geheimdienstliche Infrastruktur angreifen. Ohne mit der Wimper zu zucken wird die weitere Eskalation des Krieges als normales Vorgehen beschrieben, wenn es jemand wagt, auf Angriffe der USA oder eines Verbündeten, hier Israels, mit Vergeltung zu reagieren.

Passend zu dem Thema, welche Rolle die USA spielen, mag ein freudscher Versprecher des US-Sonderbeauftragten Amos Hochstein sein, der erklärte:

„Wenn wir einmal gewählt, ausgewählt, äää wenn der Libanon einen neuen Präsidenten gewählt hat …“[32].

Wie 2014 in der Ukraine sehen die USA sich selbst als diejenigen an, die das Recht haben, zu bestimmen, wer die Regierung in einem fremden Land bildet. Genau genommen soll das gleiche passieren wie in der Ukraine. Durch einen Bürgerkrieg soll der Wille der USA durchgesetzt werden, der mit einem Teil der Bevölkerung übereinstimmt, die durch teile und herrsche überzeugt wurde. Später werden wir sehen, dass die Hisbollah klugerweise darauf reagierte, indem sie erklärte, dass ein Waffenstillstand in Gaza keine Bedingung mehr für einen Waffenstillstand im Libanon ist, und dass sie sich vollkommen auf die Verteidigung des Libanons konzentrierten.

Und siehe da, am 12. Oktober wird verkündet, dass die USA nun angeblich neu, eigene Raketenabwehrbatterien in Israel stationiert habe, um iranische Raketen abzufangen[33]. Tatsächlich haben die USA längst über Israel den dichtesten Raketenabwehrschirm der Welt aufgebaut. Mit Hilfe von Jets, die Jagd auf Raketen machen, mit Schiffsabwehrsystemen und mit Abwehrsystemen der eigenen Basen. Es klang wie ein Pfeifen im Wald. Der nächste Angriff wird zeigen, dass auch diese neuen zusätzlichen Batterien nicht ausreichen werden. Jede Abwehr kostet Milliarden Dollar an Abwehrraketen, also fast so viel, wie der Ersatz von zerstörten Waffen, wenn die Raketen durchbrechen. D.h. jeder Angriff wird in einer Nutzen-Schaden-Rechnung zugunsten der iranischen Raketen ausfallen.

Am 14. Oktober erschien eine Analyse der Mitschuld der USA an dem Debakel im Mittleren Osten, der nach der Stationierung weiterer Soldaten in Israel den Grund zusammenfasst.

„(…) Die katastrophale Entscheidung Bidens, US-Truppen und THAAD-Raketen in Israel zu stationieren, offenbart einige Dinge:

  1. Bidens Politik war ein völliger – und vorhersehbarer – Fehlschlag. Biden behauptete, er habe eine Ausweitung des Krieges verhindern wollen, aber er übte nur Druck auf den Iran/die Hisbollah/die Houthis aus, nicht zu eskalieren, während er gleichzeitig die Kosten für Israel senkt, wenn sie eskalieren.

Dieser jüngste Schritt folgt diesem Muster – indem er Israel jedes Mal verteidigt, wenn Netanjahu den Konflikt in der Region eskalieren lässt, senkt Biden die Kosten für Israel, zu eskalieren und sich Bidens ausdrücklichen Wünschen zu widersetzen. Wenn Biden Israel nicht ZUSÄTZLICHE Verteidigungsfähigkeiten zur Verfügung gestellt hätte, NACHDEM es sich unnötigerweise für eine Eskalation entschieden hatte, wären die Kosten für die Eskalation für Israel höher gewesen – vielleicht sogar unerschwinglich. (…)

  1. Biden liefert Israel jetzt nicht nur mehr Waffen, sondern auch Truppen. Er hat die USA faktisch in den Krieg geführt und unnötigerweise mit dem Leben amerikanischer Soldaten gespielt, die eigentlich das amerikanische Heimatland schützen sollten – und nicht Israel. Wenn der Iran darauf reagiert, indem er israelische Militärstandorte angreift – bisher hat der Iran im Gegensatz zu Israel keine zivilen oder wirtschaftlichen Ziele angegriffen –, besteht das Risiko, dass amerikanische Soldaten getötet werden. Das wird Biden zuzuschreiben sein, da er derjenige ist, der sie unnötigerweise in die Schusslinie gebracht hat. Netanjahu wird natürlich erfreut sein, wenn Amerikaner getötet werden, da er kalkuliert, dass ein solches Szenario die USA noch weiter in den von Israel gewählten Krieg hineinziehen wird.
  2. Schließlich ist die Mythologie in Washington, dass Israel ein wichtiger Verbündeter der USA sei, weil es die amerikanische Macht verstärkt, vollständig zerstört worden. Ohne die beispiellose Unterstützung der USA hätte Israel seinen Krieg gegen die Bevölkerung von Gaza oder gegen den Libanon nicht führen können. Und ohne die Unterstützung der USA – sowie Frankreichs und Großbritanniens – hätte seine Luftabwehr nicht eine große Zahl iranischer Raketen abschießen können. Hinzu kommt, dass Israel, da es sich für eine weitere Eskalation entschieden hat, nun sogar amerikanische Truppen in Israel stationieren muss, um es zu verteidigen.

Anstatt die Macht der USA zu verstärken, verbraucht und erschöpft Israel die Macht der USA und zerstört damit Amerikas globales Ansehen. (..)[34]

Der letzte Satz erscheint besonders wichtig. Denn wenn der Iran TROTZ der massiven Unterstützung der USA nun Israel in die Schranken weist, würde sich dies nur negativ auf das Image der USA als „unschlagbare Supermacht“ auswirken, insbesondere in Anbetracht der Entwicklungen des Krieges in der Ukraine und dem desaströsen Abzug aus Afghanistan.

Zum Jahrestag des Völkermordbeginns

Yanis Varoufakis ist einer der wenigen europäischen Politiker mit Reichweite, der sich gegen den Völkermord in Gaza durch Israel gewandt hatte. Zum Jahrestag des Beginns am 7. Oktober schrieb er einen Offenen Brief an die Richter des IGH.

Er begründet seinen Schritt damit, dass Israel den Ausbruch der Hamas am 7. Oktober, aus dem „größten Gefängnis der Welt“, in dem hauptsächlich Flüchtlinge der ursprünglichen ethnischen Säuberung, der Nakba von 1948 festsitzen, als Vorwand benutzt. Und sich damit berechtigt fühlt, eine Militärkampagne durchzuführen „die einem gut geplanten, vollwertigen Völkermord gleichkommt“. Und nach einem Jahr sei kein Ende der Massaker in Sicht.

„Israel befindet sich im Griff einer völkermörderischen rechtsextremen Regierung, die ihren mörderischen Feldzug nun auf das Westjordanland, Ostjerusalem, den Südlibanon und darüber hinaus ausweitet. Schlimmer noch: Es gibt klare Beweise dafür, dass die größte Opposition die allgemeine Richtung der Regierung unterstützt, die nicht nur den Nahen Osten, sondern auch die israelische Gesellschaft selbst in den Ruin treibt.“[35]

Hier der übersetzte Brief von Brian Eno und Yanis Varoufakis.

„7. Oktober 2024, Sehr geehrte Richterinnen und Richter des Internationalen Strafgerichtshofs,

als wir im Januar hörten, dass der Gerichtshof, dem Sie angehören, beschlossen hatte, den Fall zur Situation in Israel-Palästina anzuhören, waren wir ermutigt. Die Menschheit braucht einen Internationalen Strafgerichtshof, der die Rechtsstaatlichkeit aufrechterhält und bereit ist, die schwerwiegendsten Vorwürfe von Verstößen gegen das Völkerrecht zu untersuchen.

Heute, am 7. Oktober 2024, genau ein Jahr nach Beginn der jüngsten und brutalsten Phase des 76 Jahre alten israelisch-palästinensischen Konflikts, verspüren wir das Bedürfnis, uns direkt an Sie zu wenden. Nicht nur wegen der zunehmenden Grausamkeit dessen, was westlich des Jordan geschieht, sondern auch wegen des gefährlichen Präzedenzfalls, der geschaffen würde, wenn ein Staat so weit außerhalb des internationalen Konsenses über akzeptables Verhalten in Konfliktzeiten agieren könnte. Wenn solche Verstöße nicht von einem Gericht wie Ihrem sanktioniert werden, werden Staaten in Zukunft Kriegsverbrechen mit größerer Straffreiheit begehen.

Denn es steht nun außer Frage: Die israelische Regierung hat sich vorgenommen, jeden Aspekt des palästinensischen Lebens in Gaza systematisch auszulöschen. Wir haben bereits erlebt:

  • Die intensivste Bombardierung eines dicht besiedelten Stadtgebiets seit Menschengedenken
  • Die absichtlichste Aushungerung einer Bevölkerung seit dem Zweiten Weltkrieg
  • Die systematische Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen
  • Eine beispiellose Zahl getöteter Journalisten und UN-Mitarbeiter.

Die israelische Regierung hat Schulen, Universitäten, Bibliotheken, Archive, Kulturzentren, Kulturdenkmäler, Moscheen und Kirchen angegriffen. Professoren und Lehrer wurden zusammen mit ihren Studenten und oft ihren gesamten Familien getötet. Unter dem Deckmantel des Gaza-Konflikts vertreiben israelische Siedler, geschützt von IDF-Soldaten, unter direkter Verletzung aller Grundsätze des Völkerrechts Palästinenser aus ihrer angestammten Heimat.

Dies sind nicht nur Verstöße einer Regierung. Die internationale Gemeinschaft hat keinen Grund zu der Annahme, dass ein Regierungswechsel den israelischen Staat wieder in den Schoß des Völkerrechts bringen wird. Am 19. Juli 2024 erklärte der Internationale Gerichtshof die israelische Besetzung des Westjordanlands, des Gazastreifens und Ostjerusalems für unrechtmäßig. Fünf Tage später beschloss die israelische Knesset mit 65 zu 9 Stimmen, das Urteil des IGH zu ignorieren, und bezeichnete das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem provokativ als Teil des „Landes Israel“. Um ihre Missachtung des Völkerrechts und der Institutionen, die die Menschheit nach dem Zweiten Weltkrieg zu seiner Unterstützung geschaffen hat, weiter zu beweisen, verbot die israelische Regierung am vergangenen Mittwoch UN-Generalsekretär Guterres die Einreise ins Land.

Hier ist also die Frage: Wann können wir mit Anklagen von Ihrem Gericht rechnen?

Heute ist der Jahrestag des Beginns des düstersten Kapitels einer Tragödie, für die unsere Generation gegenüber zukünftigen Generationen zur Verantwortung gezogen wird. Heute braucht die Menschheit mehr denn je ein Gericht wie Ihres, wo unparteiische Juristen aus der ganzen Welt einen Konsens über Standards des Rechtsverhaltens im Krieg und in dessen Folgen erzielen können. Ihre Rolle ist von entscheidender Bedeutung, und wir bitten Sie, sofort zu handeln.

Vielen Dank, Brian Eno und Yanis Varoufakis“[36]

Zum Jahrestag des Beginns des Völkermordes in Gaza stellt ein Kommentator in der BBC im arabischen Kanal fest, dass passiert, was ich schon in meinem Buch von 2021 über die Zukunft Israels vorhersagte, und worüber wir bereits in vorhergehenden Teilen dieser Analyse diskutierten. Mehr und mehr Israelis verzweifeln an der Politik ihrer Regierung und verlassen das Land[37].

Ebenso quasi zum Jahrestag des Völkermordbeginns wurden die israelischen Pläne für den Gaza-Streifen bekannt. Schon 2014 hatten rechtsradikale Zionisten gefordert, Gaza in ein Konzentrationslager zu verwandeln und jeden Widerstand zu „terminieren“[38]. Hier nun die aktuellen Pläne:

Ein libanesischer Twitter User schreibt dazu:

„Dies sind die vorgeschlagenen 5 Korridore innerhalb des Gazastreifens. Letztendlich wollen die israelischen Behörden abgetrennte Ghettos schaffen, die wichtige Städte und den Verkehr noch weiter isolieren. Diese neuen Realitäten bestätigen nur, was die meisten bereits vermutet haben: Israel baut ein modernes Konzentrationslager.“[39]

Und wer glaubt, dass Israel noch ein Krankenhaus in Gaza zulassen würde, könnte getäuscht werden. Das israelische Militär hat angeordnet, dass drei der letzten Kliniken im nördlichen Gaza, also in Jabalia, Beit Hanoun und Beit Lahia, innerhalb von 24 Stunden evakuiert werden müssen[40]. Ich weiß nicht, ob sich der Leser vorstellen kann, was das bedeutet. Aber ich möchte darauf verzichten, es zu erklären.

Praktisch zum Beginn des Völkermordes in Gaza vor einem Jahr, beginnen die Massenmedien sogar im Westen darüber zu berichten. Sogar FoxNews bringt einen erschütternden Bericht[41]. Nur deutsche Medien, da kann man sicher sein, werden noch lange mauern, vielleicht bis die ersten Haftbefehle wegen Beihilfe zum Völkermord von irgendwelchen Gerichten ausgestellt werden?

Kurz nach dem Jahrestag des Völkermordbeginns plötzlich die Überraschung. Nachdem der größte Teil Gazas zerstört ist, und Israels mangels Häuser Zelte bombardiert, bringen die USA Resolutionen in den Sicherheitsrat ein, welche sie bisher vehement verhindert hatten. Die US-Botschafterin bei der UN fordert mit Resolution 2735 einen sofortigen Waffenstillstand und Übergabe der Geiseln Israels durch die Hamas. Ein Ende der Folter der palästinensischen Gefangenen und deren Freigabe wird nicht gefordert. Aber immerhin soll Israel den Gazastreifen verlassen und einen Wiederaufbau nicht behindern. Mit der Resolution 2720 wird gefordert, dass die Grenzen sofort für humanitäre Hilfe geöffnet werden[42]. Von den vorherigen über 60 Resolutionen, welche Israel verpflichten die Besatzung aufzugeben, die Mauer abzureißen, die Gefangenen frei zu lassen, den Siedlungsbau zu beenden usw. wird leider nichts erwähnt. Mit anderen Worten: Israel soll eine Front bereinigt bekommen, damit die Soldaten sich auf den Libanon konzentrieren können.

UN-Untersuchung wirft Israel vor, das Gesundheitssystem des Gazastreifens zerstören zu wollen.

Immer mehr Beweise für einen Völkermord häufen sich und lassen Gerichten keine andere Wahl, als Völkermord anzuerkennen. Ein Bericht der Reuters Korrespondentin Emma Farge berichtet, dass eine Untersuchung der Vereinten Nationen zu dem Schluss kam, dass Israel im Gaza-Krieg eine konzertierte Politik der Zerstörung des Gesundheitssystems in Gaza verfolgt habe. Diese Handlungen kommen sowohl Kriegsverbrechen als auch dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Ausrottung gleich.

Der Reuters-Artikel führt aus, dass in einer Erklärung der ehemaligen UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, die dem Bericht am Donnerstag beigefügt war, Israel beschuldigt wurde, im Krieg „unerbittliche und vorsätzliche Angriffe auf medizinisches Personal und Einrichtungen“ durchgeführt zu haben.

„‘Vor allem Kinder haben die Hauptlast dieser Angriffe getragen und sowohl direkt als auch indirekt unter dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems gelitten‘, sagte Pillay, dessen 24-seitiger Bericht über die ersten zehn Monate des Krieges der UN-Generalversammlung am 30. Oktober vorgelegt wird. Die diplomatische Vertretung Israels in Genf wies die Ergebnisse des Berichts zurück und nannte sie empörend.“[43]

Israel behauptete auch im Oktober, die Militanten in Gaza operierten aus dem Schutz bebauter, besiedelter Gebiete, darunter Schulen und Krankenhäuser, und die IDF würde sie überall dort angreifen, wo sie auftauchten, während sie gleichzeitig versuchte, Zivilisten nicht zu treffen. Hamas bestreitet, Militante, Waffen und Kommandoposten unter Zivilisten versteckt zu haben. Und wie wir später noch ausführlicher erfahren werden, berichten Ärzte von gezielten Kopfschüsse auf Kinder.

Die Erklärung der UN-Untersuchung beschuldigte die israelischen Streitkräfte auch, medizinisches Personal absichtlich getötet und gefoltert, medizinische Fahrzeuge angegriffen und Patienten die Erlaubnis verweigert zu haben, den belagerten Gazastreifen zu verlassen.

Der Artikel berichtet dann von einem Beispiel, den Tod des palästinensischen Mädchens Hind Rajab im Februar sowie von Familienmitgliedern und zwei Sanitätern, die ihr bei der Evakuierung aus dem israelischen Feuer helfen wollten. Der Bericht besagt, dass der Krankenwagen von einer Panzergranate getroffen wurde, als er sich nur 50 Meter von der Familie entfernt befand, obwohl seine Route im Voraus mit den israelischen Sicherheitskräften abgestimmt worden war. Wer mehr von dem Massaker lesen will, kann den forensischen Bericht anschauen[44].

„‘UNERSETZBARER VERLUST‘ Die Weltgesundheitsorganisation sagt, dass seit der Schließung des Grenzübergangs Rafah zu Ägypten im Mai über 10.000 Patienten, die dringend medizinisch evakuiert werden mussten, daran gehindert wurden, Gaza zu verlassen. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden im vergangenen Jahr in Gaza fast 1.000 Mediziner getötet. Die WHO bezeichnete dies als ‚einen unersetzlichen Verlust und einen massiven Schlag für das Gesundheitssystem‘.“[45]

Israel habe bei der Untersuchung nicht kooperiert, da sie „antiisraelisch“ sei. Die Kommission werfe Israel vor, berichtet die Autorin, ihre Arbeit zu behindern und Ermittlern den Zugang zu Israel und den palästinensischen Gebieten zu verwehren. Der Artikel fährt fort zu berichten, wie Evakuierungsanweisungen für Krankenhäuser schlicht undurchführbar waren. Auch zu der Behandlung und Folterung von Gefangenen hat sich der Bericht geäußert.

„Die Untersuchung hat ein umfassendes Mandat, Beweise zu sammeln und mutmaßliche Täter internationaler Verbrechen zu identifizieren, die in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten begangen wurden. Die Ergebnisse basieren auf einer Reihe von Quellen, darunter Interviews mit Opfern und Zeugen, Stellungnahmen und Satellitenbilder. Die Kommission hat bereits zuvor behauptet, sowohl Israel als auch die Hamas hätten in der Anfangsphase des Gaza-Kriegs Kriegsverbrechen begangen, und Israels Aktionen seien aufgrund der immensen Verluste unter der Zivilbevölkerung Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Begriff ist den schwersten internationalen Verbrechen vorbehalten, die bewusst als Teil eines groß angelegten oder systematischen Angriffs auf Zivilisten begangen werden.“[46]

Der Bericht der UNO-Kommission[47] wird am 30. Oktober der Generalversammlung in New York vorgetragen. Sagt die Pressemitteilung des OHCHR[48]. Vielleicht sollte man zynisch einschränken, soweit die USA die entsprechenden Vortragenden die Einreise erlaubt erhalten. Am Ende des Berichtes, wie bei allen Kommissionsberichten und Berichten der großen Menschenrechtsorganisationen, finden sich „Empfehlungen“ an die Regierung Israels. Da seit Jahrzehnten solche Empfehlungen in den Wind geschlagen wurden, erspare ich mir eine Übersetzung an dieser Stelle.

Deutschen Politikern, die immer wieder von „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ in Israel reden, und behaupten, Israel würde eventuelle Kriegsverbrechen selbst aufarbeiten, sollte man immer wieder solche Berichte als Gegenbeweis vorlegen.

Das Verschweigen israelischer Verbrechen

In den deutschen Medien liest man zunächst wenig, oder nur „Interpretationen“ eines UN-Kommissionsberichtes vom 11. September[49]. Darin wird die Misshandlung, die Vergewaltigung und Tötung von palästinensischen Gefangenen kritisiert. Im Prinzip werden Verbrechen beschrieben, insbesondere Massenvergewaltigungen, welche der Hamas im Rahmen des 7. Oktobers vorgeworfen wurden, ohne jedoch die Beweise dafür vorzulegen. Der Bericht ist lang, aber ich möchte einen Teil daraus übersetzt, statt interpretierend, zur Kenntnis bringen.

„Vergewaltigung und andere Formen sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt"

Die Kommission dokumentierte mehr als 20 Fälle sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt gegen männliche und weibliche Häftlinge in mehr als 10 Einrichtungen des Militärs und des israelischen Strafvollzugsdienstes, insbesondere im Negev-Gefängnis und im Lager Sde Teiman für männliche Häftlinge und in den Gefängnissen Damon und Hasharon für weibliche Häftlinge. Sexuelle Gewalt wurde vom Moment der Festnahme an und während der gesamten Haft, einschließlich Verhören und Durchsuchungen, als Mittel der Bestrafung und Einschüchterung eingesetzt. Die von der Kommission dokumentierten Akte sexueller Gewalt waren durch extremen Hass und den Wunsch, das palästinensische Volk zu entmenschlichen, motiviert.

Die Kommission stellte fest, dass erzwungene Nacktheit mit dem Ziel, Opfer vor Soldaten und anderen Häftlingen zu erniedrigen und zu demütigen, häufig gegen männliche Opfer eingesetzt wurde, darunter wiederholte Leibesvisitationen; Verhöre von Häftlingen, während sie nackt waren; Zwangsmaßnahmen gegen Häftlinge, bestimmte Bewegungen nackt oder ausgezogen auszuführen und in einigen Fällen auch gefilmt zu werden; Gefangene wurden während des Transports nackt sexuellen Beleidigungen ausgesetzt; nackte Gefangene wurden zusammen in eine überfüllte Zelle gezwängt; und entkleidete und mit verbundenen Augen versehene Gefangene wurden gezwungen, sich mit auf dem Rücken gefesselten Händen auf den Boden zu hocken.

Mehrere männliche Häftlinge berichteten, dass Angehörige der israelischen Sicherheitskräfte sie an ihren Genitalien geschlagen, getreten, gezogen oder gequetscht hätten, oft während die Häftlinge nackt waren. In einigen Fällen verwendeten Angehörige der israelischen Sicherheitskräfte Gegenstände wie Metalldetektoren und Schlagstöcke. Ein Häftling, der im Negev-Gefängnis der israelischen Sicherheitskräfte festgehalten wurde, gab an, dass Angehörige der Keter-Einheit des israelischen Gefängnisdienstes ihn im November 2023 gezwungen hätten, sich auszuziehen, und ihm dann befahlen, die israelische Flagge zu küssen. Als er sich weigerte, wurde er geschlagen und seine Genitalien wurden so heftig getreten, dass er sich übergeben musste und das Bewusstsein verlor.

Die Kommission erhielt auch glaubwürdige Informationen über Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe, darunter die Verwendung einer elektrischen Sonde, um Verbrennungen am Anus zu verursachen, und das Einführen von Gegenständen wie Stöcken, Besenstielen und Gemüse in den Anus. Einige dieser Taten wurden Berichten zufolge von Soldaten gefilmt. Im Juli wurden neun Soldaten verhört und mehrere verhaftet, weil sie in Sde Teiman angeblich einen Häftling vergewaltigt und lebensgefährliche Verletzungen verursacht hatten.

Die Kommission hat festgestellt, dass Häftlinge routinemäßig sexuellem Missbrauch und Belästigung ausgesetzt waren und dass Häftlinge oder ihre weiblichen Familienangehörigen mit sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen bedroht wurden. Ein in Sde Teiman festgehaltener Häftling berichtete, dass weibliche Soldaten ihn und andere gezwungen hätten, Geräusche wie ein Schaf zu machen, die Hamas-Führung und den Propheten Mohammed zu verfluchen und zu sagen: ‚Ich bin eine Hure‘. Häftlinge wurden geschlagen, wenn sie nicht kooperierten. In einem anderen Fall zog ein Soldat seine Hose aus und drückte seinen Schritt auf das Gesicht eines Häftlings und sagte: ‚Du bist meine Schlampe, lutsch meinen Schwanz.‘

Weibliche Häftlinge wurden in Militär- und Gefängniseinrichtungen außerdem sexuellen Übergriffen und Belästigungen ausgesetzt, außerdem Morddrohungen und Vergewaltigungsdrohungen. Zu den sexuellen Belästigungen gehörten Versuche, ihre Brüste zu küssen und zu berühren. Sie berichteten von wiederholten, langwierigen und invasiven Leibesvisitationen vor und nach Verhören. Frauen wurden gezwungen, vor männlichen und weiblichen Soldaten alle Kleider abzulegen, einschließlich des Schleiers. Sie wurden geschlagen und belästigt, während man sie als ‚hässlich‘ bezeichnete und sexuelle Beleidigungen wie ‚Schlampe‘ und ‚Hure‘ benutzte. In einem Fall wurde einem weiblichen Häftling in einem Gefängnis des israelischen Gefängnisdienstes der Zugang zu ihrem Anwalt verweigert, nachdem sie ihn über Vergewaltigungsdrohungen informiert hatte.

Die Kommission erhielt von der Palästinensischen Autonomiebehörde Berichte über die Vergewaltigung zweier weiblicher Häftlinge. Sie versucht, die Informationen zu überprüfen.

Weibliche Häftlinge wurden ohne ihre Zustimmung und unter erniedrigenden Umständen fotografiert, darunter in Unterwäsche vor männlichen Soldaten. In einem Fall wurde eine Gefangene nach ihrer Festnahme auf einer Polizeiwache im Norden Israels wiederholten und gewaltsamen Leibesvisitationen unterzogen. Sie wurde geschlagen, verbal beschimpft, an den Haaren gezogen und vor einer israelischen Flagge fotografiert. Die Fotos wurden online gestellt.

Todesfälle in Gewahrsam

Bis zum 15. Juli sind seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 53 palästinensische Häftlinge in israelischen Haftanstalten gestorben. Davon stammten 44 Personen aus Gaza, darunter 36, die in Sde Teiman starben, und 9 aus dem Westjordanland. Die Leichen verstorbener Häftlinge wurden größtenteils nicht zur Beerdigung an ihre Familien übergeben.

Thaer Abu Assab aus Qalqilya im Westjordanland, der seit 2005 inhaftiert war, starb am 18. November 2023 im Negev-Gefängnis, nachdem er Berichten zufolge von Wärtern der Keter-Einheit des israelischen Gefängnisdienstes schwer geschlagen worden war, und seine medizinische Evakuierung verzögert wurde. Die israelischen Behörden leiteten eine strafrechtliche Untersuchung ein, doch Berichten zufolge wurden nur begrenzte Disziplinarmaßnahmen gegen die beteiligten Wärter ergriffen.

Zwei leitende palästinensische Ärzte aus Gaza starben in israelischer Haft. Dr. Iyad Rantisi, der Direktor eines Frauenkrankenhauses in Bayt Lahya, wurde am 11. November an einem Kontrollpunkt der israelischen Sicherheitskräfte festgenommen und starb sechs Tage später im vom israelischen Gefängnisdienst betriebenen Shikma-Gefängnis, wo er Berichten zufolge vom israelischen Sicherheitsdienst (auch bekannt als Shin Bet) verhört wurde. Dr. Adnan al-Bursh, der Leiter der orthopädischen Abteilung des Shifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt, wurde im Dezember festgenommen und starb im April im Ofer-Gefängnis. Ein freigelassener Häftling sagte der Kommission, er habe Dr. Al-Bursh im Dezember 2023 in Sde Teiman mit Prellungen am Körper und Schmerzen in der Brust gesehen.

Israel legte keine Beweise dafür vor, dass Untersuchungen zu Todesfällen in Gewahrsam durchgeführt wurden, um die Rechenschaftspflicht sicherzustellen.“[50]

Soviel also zum wiederholten Male zu der Aussage deutscher Politiker, dass Israel ein Rechtsstaat sei, der solche Verbrechen selbst verfolgen könne, weshalb eine Anklage vor dem IStGH nicht zulässig ist. Dumm für die Bundesregierung war dann, dass die Berliner Zeitung am 11. Oktober doch darüber berichtete, dass UN-Ermittler schwere Vorwürfe erheben: Israel zerstöre gezielt Krankenhäuser im Gazastreifen[51]. Nun war diese Neuigkeit also auch in den „seriösen“ Zeitungen angekommen. Selbst wer sich „unseriösen“ Medien im Internet verweigerte, konnte nun nicht mehr behaupten „ich habe nichts gewusst“[52]. Wie schreibt der Autor Raphael Schmeller in der Berliner Zeitung?

„Die ‚rücksichtslosen und vorsätzlichen Angriffe auf medizinisches Personal und Einrichtungen‘ seien als ‚Kriegsverbrechen‘ und ‚Verbrechen gegen die Menschlichkeit‘ zu werten.“[53]

Nun als auch in den Printmedien. Diesmal erstaunlich schnell, war die UN-Pressemitteilung doch vom 10. Oktober [54]. Und, als wollte Israel zeigen, wie vollkommen egal dem Land die Meinung der Welt war, bombardiert sie Zelte in dem UN-Flüchtlingslager Jabalia. 17 palästinensischen Flüchtlinge, darunter Frauen und Kinder, welche in Zelten des Krankenhausgeländes von Yamen Saed Zuflucht gesucht hatten, werden getötet[55]. Verstümmelte, Menschen mit Verbrennungen oder gar traumatisierte Menschen, werden schon gar nicht mehr gezählt.

Und dann hat die israelische Regierung den Sitz der UNRWA in Ost-Jerusalem, also ein Gebiet in dem sie völkerrechtlich gar nichts zu bestimmen hat, beschlagnahmt, und plant auf dem Gelände den Bau von 1440 jüdischen Siedlungen[56]. Was hatte das höchste Weltgericht, der Internationale Gerichtshof in den Haag unter anderem erklärt: Israel habe alle Siedlungen aufzugeben, insbesondere seine illegalen Aktivitäten in Ost-Jerusalem, wozu dann eine UN-Resolution eine Frist von 12 Monaten einräumte. Da nun klar war, dass Israel nicht daran dachte, der UN-Resolution zu folgen, warum wurden keine Sanktionen verhängt?

Kopfschüsse der IDF

Bei Twitter gibt es einen Nutzer, der seit Jahren dokumentiert, wie die IDF Demonstranten, Ersthelfer, Kinder durch Kopfschuss tötet, @IDFheadshot. Aber kaum jemand hatte davon Notiz genommen. Und in Suchmaschinen konnte man ihn ohne den Namen nicht finden, auch KIs kannten ihn nicht. Aber Anfang Oktober 2024 berichteten 65 Ärzte und Ersthelfer der New York Times, was sie in dieser Beziehung in Gaza sahen. Nämlich, dass Kindern systematisch in den Kopf geschossen wurde.

„Ich habe vom 25. März bis zum 8. April als Unfallchirurg in Gaza gearbeitet. Ich habe in der Ukraine und in Haiti Freiwilligenarbeit geleistet und bin in Flint, Michigan, aufgewachsen. Ich habe Gewalt gesehen und in Konfliktgebieten gearbeitet. Aber von den vielen Dingen, die mir an der Arbeit in einem Krankenhaus in Gaza auffielen, berührte mich eines: Fast jeden Tag, den ich dort war, sah ich ein neues kleines Kind, das in den Kopf oder die Brust geschossen worden war, und fast alle starben später. Dreizehn an der Zahl.

Zu der Zeit nahm ich an, dass dies das Werk eines besonders sadistischen Soldaten in der Nähe sein musste. Aber als ich nach Hause zurückkehrte, traf ich einen Notarzt, der zwei Monate vor mir in einem anderen Krankenhaus in Gaza gearbeitet hatte. ‚Ich konnte nicht glauben, wie viele Kinder ich mit Kopfschüssen gesehen habe‘, sagte ich ihm. Zu meiner Überraschung antwortete er: ‚Ja, ich auch. Jeden einzelnen Tag.‘“[57]

Endlich wurde die Geschichte, welche @IDFheadshot seit Jahren verfolgte, und dokumentierte einmal von einem Massenmedium aufgenommen. Traurig, dass das erst in Verbindung mit einem Völkermord geschieht, aber rechtzeitig genug für eine juristische Aufarbeitung.

Die Antwort der Zionisten, christlicher, atheistischer oder jüdischer, war diesmal uneinheitlich, folgte nicht dem üblichen Schema von anfänglicher Leugnung bis hin zu „ist normal“. Die Antwort teilte sich diesmal in „jubelndes Feiern“ der Kopfschüsse, völlige Ablehnung des Berichts, oder „es sind nur ein paar schwarze Schafe“. Tariq Kenney-Shawa[58] auf Twitter hat das einmal genauer angeschaut. Quellen finden Sie in seinem Twitter-Thread. Hier was er analysierte:

„Erstens reagieren sie nur deshalb, weil die befragten Ärzte Amerikaner sind. Die Palästinenser zeigen der Welt seit Monaten die Leichen ihrer Kinder, die in den Kopf geschossen und von israelischen Bomben zerfetzt wurden. Aber weil sie Palästinenser sind, werden sie nie ernst genommen.

Natürlich sehen wir in den sozialen Medien das Schlimmste von allen. Werfen Sie einfach einen Blick auf fast jeden israelischen Telegrammkanal, übersetzen Sie das Hebräische, und Sie werden Nachrichten wie „mehr, mehr, mehr!“ und „guter Schuss, Jungs!“ sehen. Das sind die gleichen Israelis, die die Nakba nie leugnen. Sie wollen eine weitere.

Die meisten Israelis, die den Schrecken von Kindern erkennen, denen in den Kopf geschossen wird, greifen sofort auf völlige Leugnung zurück. Einige gehen sogar so weit, zu behaupten, dass die Hamas irgendwie an israelische Waffen gelangt sei und den Kindern selbst in den Kopf geschossen habe. Verzweifelte Bewältigung.

Dann scheint eine noch kleinere Gruppe nicht in der Lage zu sein, zu leugnen, wie ungerechtfertigt das alles ist, weigert sich aber, den systematischen, völkermörderischen Charakter der israelischen Kriegsverbrechen zuzugeben. Es sind nur „ein paar schwarze Schafe“, sagen sie, trotz aller gegenteiligen Beweise. Mehr als 16.000 tote Kinder können nicht einfach nur „schwarze Schafe“ sein, gelinde gesagt (…).“[59]

Was für Deutsche, die noch nicht vergiftet von Hass, und desinformiert von Propaganda waren, dann noch hinzu kam, war die Tatsache, dass die Welt das als „deutsche Staatsräson“ sieht. Und was Menschen, welche Jahrzehnte von den USA hören mussten, wie schrecklich diese oder jene Regierung gegen ihre eigene Bevölkerung agierte, und wie hoch der Westen Menschenrechte halte, im Oktober 2024 schockierte, war die Tatsache, dass die Haftbefehle gegen die Verantwortlichen in Israel auch Monate nach der Antragstellung noch nicht ausgestellt waren. Nicht nur der globale Süden erkannte nun den wahren Charakter der post-kolonialen Weltordnung, auch in der eigenen Bevölkerung des Westens erodierte der Glauben an „das Gute“ im eigenen System.

Wie lange würde es wohl dauern, bis ein führendes Leitmedium in Deutschland schreibt, was die NYT erlaubt:

„War dieses grauenhafte Ergebnis für die Palästinenser und Israel es wert, den Rechtsstaat in unserer eigenen Gesellschaft zu korrumpieren? Die Biden-Harris-Regierung kann sicherlich nicht behaupten, sie hätte nicht gewusst, was sie tat. Acht amtierende US-Senatoren, 88 Mitglieder des Repräsentantenhauses, 185 Anwälte (darunter Dutzende, die in der Regierung arbeiten) und 12 Beamte (die aus Protest gegen unsere Gaza-Politik zurückgetreten sind) haben der Regierung mitgeteilt, dass die weitere Bewaffnung Israels nach US-Recht illegal sei. Im September berichtete ProPublica, wie weit die Biden-Harris-Regierung ging, um die Einhaltung der Gesetze zu umgehen, die klare Konsequenzen für Länder wie Israel vorsehen, die humanitäre Hilfe blockieren.“[60]

Aber schon die Tatsache, dass in Deutschland nicht, wie in den USA, Beamte wegen der völkermörderischen Politik ihrer Regierung zurücktraten, ließ auch im Oktober nichts derartiges erhoffen.

Erstaunlich war, dass nicht nur die einfachen Soldaten ihre Kriegsverbrechen stolz im Internet posten, sondern auch israelische Politiker im Fernsehen selbst erklärten, stolz darauf zu sein, sinngemäß einen Völkermord in Gaza durchzuführen. So wie die israelische Ministerin für soziale Gleichzeit, die ganz offiziell erklärte, indem sie längst widerlegte Gräueltaten der Hamas als Grund anführte:

„Ich bin persönlich stolz auf die Ruinen von Gaza und darauf, dass jedes Baby, auch in 80 Jahren, seinen Enkeln erzählen wird, was die Juden getan haben, als ihre Familien ermordet und vergewaltigt und ihre Zivilisten entführt wurden. Sie und Ihre Freunde können davon träumen, dass wir Ihnen erlauben, eine Regierung zu bilden, denn wenn Sie glauben, dass der Preis für das Abschlachten von Juden, die Vergewaltigung von Frauen, die Entführung von Zivilisten darin besteht, in einer ‚Regierung des Wandels‘ zu sitzen, dann träumen Sie.

Sie können weiter schreien: ‚Frieden jetzt und Wahlen jetzt‘, von Kaplan bis Gaza, lassen Sie sie hören. Wir haben eine Mission, die ich gerade abschließe. Und das Letzte, was wir Ihnen erlauben werden, ist, dass Ofer Casiff mit einer palästinensischen Flagge auf den Tempelberg geht und dass Sinwar Verteidigungsminister des palästinensischen Staates wird, wie sein Bruder Arafat, keine Taube und kein Olivenzweig, nur ein Schwert, um Sinwar den Kopf abzuschlagen, das ist, was er von uns bekommen wird.“[61]

Am 14. Oktober veröffentlich die Hamas die Anzahl der Bombardierungen von Flüchtlingszelten innerhalb des Al-Aqsa Krankenhauses, bei denen teilweise unglaubliche Videoaufnahmen von verbrennenden Menschen[62] entstanden.

„1. Mittwoch, 10. Januar 2024 2. Sonntag, 13. März 2024 3. Montag, 22. Juli 2024 4. Sonntag, 4. August 2024 5. Donnerstag, 5. September 2024 6. Montag, 27. September 2024 7. Montag, 14. Oktober 2024“[63] In der ganzen Welt konnte man lesen was passierte, nämlich dass Flüchtlingszelte innerhalb eines Krankenhauses von Israel angegriffen, und dutzende Menschen getötet und verstümmelt wurden. Nur in Deutschland. Da beschränkte man sich erst mal auf die Darstellung der israelischen Armee: „Israels Armee: Hamas-Kommandozentrale angegriffen“[64]. Wie weit wird das deutsche Establishment noch gehen, sich in der Welt lächerlich zu machen, Deutschland wieder auf die Anklagebank zu setzen?

Kurz nach dem Jahrestag des Beginns des Völkermordes in Gaza schien auch langsam die nicht deutsche westliche Presse aufzuwachen. Jedenfalls berichtete die NYT, dass das israelische Militär systematisch palästinensische Schutzschilde als menschliche Schutzschilde, und als „Spürhunde“ einsetzt[65]. Eigentlich war es schon lange im Internet berichtet worden[66], aber wie üblich dauert es Monate, bis „Qualitätsmedien“ die Nachrichten „bestätigt“ haben. Und dann dauert es noch einmal, bis auch deutsche Medien vielleicht irgendwann darüber berichten.

Die praktische Umsetzung der ethnischen Säuberung

Am 13. Oktober wurde deutlich, dass die israelische Regierung nun auch offiziell gar nicht mehr an einer Vereinbarung über eine Geiselfreilassung interessiert war, sondern nur noch die Annexion von Gaza verfolgte. Die israelische Zeitung Haaretz schreibt: „Israelische Verteidigungsbeamte: Regierung schiebt Geiselnahme-Deal beiseite, erwägt Annexion des Gazastreifens - IDF-Kommandeure im Gazastreifen sagen, die jüngste Entscheidung, im nördlichen Teil des Gazastreifens zu operieren, sei ohne angemessene Überlegung getroffen worden und ziele offenbar darauf ab, die Zivilbevölkerung in der Region zur Umsiedlung zu drängen.“

Wer in Deutschland behauptete, Israel begehe ethnische Säuberungen wurde in der Vergangenheit regelmäßig durch alle Politiker als „Antisemit“ bezeichnet. Ich wusste nicht wie es im Oktober 2024 aussah, da ich keinen Kontakt mehr zu diesen Politikern hatte, aber ich wusste, dass sich große Teile der israelischen Gesellschaft sogar damit brüsteten, dass es nicht um einen „Sieg“ gegen die Hamas ging, sondern um eine Entvölkerung des Gaza-Streifens[67]. Insofern galt auch 2024, was schon seit vielen Jahren außerhalb Deutschlands als Tatsache akzeptiert wurde, nämlich dass Israel aktiv ethnische Säuberungen betreibt.

Hunger als Vernichtungs-Waffe. Der Jahrestag des Beginns des Völkermordes in Gaza ist gerade vorbei, da stellt ein Twitter-Account folgende Zustandsbeschreibung in den Raum:

  1. Der nördliche Gazastreifen war am 13. Oktober hermetisch abgeriegelt[68]
  2. Seit dem 1. Oktober wurde keine Lebensmittel mehr in den nördlichen Gazastreifen gelassen[69]. Das bedeutet, dass auch kein sauberes Trinkwasser verfügbar war, und die Menschen verseuchtes Wasser trinken mussten, um nicht zu verdursten.
  3. In einem Artikel von Haaretz vom 27. September wird der Plan erklärt, den Gazastreifen „auszuhungern“.[70]

Ein Auszug aus dem Artikel von Meron Rapoport in +972:

„(…) Während Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant über die wahren Ziele der Operation schweigen, verkünden Finanzminister Bezalel Smotrich, Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir sowie andere Minister des rechten Lagers diese offen. Sie berufen sich dabei auf ein Programm[71], das das ‚Forum der Reservekommandeure und -kämpfer‘ unter der Führung von Generalmajor a.D. Giora Eiland erst vor wenigen Wochen vorgeschlagen hat: Alle Bewohner des nördlichen Gazastreifens sollen aufgefordert werden, innerhalb einer Woche das Gebiet zu verlassen. Anschließend soll eine vollständige Belagerung des Gebiets verhängt werden, bei der sämtliche Wasser-, Nahrungsmittel- und Treibstofflieferungen abgeschnitten werden, bis sich die Verbliebenen ergeben, [also vertreiben lassen], oder verhungern.

Auch andere prominente Israelis forderten in den letzten Monaten das Militär auf, Massenvernichtungen im Norden Gazas durchzuführen. ‚Entfernen Sie die gesamte Zivilbevölkerung aus dem Norden, und wer dort bleibt, wird rechtmäßig als Terrorist verurteilt und einem Hunger- oder Vernichtungsprozess unterzogen‘, erklärte Prof. Uzi Rabi, ein leitender Forscher an der Universität Tel Aviv, in einem Radiointerview am 15. September. Und laut einem Bericht in Ynet[72] hatten Regierungsminister bereits im August begonnen, Druck auf Netanjahu auszuüben, um den Norden Gazas von seinen Bewohnern zu ‚säubern‘.

Ein weiterer Vorschlag[73] wurde im Juli von mehreren israelischen Akademikern verfasst und trägt den Titel ‚Von einem mörderischen Regime zu einer gemäßigten Gesellschaft: Die Transformation und der Wiederaufbau Gazas nach der Hamas‘. Diesem Plan zufolge, der israelischen Entscheidungsträgern vorgelegt wurde, ist die ‚totale Niederlage‘ der Hamas eine Voraussetzung für den Beginn eines Prozesses der ‚Deradikalisierung‘ der Palästinenser in Gaza. ‚Es ist wichtig, dass die palästinensische Öffentlichkeit auch eine breite Wahrnehmung der Niederlage der Hamas hat‘, argumentierten die Autoren und fügten hinzu: ‚Die ‚Erste Hilfe‘ kann in den von der Hamas gesäuberten Gebieten beginnen.‘ Einer der Autoren des Vorschlags, Dr. Harel Chorev, ein leitender Forscher am Moshe Dayan Center, drückte seine volle Unterstützung[74] für Eilands Plan aus.

(…) Unter dem Druck der Rechten, die die Vertreibung der Bewohner von Gaza-Stadt als Gelegenheit begreift, das Gebiet vollständig dem Erdboden gleichzumachen und auf den Ruinen Siedlungen zu errichten[75], beginnt die Armee mit der von Rabi skizzierten ‚Vernichtungsphase‘.

Da die Armee behauptet, Zivilisten könnten den Norden Gazas verlassen – obwohl Soldaten willkürlich auf palästinensische Zivilisten schießen und töten, die versuchen zu fliehen – behandelt sie jeden, der in der Stadt bleibt, als Terroristen. Eine solche Strategie steht im Einklang mit dem, was Oberstleutnant A., Kommandeur der Drohnenstaffel der israelischen Luftwaffe[76], im August gegenüber Ynet [77] über die Operation zur Befreiung der Geiseln im Lager Nuseirat sagte: ‚Wer nicht floh, auch wenn er unbewaffnet war, war für uns ein Terrorist. Jeder, den wir getötet haben, hatte getötet werden sollen‘.

Gaza ist völlig zerstört, und in den Ruinen liegen die Leichen Tausender, vielleicht Zehntausender Palästinenser. Niemand kennt die genaue Zahl, denn das Gebiet ist nach wie vor ‚militärisch gesperrtes Gebiet‘. Die Operation ‚Order and Clean-up‘ war ein Erfolg. Die Armee bereitet sich, wie im Eiland-Plan vorgesehen, auf die Wiederholung ähnlicher Operationen in Khan Younis und Deir al-Balah vor. In Abstimmung mit den Feldkommandanten und offenbar ohne die Genehmigung des Generalstabs beginnt die seit Monaten in den Startlöchern[78] stehende, wiederbelebte Bewegung zur Umsiedlung Gazas mit der Gründung der ersten neuen Gemeinden in den von Palästinensern ‚gesäuberten‘ Gebieten.“

Anzeigen gegen 1000 israelische Soldaten wegen Kriegsverbrechen

Es gibt Menschen und Organisationen, die wollen nicht akzeptieren, dass man auf die scheinbar bewusst langsam arbeitenden internationale Gerichte wartet. Und so hat die Hind Rajab Foundation eigene Ermittlungen unternommen und am 08. Oktober eine Beschwerde bzw. eine Anzeige gegen 1000 israelische Soldaten wegen Kriegsverbrechen in Gaza eingereicht. In einer Presseerklärung heißt es, dass die Foundation beim IStGH Anzeige erstattet habe, und zwar gegen namentlich genannte 1000 israelische Soldaten, denen vorgeworfen wird, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord in Gaza begangen zu haben.

Diese Beschwerde, so die Pressemitteilung, sei durch über 8.000 überprüfbare Beweise gestützt– darunter Videos, Audioaufnahmen, forensische Berichte und Social-Media-Dokumente – und zeige die direkte Beteiligung der Soldaten an diesen Gräueltaten. Alle genannten Soldaten befanden sich während des Völkermordangriffs in Gaza, und die Beweise belegen ihre Beteiligung an Verstößen gegen das Völkerrecht.

„1. Überblick über die Beschwerde Die Beschwerde wird durch die bislang umfassendsten Beweise gestützt. Sie beschreibt die von IOF-Soldaten begangenen Verbrechen und belegt sie durch über 8.000 Dokumente, darunter Videoaufnahmen, Audioaufnahmen und Social-Media-Posts. Diese sorgfältig gesammelten Beweise belegen das Ausmaß ihrer Beteiligung an Verstößen gegen das Völkerrecht, darunter:

  • Zerstörung ziviler Infrastruktur: Gezielte Angriffe auf Häuser, Krankenhäuser, Schulen, Märkte, Moscheen und andere zivile Infrastruktur.
  • Illegale Besetzung und Plünderung: Es wurde dokumentiert, dass Soldaten zivile Häuser besetzten, persönliche Gegenstände plünderten und besetztes Eigentum ausbeuteten.
  • Beteiligung an der Gaza-Blockade: Die Soldaten spielten eine aktive Rolle bei der Durchsetzung einer Blockade, die Zivilisten lebenswichtiger Güter wie Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung beraubte.
  • Angriffe auf Zivilisten: Audio- und Videobeweise zeigen, wie Soldaten gezielt Zivilisten angreifen, darunter medizinisches Personal und Journalisten.
  • Einsatz unmenschlicher Kriegstaktiken: Wahllose Bombenangriffe, Hunger und die systematische Zerstörung der zivilen Infrastruktur waren Teil ihrer Aktionen.“ [79]

Unter den angezeigten Soldaten seien hochrangige Offiziere und Kommandeure, die für die Planung und Durchführung militärischer Operationen in Gaza verantwortlich sind. Was aber besonders delikat ist, dürfte die Tatsache sein, dass zahlreiche Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft betroffen sind. Darunter 12 aus Frankreich, 12 aus den Vereinigten Staaten, 4 aus Kanada, 3 aus dem Vereinigten Königreich und 2 aus den Niederlanden. Mehrere Soldaten, die in den sozialen Medien offen mit ihren Kriegsverbrechen geprahlt und Fotos und Videos ihrer Beteiligung an der Zerstörung und Besetzung palästinensischer Häuser und Grundstücke geteilt haben.“[80]

Frankreich, die USA, Kanada, Großbritannien und die Niederlande werden nun gezwungen sein, Folgeanzeigen in ihrem Land nachzukommen.

Nach der Begründung dieser Kampagne zur Erzeugung eines Wendepunktes im globalen Kampf um Gerechtigkeit in Palästina, ruft die Organisation zum Handeln auf.

„4. Aufruf zum Handeln. Die Hind Rajab Foundation fordert jedes Land, das mit den in der Beschwerde genannten Doppelstaatsbürgern in Verbindung steht, auf, diese Personen unverzüglich festzunehmen und wegen ihrer Beteiligung an Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich zu verfolgen. Wir rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, diese Beschwerde nicht nur zu unterstützen, sondern sich aktiv für die Strafverfolgung und Verhaftung der Angeklagten einzusetzen und dabei die Prinzipien des Völkerrechts und der Gerechtigkeit zu wahren. Die Hind Rajab Foundation verfolgt aktiv weitere Beschwerden auf nationaler und internationaler Ebene und ist entschlossen, im Rahmen ihres langfristigen Strebens nach Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht weitere Initiativen zu starten.“[81]

Es ist die größte und am besten dokumentierte Anzeige, welche jemals beim IStGH eingereicht wurde, und es ist ein Meilenstein auf dem Weg der Dokumentation von israelischen Kriegsverbrechen für die Nachwelt. Wenn der IStGH die Anzeige nicht aufnimmt, wird es ein anderes Tribunal tun, und dann ist dies das Ende des IStGH.

Wie geht die Invasion des Libanon weiter?

Die IDF veröffentlichte stolz die Nachricht, dass sie einen libanesischen Ort, Maroun al-Ras Ort erobert habe und dort die israelische Fahne hisste. Das wurde von vielen Qualitätsmedien verbreitet. Im Internet konnte man lesen, dass die Fahne gar nicht in dem behaupteten Gebiet aufgestellt war. Sulaiman Ahmed schreibt:

„Marun al-Ras ist ein Gebiet, in dem die Israelis erhebliche Verluste erlitten haben, die zu einer großen Zahl israelischer Todesopfer und Verletzter geführt haben. Diese Behauptung war also eindeutig Propaganda. Tatsächlich wurde die Flagge in einem öffentlichen Park nahe der Grenze gehisst, nicht in der Stadt selbst, und sie taten dies, während sie sich hinter der von UNIFIL geschützten Barriere versteckten. Israelischen Streitkräften ist es trotz mehrerer Versuche nicht gelungen, Marun al-Ras zu betreten.“[82]

Aber nach einem Dutzend weiterer Bombenangriffe würde es vielleicht dann so weit sein. Ein anderer Ort, nur wenige Meter von der Grenze wurde wohl von Israel erobert, denn ein Soldat hielt Ausweise von Bewohnern stolz in die Kamera[83]. Dagegen berichtete ein libanesischer Widerstandskämpfer „Hallo meine Feinde … es wird Zeit, Haifa City zu evakuieren“. Und machte sich über die angeblichen Siegesmeldungen im Libanon der IDF lustig[84].

Am Abend des 13. Oktober schließlich kam die Meldung, dass israelische Militärpanzer das Haupttor einer UN-Stellung zerstört haben, und die IDF mit Gewalt in das Gelände eindrang[85]. Mutig war die Tat nicht, die angeblich 15 Verletzte verursachte, weil jeder weiß, dass die UNIFIL-Soldaten nur in äußerster Notwehr von den nur leichten Waffen Gebrauch machen dürfen. Wenn die IDF die Anlage übernimmt hat sie einen strategischen Vorteil gegenüber der Hisbollah, die das nicht versucht hatte.

Yanis Varoufakis twittert als Kommentar zu den Angriffen Israels auf die UNIFIL-Soldaten: „Israel hat gerade den Preis für das Kriegsverbrechen des Jahrhunderts gewonnen: Die israelischen Streitkräfte haben Chemiewaffen gegen UN-Friedenstruppen eingesetzt!“[86] Grund für seine Aussage war ein Tweet von UNIFIL, in dem berichtet wurde, dass durch die gegen die Soldaten eingesetzten Rauchbomben die Einsatzkräfte trotz Schutzmasken Hautreizungen und Magen- Darmreizungen erlitten und ärztlich behandelt werden mussten[87].

Am 08. Oktober wurde auch bekannt, dass die israelische Armee Pläne für den Angriff des südlichen Libanons veröffentlicht hat, in der die Dörfer in einer gewissen Entfernung zur Grenze Israels als „Hisbollah-Dörfer“ bezeichnet werden, welche zu militärischen Stützpunkten der israelischen Armee werden sollten. Schon vier Tage vorher hatte die BBC berichtet:

„Im Rahmen ihrer Invasion im Südlibanon hat die israelische Armee die Menschen in einigen Dörfern zur Evakuierung aufgefordert. Die Verbliebenen sollen ihre Häuser verlassen und ‚sofort in den Bereich nördlich des Awali-Flusses‘ gehen, der etwa 50 km von der Grenze zu Israel entfernt an der Küste ins Meer mündet.“ [88]

Wir sehen das Muster von Gaza hier nun im Libanon. Menschen, egal wie alt, im Rollstuhl oder bettlägerig, sollen „gehen“, und zwar 50 km. Weil Israel ihre Häuser zerstören wird, um Militärposten Israels einzurichten. Weiter erklärt die BBC:

„(…) Vor der Eskalation des Konflikts vor fast einem Jahr lebten etwa eine Million Menschen im Südlibanon. Seit die israelischen Luftangriffe in der Region Ende September intensiviert wurden, fliehen Zehntausende nach Norden. Die Hauptroute für Zivilisten, die versuchen, den Süden zu verlassen, ist die Küstenstraße, die sich durch das ganze Land zieht – doch in den letzten Tagen wurden Gebiete entlang dieser Route von Luftangriffen getroffen.“[89]

Wie gesagt: Gleiches Muster wie Gaza. Menschen sollten fliehen und wurden dann auf der Flucht bombardiert. Das südliche Libanon stand schon lange auf der Speisekarte zionistischer Politiker und Militärs, eigentlich schon seit 1967, denn das Gebiet verfügt über viel Wasser, was für Israel ein wichtiger Grund für die Besatzung ist. Wie die bereits seit Jahren besetzten Sheeba Farmen zeigten, ist der südliche Libanon nicht nur ein Gemüsegarten für Israel, sondern auch ein Skisportzentrum und Outdoor-Vergnügen, sollte es denn mal von den lästigen Libanesen befreit worden sein, die nicht bereit sind, für Israelis gehorsam zu arbeiten.

Israel, das hatte ich schon einmal erklärt, wurde aber während der Libanon-Invasion noch einmal deutlich, ähnelt immer mehr den früheren untergegangenen Apartheidsystemen. Ich habe in den letzten Monaten des Öfteren mit Südafrikanern gesprochen, die hier in Namibia leben oder eine Ferienwohnung haben. Sie erinnern sich, wie Südafrika unter der Apartheid-Regierung in endlose Kriege in Namibia, Angola, Mosambik, Rhodesien verwickelt wurde. Allerdings gab es damals die Sowjetunion, es gab das hilfreiche Kuba, welches den Befreiungsorganisationen entscheidend mit Waffen und Soldaten zur Hilfe kam. In Israel und um Israel herum muss der Widerstand mit der Unterstützung des Irans auskommen.

Der Nahostkenner Elijah J. Magnier glaubte, dass der Krieg im Libanon noch gar nicht richtig begonnen hatte. Er schrieb am 8. Oktober:

„Objektiv betrachtet wird #Israel besiegt werden, weil es immer noch aus der Ermordung von Sayyed Nasrallah, den über 20 von 350 Kommandeuren, den Sabotageaktionen und der Zerstörung einer großen Zahl von Raketen, die ÜBER DEM BODEN gelagert waren, Kapital schlägt. Israel wird nun den Besitzern des Landes gegenüberstehen und sollte in den Südlibanon einmarschieren dürfen, damit den Invasoren Schmerzen zugefügt werden können, zusätzlich zu den Angriffen auf die Heimatfront. … Dies ist der Beginn des Krieges und diejenigen, die glauben, dass #Hisbollah besiegt und ihre Gemeinschaft schwach ist, weil sie innerhalb des Landes vertrieben wurden, sollten sich auf das Ende des Krieges und die Niederlage Israels gefasst machen... und auf Ihre.“[90]

Israelische Soldaten, die den Libanon angreifen lebten gefährlicher als die Piloten, welche Bomben über zivilen Städten abwerfen. Das musste ein Berater des rechtsradikalen israelischen Politikers und Ministers Bezalel Smotrich am 09. Oktober feststellen. Bei einem Truppenbesuch kurz hinter der Grenze wurde er bei einem Angriff der Hisbollah verwundet[91]. Natürlich wollte die Hisbollah Angst und Schrecken unter den israelischen Invasionstruppen verbreiten. Einige Analysten behaupten, sie hätten sich zum Ziel gesetzt, die Invasion noch schneller zu beenden als die letzte israelische Invasion. Allerdings führte sie, wie üblich, zu großen Zerstörungen und zu ca. 1500 Toten auf libanesischer Seite, die meisten wie üblich unter Zivilisten.

Am gleichen Tag sollte die Hisbollah eine Rakete in Richtung der Ölplattformen Israels abgefeuert haben, als Warnung, was folgen könnte, wenn Israel seine große angekündigte Invasion des Libanon wahr machen sollte[92]. Allerdings sollten bereits 15000 israelische Soldaten in den Libanon eingedrungen sein, weshalb es seltsam klang, dass die Hisbollah noch vor einer Invasion „warnt“. Welchen Angaben sollte man glauben?[93]. Jedenfalls war der 09. Oktober schon der 19. Tag der „Invasion“, ohne dass sich erhebliche Geländegewinne Israels, die als gesichert gelten können, nachweisen lassen. Arabische Medien berichten von heftigen Kämpfen, wo auch immer israelische Soldaten auftauchen, ohne dass eindeutige „Sieger“ festzustellen sind[94]. Der Nebel des Krieges im Oktober war noch undurchdringlich.

Auch am 09. Oktober behauptete die Armee, dass sie 500 „militärische Infrastrukturteile“, mit anderen Worten Wohnhäuser, vernichtet, Untergrundstrukturen zerstört und „zahlreiche Saboteure“, vermutlich Zivilisten, die in ihren Häusern bleiben wollten, „eliminiert“ hatten[95]. Die Interpretation basiert auf den Erfahrungen von Gaza, und da die Politiker androhten, den Libanon wie Gaza zu behandeln, liegt sie nahe. Derweil spielten die USA weiter das Spiel „guter Cop – böser Cop“ und forderten Israel auf, keine Militäraktion wie in Gaza durchzuführen[96].

Aber am 10. Oktober ging es los. Die Zeitung Haaretz zeigte Drohnenflugaufnahmen, welche demonstrieren sollten, dass die Dörfer Yaroun und Maroun al-Ras im Südlibanon nun tatsächlich so aussehen wie Gaza[97]. Die Zerstörungsmaschine Israels ging also ungebremst weiter, allerdings ohne in der Lage zu sein, die vollkommen zerstörten Dörfer wirklich mit Bodentruppen besetzen zu können. Die Hisbollah wurde anscheinend durch solche Flächenbombardements nicht getroffen, sondern ausschließlich die Zivilbevölkerung. Was aber seit Gaza bekanntes Ziel Israels war, da es „keine unschuldige Zivilbevölkerung“ gebe.

Yaroun im Südlibanon existiert seit über 400 Jahren und bot Heimat für Muslime und Christen, die friedlich zusammen lebten. Dann war es nur noch eine Steinwüste[98]. Dass die Drohnenaufnahme nur Zerstörung, aber keine israelische Fahne zeigte, könnte vielleicht daran liegen, dass, wie Al Jazeera berichtete, die Hisbollah eine komplette motorisierte Kompanie zerstört hatte. Angeblich wurden 12 Fahrzeuge und ein LKW östlich des Lagers von Jabalia überfallen, mit Sprengmitteln zerstört, während die Soldaten im Nahkampf überwältigt wurden[99].

Panzerbeschuss von UN-Einheiten

Am 11. Oktober berichtete die Seite German-Foreign-Policy, dass ein, auch von der Bundeswehr benutztes UNIFIL-Hauptquartier von israelischen Panzern beschossen wurde. Vorher hatten israelische Invasionstruppen Blauhelme als menschliche Schutzschilde gegen Angriffe der Hisbollah benutzt. Und, so der Bericht weiter, Israelische Truppen töteten auch weiter gezielt medizinisches Personal[100].

Der Bericht enthält Einzelheiten, wie israelische Truppen sich auf strategisch wichtigen Punkten direkt neben Blauhelmen setzten, was verhinderte, dass die Hisbollah diese Basen angriff. Ebenso wurden Einzelheiten über den Panzerbeschuss erklärt:

„Am gestrigen Donnerstag gingen die israelischen Streitkräfte noch einen Schritt weiter und griffen Einheiten und das Hauptquartier der UNIFIL unmittelbar an. Wie die Blauhelmtruppe in einer offiziellen Stellungnahme mitteilt, hatten israelische Soldaten bereits am Mittwoch einen Sendemast und Überwachungskameras zweier UN-Posten mit gezielten Schüssen zerstört.[101] Am Donnerstag attackierten sie zum einen den UN-Posten 1-31, feuerten auf eine Tür eines Bunkers, in dem Blauhelmsoldaten Zuflucht gesucht hatten, und beschädigten Fahrzeuge sowie Kommunikationsgerät. Zudem operierten sie mit einer Drohne über der Bunkertür. Darüber hinaus beschossen israelische Soldaten mit einem Merkava-Panzer einen Beobachtungsturm am UNIFIL-Hauptquartier in Naqoura, einem libanesischen Küstendorf nur wenige Kilometer nördlich der Grenze zu Israel. Laut UNIFIL-Angaben kollabierte der Beobachtungsturm; bei dem Angriff wurden zwei Blauhelmsoldaten verletzt und mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. In einer Stellungnahme erinnerte die UNIFIL daran, sie sei mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats ausgestattet; ‚jeder mutwille Angriff auf Peacekeeping-Soldaten‘ sei ‚ein schwerer Verstoß‘ gegen ‚das humanitäre Völkerrecht‘.[102][103]

Trotzdem, so der Bericht weiter, halte Deutschland an der Unterstützung der israelischen Kriegspolitik fest. „Bei der Bundeswehr heißt es, die Kooperation mit den israelischen Streitkräften, die Verantwortung für die Zerstörungen, mutmaßliche Kriegsverbrechen und den Beschuss von UN-Blauhelmen tragen, sei ‚unglaublich eng‘[104][105]

Was tut die libanesische Armee?

Die libanesische Armee ist nicht nur unterwandert von Israel-Spionen, sondern ihr wurde von den Großmächten verboten, effektive Waffen anzuschaffen. So verkauften die USA drei gebrauchte Cessnas an den Libanon, während Israel 75 Stück F35 Jets, die neuesten und modernsten der Militärflugzeuge der Welt, sagt man, erhielt[106]. Als Russland dem Libanon Luftabwehr anbot, damit der Libanon seinen Luftraum verteidigen kann, aus dem Israel immer wieder Syrien bombardiert, warnten Israel und die westlichen Großmächte eindringlich davor, drohten mit Sanktionen und Bombardierungen.

Am 11. Oktober schlug die Organisation Ärzte ohne Grenzen im Libanon Alarm. Aufgrund der schweren israelischen Angriffe können deren Mediziner die betroffenen Gebiete nicht erreichen, nicht zuletzt, weil Israel die Zufahrtswege bewusst zerstört. Dabei wird medizinische Versorgung durch unzählige Verletzte und Verstümmelte an den Orten der israelischen Anschlägen dringend benötigt[107].

Hisbollah bereit für Rückzug aus Süd-Libanon?

Völlig überraschend berichtete die israelische Zeitung Haaretz, dass der libanesische Übergangspremier Najib Mikati erklärt habe, die Hisbollah sei einverstanden, die Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates umzusetzen, und der Libanon werde den UN-Sicherheitsrat um eine Resolution bitten, die einen Waffenstillstand mit Israel fordert[108]. Eigentlich kann das nur ein Schachzug der Hisbollah sein, um deutlich zu machen, dass Israel kein Interesse an einem Waffenstillstand hat. Denn Israel hatte am 30. September durch den Außenminister des Landes erklärt, dass es im Libanon keinen Waffenstillstand gebe, bis die Hisbollah aufgelöst sei[109].

Allerdings hatte die Hisbollah schon am 6. Oktober erklärt, dass sie einen Waffenstillstand nicht mehr von einem solchen für Gaza abhängig machen würde[110]. Was als Zeichen der Schwäche gedeutet werden konnte. Aber nur einen Bürgerkrieg im Libanon vermeiden sollte.

Die Resolution 1701 stammt aus dem Jahr 2006 und beendete den Invasionsversuch Israels gegen den Libanon. Im Prinzip hatte die offizielle Regierung von der Niederlage der israelischen Truppen profitiert, aber dann mit Israel einen Deal abgeschlossen. Demnach sollte die offizielle libanesische Armee in den Süden des Landes ziehen, aus dem sich Israel zurückzieht, und die Hisbollah den Südlibanon verlassen. Wobei die offizielle libanesische Armee kein wirklicher Gegner der IDF ist, sondern eher als Verbündeter denn als Gegner angesehen werden kann. So erklärt sich auch, dass die Hisbollah in der Präambel der Resolution im Prinzip für den Krieg verantwortlich gemacht wurde, und der Libanon, unter dem Eindruck unendlichen Leids der Zivilbevölkerung, im Prinzip eine Kapitulation vereinbarte.

Die einzelnen Punkte besagen:

  1. Sofortiger Waffenstillstand …
  2. Libanon soll UNO-Streitkräfte und eigene Armee in Süden senden, sobald Waffenstillstand eingehalten wird, und mit Beginn dieser Stationierung alle Streitkräfte aus dem Süden Libanons abzuziehen. Da die libanesische Armee keinerlei Maßnahmen gegen Angriffe Israels unternimmt, ist dies eine Entblößung der Grenze und Unterwerfung unter die Willkür Israels.
  3. Betont die Bedeutung der Ausweitung der Kontrolle der Regierung Libanons auf das gesamte libanesische Territorium gemäß den Bestimmungen der Resolutionen 1559 (2004) und 1680 (2006) sowie den einschlägigen Bestimmungen der Abkommen von Taif, damit sie ihre volle Souveränität ausüben kann, sodass es keine Waffen ohne die Zustimmung der Regierung Libanons und keine andere Autorität als die der Regierung Libanons geben wird; bedeutet, dass Hisbollah-Waffen illegal sind.
  4. Bekräftigt seine nachdrückliche Unterstützung für die uneingeschränkte Achtung der Blauen Linie; die von Israel nicht nur durch Artillerie- und Luftangriffe ständig verletzt wird, ebenso wie durch die Hisbollah. Allerdings zeigen die von der BBC erhobenen Daten eine drastische Überzahl der Verletzungen durch Israel. Die UNIFIL hatte seit Oktober bis Juni 11000 Übergriffe aus Israel, und 2500 Verletzungen aus dem Libanon registriert.
  5. Bekräftigt außerdem seine nachdrückliche Unterstützung, wie in allen seinen früheren einschlägigen Resolutionen betont, für die territoriale Integrität, Souveränität und politische Unabhängigkeit des Libanon innerhalb seiner international anerkannten Grenzen, wie im israelisch-libanesischen Allgemeinen Waffenstillstandsabkommen vom 23. März 1949 vorgesehen; was sowohl von Saudi Arabien, das einen Regierungschef des Libanon auch schon mal in Hausarrest nahm, als auch von Israel, das den libanesischen Luftraum als den eigenen betrachtet, wohl eher belächelt wird.
  6. Fordert die internationale Gemeinschaft auf, unverzüglich Schritte zu unternehmen, um ihre finanzielle und humanitäre Hilfe für das libanesische Volk auszuweiten, unter anderem durch die Erleichterung der sicheren Rückkehr von Vertriebenen und, unter der Autorität der libanesischen Regierung, die Wiedereröffnung von Flughäfen und Häfen im Einklang mit den Ziffern 14 und 15, und fordert sie außerdem auf, in Zukunft weitere Hilfe in Betracht zu ziehen, um zum Wiederaufbau und zur Entwicklung des Libanon beizutragen; d.h. Steuergelder der Schutzmächte Israels für Wiederaufbau der Zerstörungen durch Israel.
  7. Bekräftigt, dass alle Parteien dafür verantwortlich sind, sicherzustellen, dass keine Maßnahmen ergriffen werden, die im Widerspruch zu Absatz 1 (also Waffenstillstand) stehen und die Suche nach einer langfristigen Lösung, den humanitären Zugang zur Zivilbevölkerung, einschließlich der sicheren Durchreise für humanitäre Konvois, oder die freiwillige und sichere Rückkehr der Vertriebenen beeinträchtigen könnten, und fordert alle Parteien auf, dieser Verantwortung nachzukommen und mit dem Sicherheitsrat zusammenzuarbeiten.
  8. Fordert Israel und Libanon auf, einen dauerhaften Waffenstillstand und eine langfristige Lösung zu unterstützen, die auf den folgenden Grundsätzen und Elementen beruht:

– uneingeschränkte Achtung der Blauen Linie durch beide Parteien; was außer Acht lässt, dass Israel nach Belieben im ganzen Libanon bombt.

– Sicherheitsvorkehrungen, um eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zu verhindern, einschließlich der Einrichtung eines Gebiets zwischen der Blauen Linie und dem Litani-Fluss, das frei ist von jeglichem bewaffneten Personal, Vermögen und Waffen mit Ausnahme derer der Regierung Libanons und von UNIFIL, wie in Ziffer 11 genehmigt, die in diesem Gebiet stationiert sind; was einer Demilitarisierung gleich kommt, aber nur auf Seite des Libanons.

– vollständige Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen der Abkommen von Taif und der Resolutionen 1559 (2004) und 1680 (2006), die die Entwaffnung aller bewaffneten Gruppen in Libanon vorschreiben, so dass es gemäß dem Beschluss des libanesischen Kabinetts vom 27. Juli 2006 in Libanon keine anderen Waffen oder Autoritäten als die des libanesischen Staates geben wird;

– keine ausländischen Streitkräfte im Libanon ohne Zustimmung der libanesischen Regierung;

– keine Verkäufe oder Lieferungen von Waffen und zugehörigem Material an den Libanon, außer mit Genehmigung der libanesischen Regierung;

– Bereitstellung aller verbleibenden Karten von Landminen im Libanon, die sich noch im Besitz Israels befinden, an die Vereinten Nationen;

  1. fordert den Generalsekretär auf, die Bemühungen zu unterstützen, so bald wie möglich eine grundsätzliche Einigung der libanesischen und der israelischen Regierung über die in Absatz 8 dargelegten Grundsätze und Elemente für eine langfristige Lösung zu erzielen, und bekundet seine Absicht, sich aktiv daran zu beteiligen;
  2. Ersucht den Generalsekretär, in Abstimmung mit den maßgeblichen internationalen Akteuren und den betroffenen Parteien Vorschläge zur Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen der Abkommen von Taif sowie der Resolutionen 1559 (2004) und 1680 (2006), darunter zur Abrüstung, und zur Festlegung der internationalen Grenzen Libanons auszuarbeiten, insbesondere in den Gebieten, in denen die Grenze umstritten oder unsicher ist, einschließlich der Behandlung des Gebiets der Schebaa-Farmen, und diese Vorschläge dem Sicherheitsrat innerhalb von dreißig Tagen vorzulegen;
Hier kommt der wichtigste Punkt: Weder der Sicherheitsrat hat seine Verpflichtungen aus dieser Resolution erfüllt und seit 2006 nicht erreicht, dass die Besatzung der Scheeba-Farmen durch Israel aufgegeben wird, noch hat Israel irgendwelche Intentionen, das Gebiet jemals wieder seinem rechtmäßigen Besitzer zurück zu geben.
  1. Beschließt, zur Ergänzung und Verstärkung der Truppe hinsichtlich Anzahl, Ausrüstung, Mandat und Einsatzumfang eine Aufstockung der Truppenstärke der UNIFIL auf höchstens 15.000 Soldaten zu genehmigen und zu genehmigen, dass die Truppe zusätzlich zur Erfüllung ihres Mandats gemäß den Resolutionen 425 und 426 (1978) folgende Aufgaben erfüllen soll:

(a) die Einstellung der Feindseligkeiten überwachen; (b) Begleitung und Unterstützung der libanesischen Streitkräfte bei ihrem Einsatz im gesamten Süden, einschließlich entlang der Blauen Linie, während Israel seine Streitkräfte gemäß Absatz 2 aus dem Libanon abzieht;

(c) Koordinierung der Aktivitäten im Zusammenhang mit Absatz 11 (b) mit der Regierung des Libanon und der Regierung Israels;

(d) Ausweitung der Unterstützung, um humanitären Zugang zur Zivilbevölkerung und die freiwillige und sichere Rückkehr der Vertriebenen sicherzustellen;

(e) Unterstützung der libanesischen Streitkräfte bei der Ergreifung von Schritten zur Errichtung des in Absatz 8 genannten Gebiets;

(f) Unterstützung der libanesischen Regierung auf deren Ersuchen bei der Umsetzung von Absatz 14;

  1. In Unterstützung eines Ersuchens der libanesischen Regierung um die Entsendung einer internationalen Truppe zur Unterstützung bei der Ausübung ihrer Autorität im gesamten Hoheitsgebiet ermächtigt UNIFIL, in den Einsatzgebieten ihrer Truppen alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, soweit dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten liegt, um sicherzustellen, dass ihr Operationsgebiet S/RES/1701 (2006) 06-465034 nicht für feindliche Aktivitäten jeglicher Art genutzt wird, um Versuchen, sie mit Gewalt an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des Mandats des Sicherheitsrats zu hindern, zu widerstehen und um Personal, Einrichtungen, Anlagen und Ausrüstung der Vereinten Nationen zu schützen, die Sicherheit und Bewegungsfreiheit des Personals der Vereinten Nationen und der humanitären Helfer zu gewährleisten und, unbeschadet der Verantwortung der libanesischen Regierung, Zivilisten zu schützen, die unmittelbar von körperlicher Gewalt bedroht sind;
  2. Ersucht den Generalsekretär dringend, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass UNIFIL die in dieser Resolution vorgesehenen Aufgaben erfüllen kann, fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, angemessene Beiträge zu UNIFIL zu erwägen und auf Unterstützungsersuchen der Truppe positiv zu reagieren, und spricht denjenigen seinen großen Dank aus, die in der Vergangenheit zu UNIFIL beigetragen haben;
  3. Fordert die libanesische Regierung auf, ihre Grenzen und andere Einreisepunkte zu sichern, um das Eindringen von Waffen oder entsprechendem Material in den Libanon ohne ihre Zustimmung zu verhindern, und ersucht UNIFIL, wie in Ziffer 11 ermächtigt, der libanesischen Regierung auf deren Ersuchen zu helfen;
  4. Beschließt ferner, dass alle Staaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen werden, um Folgendes zu verhindern:

(a) den Verkauf oder die Lieferung von Waffen und dazugehörigem Material aller Art, einschließlich Waffen und Munition, Militärfahrzeugen und -ausrüstung, paramilitärischer Ausrüstung und Ersatzteilen hierfür, unabhängig davon, ob diese aus ihrem Hoheitsgebiet stammen oder nicht, an Einrichtungen oder Einzelpersonen im Libanon;

und

(b) die Bereitstellung von technischer Ausbildung oder Unterstützung im Zusammenhang mit der Bereitstellung, Herstellung, Wartung oder Verwendung der in Unterabsatz (a) oben aufgeführten Gegenstände an Einrichtungen oder Einzelpersonen im Libanon; wobei diese Verbote jedoch nicht für Waffen, dazugehöriges Material, Ausbildung oder Unterstützung gelten, die von der libanesischen Regierung oder von UNIFIL gemäß Absatz 11 genehmigt wurden;

  1. beschließt, mit der Angelegenheit weiterhin aktiv befasst zu bleiben. Was seit 2006 zu keinem Ergebnis führte, außer dass Israel den libanesischen Luftraum beliebig verletzt, für Angriff auf andere Länder benutzt, und überall im Land Bomben abwirft, weil da immer „Hisbollah oder Iran“ ist.

Seit 2006 hat sich im Sicherheitsrat eine Gewichtsverschiebung, wenn auch nicht entscheidend, ergeben. Die USA haben zwar die Möglichkeit, ein Veto auszusprechen, aber es gibt innerhalb Frankreichs ebenso wie in Großbritannien Druck auf die Regierungen, den Völkermord Israels nicht weiter zu unterstützen. In den USA haben Umfragen gezeigt, dass die jungen jüdischen Menschen inzwischen mehrheitlich gegen das israelische Apartheid-System eingestellt sind, so dass die US-Regierung durchaus auch unter Druck steht.

Es ist jedenfalls deutlich zu sehen, dass Israel zwar auf UN-Resolutionen pocht, wenn es der eigenen Politik dient, selbst aber alle Resolutionen und Urteile von Gerichten komplett ablehnt. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Initiative der libanesischen Regierung auswirken wird. Sollten die Verluste Israels im Süden des Libanon doch so eklatant sein, wie von der Hisbollah behauptet, gibt es vielleicht doch die Chance eines Waffenstillstandes und eines Rückzuges der IDF aus dem Libanon. Dann wäre der Waffenstillstand unter Berufung auf Resolution 1701 wieder einmal eine gesichtswahrende Möglichkeit, den Invasionsversuch abzubrechen. Und später könnte man dann wieder darauf verweisen, dass der Libanon ja seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen war, um den nächsten Invasionsversucht zu rechtfertigen.

Hisbollahs politischer Einfluss

Das politische System in Libanon wurde durch die Kolonialmächte so eingerichtet, dass im Parlament und in der Regierung alle religiösen Gruppen vertreten sind, ohne Berücksichtigung von Wählerstimmen. Man hatte das zur „Befriedung“ eines durch „teile und herrsche“ erzeugten Krieges als Lösung angeboten, in Wirklichkeit aber waren zwei Gründe dafür maßgeblich: 1. Wurden korrupte Familienclans geschützt und 2. Wurde „teile und herrsche“ durch diese religiöse Trennung aufrecht erhalten. Was ermöglichte, jederzeit die Karte der gegenseitigen Animositäten wieder aufzuwärmen.

Wenn man im Oktober 2024 einige Kommentare zum Libanon las, schienen vielen Leuten nicht klar zu sein, dass die Hisbollah in erster Linie eine politische Partei ist (die auch einen paramilitärischen Flügel hat). Und sie war nicht irgendeine Partei. Gemeinsam mit verbündeten Parteien erhielt sie bei den letzten Parlamentswahlen 40% der Stimmen[111]. In einem demokratischen System hätte sie eindeutig den Regierungsauftrag erhalten.

Wenn Israel und die USA, aber auch Deutschland den Libanesen sagen, sie sollten die Hisbollah loswerden, sonst würde das Land zerstört, oder wie aus Israel explizit zu hören ist, sonst würde aus dem Libanon ein zweites Gaza werden, ist das vergleichbar damit, wenn Russland den Deutschen (nachdem sie einen der wichtigsten Politiker des Landes, zusammen mit 200 Zivilisten totgebombt hat,) sagen würde: „Schafft die Parteien der Ampel ab, sonst werden wir euch wie die Ukraine bombardieren“. In deutschen Medien wird es jedoch als „fairer Appell“ Israels dargestellt, so was anzudrohen. Und vielleicht schaffen es Israel und die Kolonialmächte ja sogar, wieder einen Bürgerkrieg im Libanon auszulösen.

Und warum tut Israel das? Nicht, weil die Hisbollah in ihren Augen „Terroristen“ sind, wie es allzu oft behauptet wird, sondern weil die Hisbollah, in den Worten israelischer Offizieller selbst, „keine diplomatische Lösung zur Beendigung der Kämpfe an der israelisch-libanesischen Grenze akzeptieren würde, die nicht an ein Ende des Krieges in Gaza geknüpft wäre“[112]. Was aber inzwischen längst überholt schien, da die Hisbollah dieses Junktim, wie weiter oben beschrieben, angeblich zurückgezogen hat.

Nun wurde Anfang Oktober auch klar, warum die Hisbollah die Bedingung eines Waffenstillstandes in Gaza zurück gezogen haben soll. Nicht weil sie die Palästinenser im Stich ließ, sondern um einen Bürgerkrieg im Libanon zu verhindern, der durch „teile und herrsche“ ausgelöst werden könnte. Später sollte dann, nach der Ermordung einer Reihe von Hisbollah Führern, erklärt werden, dass dieses Junktim zwischen Gaza und einem Waffenstillstand im Libanon doch noch bestehe.

Am 12. Oktober wurde bekannt, dass der iranische Parlamentssprecher die Orte der Anschläge Israels in Beirut besuchte, um den Opfern Trost und Hilfezusagen zu bringen[113]. Es war erstaunlich, dass ein so hochrangiger iranischer Politiker den Mut hatte, einen Ort zu besuchen, über den Israel die absolute Lufthoheit besitzt und ständig Bombenanschläge ausführt, um „iranische Ziele“ zu treffen.

Am 12. Oktober hört man die neuesten „Errungenschaften“ Israels im Krieg gegen den Libanon. „Die Besatzungstruppen nutzen fahrende gepanzerte Roboter in der Größe von PKW, gefüllt mit Sprengstoff[114]. Diese werden mitten in Wohngebieten des Jabalia Flüchtlingslagers platziert, wo sie alle zur gleichen Zeit explodierten und riesige Verwüstungen anrichteten. Auf diese Weise seien bereits 3 Wohnblocks in dem Lager zerstört worden[115]. Wie Gaza ist das Ziel, das Land für die ursprünglichen Bewohner unbewohnbar zu machen, eine ethnische Säuberung durchzuführen. In Gaza war das durchschaut worden, weshalb es zu dem Völkermord kam, im Libanon noch nicht.

Wie in Gaza verbreiten die israelischen Soldaten selbst Beweise für ihre Kriegsverbrechen, in dem vollen Glauben, dass sie niemals jemand zur Rechenschaft ziehen kann. Hier ein Video, wie sie in ein Privathaus eindringen und Dinge aus Spaß zerstören[116].

Es ist kein Religionskrieg

Immer wieder wird ja auch behauptet, dass Israel einen Krieg gegen den radikalen Islam führe, um die eigene Vernichtung zu verhindern. Das bekannte „Israel verteidigt sich nur“ und verteidige den gesamten Wertewesten. Letzteres ist gar nicht so falsch, wenn man „Wertewesten“ als koloniale Eroberer erkennt. Aber die Verwüstung von christlichen Gemeinden wie muslimischen Gemeinden, welche einem Großisrael im Wege stehen, demonstriert, dass es keineswegs ein Konflikt von Religionen ist. So wie am 10. Oktober eine libanesische Kirche zerstört wurde[117].

Ein weiterer Beweis dafür, dass der Amoklauf Israels in Gaza kein Religionskrieg ist, geht auch aus der Aussage eines US-Präsidenten hervor. Der hatte erklärt, er sei Zionist, und dafür müsse man kein Jude sein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass inzwischen mehr als die Hälfte derjenigen, welche sich als Zionisten definieren oder verhalten wie Zionisten, keine Juden sind.

Am 12. Oktober wurde verbreitet, wie Israel gigantische thermobarische Bomben, Aerosolbomben, Vakuumbomben, oder wie man sie nennen mag, über dem Südlibanon abwirft. Bomben, die ALLES Leben in einem riesigen Umkreis auslöschen[118]. Vermutlich eine der „weiteren Überraschungen“, welche israelische Regierungspolitiker nach den Attentaten mit Sprengfallen in Alltagsgegenständen lächelnd ankündigten. Die Auswirkungen sind vergleichbar mit einer kleinen taktischen Atombombe, weshalb auch im Internet Behauptungen kursierten, es sei eine gewesen[119]. Wenn Russland sie einsetzt, wird von „Massenvernichtungswaffen mit verheerender Wirkung“ geschrieben[120].

Die Titel von westlichen Nachrichten suchen immer verzweifelter nach Texten, mit denen man vom eigentlichen Gräuel der israelischen Taten ablenken kann. So wird die Bombardierung eines Krankenhauses getitelt mit „9 Tote durch israelischen Luftschlag auf ein mit der Hisbollah verbundenen Gesundheitszentrum“[121]. Manche Dörfer im Libanon haben keine andere Gesundheitsversorgung, als die, welche die Hisbollah kostenlos bietet.

Es wird immer deutlicher, dass die IDF, aus Angst vor einer direkten Konfrontation mit der leichten Infanterie der Hisbollah, eine Politik der Verbrannten Erde im Süden des Libanon verfolgt. Und nur in Gebiete vordringt, in denen jedes Leben ausgelöscht, jedes Gebäude zerstört wurde. Wo sie das nicht tun, wie im Flüchtlingslager Jabaliyah, in das sich viele Palästinenser 1967 geflüchtet hatten, schneiden Sie jede Versorgung von Lebensmittel, Wasser, Gesundheitsversorgung für die dort lebenden Menschen ab, hungern sie aus, verhindern, dass Krankenhäuser Generatoren für Strom Erzeugung betreiben um Operationen durchzuführen, indem jede Lieferung von Kraftstoff für Generatoren unterbunden wird. Und auf jeden, der sich bewegt, wird aus der Distanz geschossen. Menschen verbluten in den Straßen, ohne dass ihnen zur Hilfe geeilt werden kann, weil auf die Ersthelfer geschossen wird[122]. Im Süden Libanons mussten schon auf Grund von Bombenanschlägen der IDF die Hälfte der medizinischen Einrichtungen geschlossen werden. Und immer mehr Mitarbeiter der UNO oder von Hilfsorganisationen werden von der IDF gezielt getötet. Israel selbst erklärt, Krankenwagen anzugreifen, weil diese „Hisbollah“ seien.

Am 13. Oktober las man von Elijah Magnier, dass sich die Hisbollah angeblich oder wahrscheinlich vom ersten Schlag erholt habe. Obwohl durch die Angriffe Israels 80% der ersten Kommandolinie, der zentrale Operationsraum und der Generalssekretär beseitigt worden waren. Es waren sicher heftige Schläge, die keine Armee der Welt so einfach wegstecken würde. Man stelle sich vor, Russland hätte gezielt Kiews Verteidigungsministerium, die Regierungsführung und einen großen Teil der Generalität „ausgeschaltet“, hätte geächtete Sprengfallen in Kommunikationsgeräte eingebaut und ausgelöst, und dann einen Angriffskrieg begonnen. Und trotzdem, so Magnier weiter, habe die Hisbollah die Kontrolle zurückgewonnen, ihre Positionen wieder aufgefüllt, ihre Logistik sei in Topform, und sie habe vier Divisionen Israels daran gehindert, tiefer in den Libanon einzumarschieren, während sie gleichzeitig die Vertriebenen aufnahm. Sie habe die Quelle des Lecks entdeckt und sie drohe, Siedler in weiteren Regionen Israels und des besetzten Palästinas durch Raketenangriffe zu vertreiben. Mit jedem Tag, der vergehe, zeige die Hisbollah, dass sie ihre Professionalität bei der Führung des Krieges und beim Ergreifen der Initiative wiedererlangt habe[123].

War es Wunschdenken von einem Sympathisanten? Netanjahu jedenfalls „befahl“ am 13. Oktober den UNO-Truppen der Unifil aus Irland, Italien und Ghana, sich 5 km von der Grenze zurück zu ziehen, damit er nicht nur punktuell, sondern flächendeckend dort bombardieren kann, bevor seine wertvollen Soldaten in die Ruinen einmarschieren. Dummerweise sind die Unifil Truppen dort stationiert, um genau das zu verhindern. Zumindest Irland erklärte, der Aufforderung nicht Folge zu leisten[124]. In UNO-Resolutionen, in Forderungen Israels und in vielen Artikeln ist immer wieder der Rückzug der Hisbollah hinter den Fluss Litani die Rede. Das ist das erste Stück, welches sich Israel vom Libanon einverleiben will, wobei das kostbare Wasser des Flusses eine große Rolle spielt.

Zumindest die Flüchtlingssiedlung Jabalia sah am 13. Oktober bereits zum großen Teil aus wie Gaza. Israel hatte Menschen mit Panzern umzingelt und feuerte Geschütze auf Gebäude und Ruinen, Quadcopter verfolgen fliehende Menschen und schossen auf sie[125]. Leichen lagen auf den Straßen wie in Gaza, drei Krankenstationen wurden von Israel gezwungen, die Kranken zu evakuieren[126]. Aber wohin? Hier fühlte sich die israelische Armee stark.

Und natürlich hat Israel die absolute Lufthoheit, denn dem Libanon war nicht erlaubt worden, effektive Luftabwehr anzuschaffen, wie bereits früher erklärt. Und so schießt die Luftwaffe dann eben auch auf private Fahrzeuge, wie hier in der Nähe von Ali al-Nahri in der Beqaa Retion im Osten des Libanon[127]. Eine Region die als Hochburg der Hisbollah gilt, weshalb dort natürlich jedes Fahrzeug ein „Hisbollah“-Terroristen-Fahrzeug ist.

Aber der Krieg wurde verlustreich für Israel. Wenn sich eine Konzentration von Soldaten Israels zeigt, musste die Armee damit rechnen, dass die Hisbollah mit Raketen zuschlägt[128]. Auf diese Weise wurde in Binjamina-Giv'at Ada, südlich von Haifa, ein Angriff auf die Golani Brigade ausgeführt, mit 40 Todesopfern, die durch TV-12 bekannt gegeben wurden. Die Zahl der verstümmelten und verwundeten, einschließlich der Toten, sollten sich auf weit über 100 beziffern[129]. Offensichtlich bei minimalsten „Kollateralschäden“. Dieser Angriff erfolgte weit innerhalb Israels, übertrieben, schon fast in Tel Aviv. Damit machte die Hisbollah ihre Drohung war, den Krieg diesmal nicht nur im Libanon zu führen, sondern nach Israel zu tragen. Jackson Hinkle berichtete noch am gleichen Tag, dass angeblich der israelische Chief of Staff, General Herzi Halevi unter den Todesopfern Israels war. Halevi war für die Invasion des Libanons der zuständige Kommandeur. Am nächsten Tag mehrten sich die Meldungen, dass Halevi tot sei. Angeblich soll eine mit Glasfaser gesteuerte Drohne für seine Tötung verwendet worden sein. Was bedeutete, dass der Drohnenführer nicht weit von dem Anschlag entfernt operierte, denn solche Drohnen haben eine beschränkte Reichweite. Allerdings trat er einige Tage später öffentlich auf, was die Nachricht als Falschmeldung entlarvte.

Übrigens berichtete die westliche Presse nach dem Angriff der Hisbollah auf den Militärstützpunkt nur von 4 Opfern und bezeichnete die Soldaten als „Teenager Opfer“, während die 23 Zivilisten, die meisten davon Kinder und Frauen, welche fast zur gleichen Zeit durch einen Angriff Israels auf eine Schule getötet wurden, „Personen“ oder „Leute“ genannt wurden[130]. Am Nachmittag des 14. Oktobers wurde dann der Tod von Halevi offiziell dementiert[131].

Die Hisbollah warnte die Anwohner Israels, sich von militärischen Zielen fern zu halten, und forderte die Anwohner von Haifa auf, das Gebiet zu verlassen, da sie als menschliche Schutzschilde für die IDF-Soldaten agierten. Ob es eine ironische Replik auf das Vorgehen der IDF in Gaza handelte, oder eine echte Warnung, war zunächst nicht erkennbar. In der Nacht wurde allerdings von heftigen Explosionen in Haifa berichtet[132].

Und aus dem Libanon verbreiteten IDF-Soldaten weiter ihre Kriegsverbrechen, zum Beispiel, indem sie private Häuser zerstören, sich über die Kleider von Mädchen lustig machen[133]. Aber der Vormarsch war langsam. Vier israelische Divisionen mit ca. 70.000 bis 80.000 Soldaten stehen auf der Linie einer Front von ca. 100 km. Dem stehen nach Angaben von Elijah Magnier nur 8.000 bis 12.000 Hisbollah Kämpfer gegenüber[134]. Dies bei absoluter Luftüberlegenheit Israels. Das ist ein Verhältnis von Angreifern zu Verteidigern von grob 10:1. Bei früheren Konflikten, z.B. in der Schlacht von Bint Jbeil, soll das Verhältnis 50:1 gewesen sein, und Israel wurde trotzdem zum Rückzug gezwungen. D.h. erst in den folgenden Wochen, mit dem Beginn des Vormarsches Israels, sollte sich zeigen, wie sich die Strategien und Taktiken der Gegner entwickelten, und wer die Oberhand erhalten wird.

Regimechange.

Mindestens so gefährlich wie die Invasion Israels war jedoch ein offensichtlicher Regime-Change Versuch der US-Botschaft in Beirut. Durch die Zerstörung des Regierungskonsens sollte eine Regierung eingesetzt werden, die zwar nicht verfassungsgemäß, aber US-konform ist. Die US-Botschafterin sprach mit den libanesischen Politikern über die „Post-Hisbollah“ Politik des Landes und wer welche Funktion übernehmen könnte. Sie erklärte: „Die Hisbollah ist nach den Schlägen, die sie erlitten hat, sehr geschwächt. Ihre Führer wurden dabei getroffen und ihr Generalsekretär getötet. Daher kann sie ihren Willen nicht mehr durchsetzen und bald wird im Land eine neue politische Phase eintreten, in der die Partei keinen Platz mehr hat.“ [135] Gleichzeitig wurde ein CIA-Spezialteam eingeflogen, das in gepanzerten Fahrzeugen unterwegs war, und dessen Aufgaben unklar schienen[136]. Im Widerstand wurde der Verdacht geäußert, dass sie „Spezialaufgaben“ haben, Menschen zu „überzeugen“.

Am 15. Oktober begann die Verwirrung noch größer zu werden, was und wie die Strategie der Hisbollah nun war. Haaretz berichtete in der Tageszusammenfassung am Abend nicht nur, dass Israel einen Mangel an Abfangraketen für dein Iron Dome hat. Sondern auch, dass der neue stellvertretende Chef der Hisbollah angeblich wieder ein Junktim mit einem Waffenstillstand in Gaza und einem Rückzug der Hisbollah hergestellt hatte.:

„Der stellvertretende Chef der Hisbollah sagte, die Organisation habe einen Waffenstillstand mit Israel gefordert und sich bereit erklärt, sich zehn Kilometer von der israelisch-libanesischen Grenze zurückzuziehen, verlange aber einen Waffenstillstand in Gaza und fügte hinzu, dass ‚es nicht möglich sei, den Libanon von Palästina zu trennen‘.“[137]

Die Hannibal-Direktive

Wir hatten ja schon öfter über die Hannibal-Direktive gesprochen, und in Band 1 dieser vermutlichen Trilogie über Gaza, „Kolonialismus auf Drogen“ war schon ausführlich darauf eingegangen worden. Aber nach einem Jahr, gibt es einen umfassenden Artikel, der das Thema aufgreift und aus allen Blickwinkeln betrachtet[138]. Und insbesondere wurde die Tatsache, dass ein Großteil der Opfer durch Israel verursacht wurde, nun auch durch die UN bestätigt.

Mitten in der umfangreichen Recherche findet sich eine Kurzzusammenfassung, welche uns deshalb erst mal reichen soll, da die meisten Punkte bereits in meinem vorherigen Buch angesprochen wurden. Es ist die Zusammenfassung einer Serie von Artikel zu dem Thema „7. Oktober Untersuchungen“[139]

„Wir können schlussfolgern, dass während der Al-Aqsa Flood-Offensive:

  • Israel den Einsatz seiner mörderischen „Hannibal-Direktive“ – die verhindern soll, dass Soldaten lebend als Kriegsgefangene gefangen genommen werden – ausgeweitet hat, indem es viele seiner eigenen Zivilisten tötete.
  • Der Einsatz solcher „Hannibal“-Angriffe wird in einem im Juni veröffentlichten UN-Bericht bestätigt.
  • Der Beschuss durch israelische Hubschrauber, Drohnen, Panzer und sogar Bodentruppen wurde absichtlich eingesetzt, um zu verhindern, dass palästinensische Kämpfer lebende israelische Gefangene nehmen, die gegen palästinensische Gefangene ausgetauscht werden könnten.
  • Auf Initiative der örtlichen Gaza-Division wurde „Hannibal“ sofort ausgeführt: weniger als eine Stunde nach Beginn der palästinensischen Offensive.
  • Gegen Mittag erging vom Oberkommando des israelischen Militärs (dem sogenannten „Pit“-Hauptquartier tief unter Israels Hakirya-Gebäude in der Innenstadt von Tel Aviv) ein eindeutiger Befehl, die Hannibal-Direktive in der gesamten Region anzuwenden, ‚selbst wenn dies die Gefährdung oder Schädigung des Lebens von Zivilisten in der Region bedeutet, einschließlich der Gefangenen selbst.‘
  • Diese Bombardierung israelischer Gefangener durch Israel dauert in Gaza bis heute an.
  • Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gab bei einem Treffen im Dezember mit freigelassenen Gefangenen und deren Familien zu, dass sie in Gaza ‚unter unseren Bombardierungen‘ gewesen seien.
  • Hunderte Israelis wurden wahrscheinlich von Israel selbst bei gezielten Zwischenfällen wie ‚Hannibal‘ und unbeabsichtigtem Kreuzfeuer getötet.
  • Israel vertuscht seine Verbrechen gegen das eigene Volk aggressiv.“[140]

An dieser Stelle will ich nur zwei Punkte erwähnen. Zum ersten den UN Bericht, und zum Zweiten das Thema des Raver-Festivals. Weil beide Punkte auch im Jahr 2024 noch immer nicht in den Mainstream Deutschlands aufgenommen wurden.

Die Autoren versuchten, möglichst viel der israelischen Gräuelpropaganda in den Bericht aufzunehmen. Und so enthält das Dokument eine beträchtliche Anzahl von Beweisen, welche die kritische Berichterstattung von 2023 bestätigen. Und wonach Israel selbst viele, wenn nicht die meisten Israelis an diesem Tag getötet hat. Vermutlich musste daher auch „ein Ausgleich“ durch Gräueltaten der Hamas hinzugefügt werden.

Einige der Beweise im dem Bericht verweisen auf hebräische Medien, welche über die Hannibal-Doktrin und ihre Anwendung am 7. Oktober 2023 berichteten. Aber einige der angeführten Beweise. Es wird in diesem Zusammenhange berichtet, dass

„israelische Hubschrauber auf dem Nova-Gelände anwesend waren und möglicherweise auf Ziele am Boden geschossen haben, darunter auch zivile Fahrzeuge“.

Es heißt, dass „ein oder zwei Hubschrauber“ „in den Vormittagsstunden über dem Nova-Festivalgelände anwesend waren“. Der Bericht nennt israelische Soldaten als Zeugen.

Die Anwesenheit von Kampfhubschraubern – und mindestens eines Panzers – im Kampf um das Supernova-Rave-Gelände könnte auch die hohe Zahl der zivilen Opfer unter den flüchtenden Rave-Besuchern an diesem Morgen erklären, versucht der Bericht sehr vorsichtig auszudrücken.

Und so kommen wir zu der Tanzveranstaltung, die angeblich von Militanten absichtlich angegriffen wurde.

Der Supernova-Rave.

„Supernova fand an einem Ort statt, der weniger als sechs Kilometer vom riesigen Freiluft-Gefangenenlager im Gazastreifen entfernt ist. Veranstalter war eine Eventagentur, die sich ‚Tribe of Nova‘ nennt. Die Verteidiger der Veranstaltung haben die palästinensischen Kämpfer für den Angriff auf ein ‚Friedensfestival‘ verurteilt, während die Kritiker der Veranstaltung die Veranstaltung als vergleichbar mit dem Tanz deutscher Zivilisten vor den Toren von Auschwitz während des Nazi-Holocausts bezeichneten. Die Veranstaltung wird von den westlichen Medien oft als ‚Nova-Musikfestival‘ bezeichnet, auf ihrer offiziellen Webseite nannte sie sich jedoch tatsächlich ‚Supernova Sukkot Gathering‘. Ein kürzlich erschienener Film über die Veranstaltung zeigte, dass sie eher den illegalen Raves ähnelte, die in vielen westlichen Ländern oft an geheimen Orten organisiert werden.

Supernova war nicht illegal und wurde mit der örtlichen israelischen Polizei koordiniert (die bewaffnet war und im Voraus vor Ort war, um die Veranstaltung zu bewachen). Aus nicht ganz klaren Gründen wurde der Ort der Rave jedoch erst am 6. Oktober bekannt gegeben. Teilnehmer des hochkarätigen israelischen Films "We Will Dance Again" bestätigten, dass der Veranstaltungsort der Supernova bis zur letzten Minute vor Ticketinhabern geheim gehalten wurde. Dies (und nicht etwaige Verwirrung über die Tage der Veranstaltung oder eine Verlängerung der Zeit, wie manchmal fälschlicherweise online behauptet wird) erklärt, warum die Hamas keine Ahnung von der Existenz der Rave-Party auf den Feldern zwischen Gaza und dem größten Militärstützpunkt der Region – dem regionalen Hauptquartier in Re’im – hatte.“[141]

Die Rave-Party sollte der Ort sein, an dem die meisten Menschen am 7. Oktober starben. Der UN-Bericht besagt, dass 364 der insgesamt 3.000 Raver „entweder am Veranstaltungsort, in der Nähe des Kibbuz Re’im oder an angrenzenden Orten getötet wurden“. Aber es gibt eine Analyse der israelischen Zeitung The Times of Israel, die noch besorgniserregender klingt. Und der Untersuchung zufolge, welche auf den Recherchen eines israelischen Fernsehsenders basiert, starben über 60% der Menschen AUSSERHALB des erklärten Rave-Geländes. Asa Winstanley die Autorin des erwähnten Artikels, weist darauf hin, das dies zwei Behauptungen Israels widerlegt.

„Erstens: Obwohl der Film "We Will Dance Again" versucht, ein Bild von niederträchtigen palästinensischen Terroristen zu zeichnen, die absichtlich Zivilisten angreifen, geht aus allen verfügbaren Beweisen klar hervor, dass die Rave-Party kein geplantes Ziel der Hamas-Offensive an diesem Tag war. Tatsächlich bedeutete der geheime Veranstaltungsort, dass einige palästinensische Kämpfer – vielleicht einige von bewaffneten Gruppierungen und wahrscheinlich einige bewaffnete Zivilisten – im Zuge ihres Angriffs auf die Militärbasen zufällig auf die Veranstaltung stießen. Es kam rasch zu bewaffneten Zusammenstößen mit den israelischen Streitkräften – darunter Polizei, Soldaten und mindestens einem Panzer sowie anwesenden bewaffneten israelischen ‚Zivilisten‘.“

Der israelische Geheimdienst sei zu dem Schluss gekommen, dass die Palästinenser nichts von der Rave-Party wussten.

Zweitens habe die von The Times of Israel veröffentlichte Aufschlüsselung die Todesfälle von Ravern außerhalb des Rave-Geländes in so weit entfernten Gegenden wie Sderot (17 Kilometer nördlich des Supernova-Geländes) und der Militärbasis Re’im (nur 3,7 Kilometer südlich) verortet. Die Darstellung dieser Todesorte in Google Earth und der Abgleich mit den Orten der Hinterhalte der Elite-Kommandotruppe der Hamas – wie in der Untersuchung von 7 Days beschrieben – zeigt, dass die beiden Ereignisse oft zusammenfallen. Es sei daher wahrscheinlich, dass die Todesfälle einiger dieser flüchtenden Raver die unbeabsichtigten Folgen palästinensischer Hinterhalte waren, die angelegt wurden, um Verstärkungen der israelischen Armee abzufangen, die in die Region unterwegs waren.

„‚Während viele Verstärkungen nach Süden strömten‘, schrieben Ronen Bergman und Yoav Zitun in der Untersuchung von 7 Days, ‚hatte die Kommandotruppe der Hamas diese Verstärkungen vorhergesehen und die strategischen Kreuzungen übernommen … wo sie auf die Truppen wartete … an diesen Kreuzungen wurde viel Blut vergossen, sowohl von Soldaten als auch von Zivilisten.“[142]

Soviel zur Erinnerung an die Vorgänge des 7. Oktobers und ihre Auswertung hinsichtlich privater Opfer. Auch wer keine Waffe trug wurde von der Hamas als mögliche wertvolle Geisel angesehen, um eigene Gefangene in den Foltergefängnissen Israels zu befreien, nicht als zu tötender Zivilist. Was in Übereinstimmung mit Aussagen von befreiten bzw. ausgetauschten Geiseln ist, dass die Hamas-Kämpfer sie mit Matratzen und dem eigenen Körper gegen Bombensplitter israelischer Angriffe schützten.

Von Kreuzzügen zu faschistischen Kolonialreichen

Der Kampf um Palästina durch Eroberung von Kolonisten geht ja schon viel weiter zurück, als die meisten Menschen glauben zu wissen. Zwischen 1096 und 1099 rief Papst Urban zum 1. Kreuzzug von vielen folgenden auf. Die Kreuzfahrer eroberten Palästina relativ schnell. Dann folgten Kreuzzüge zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert, die von der römischen Kirche geführt wurden. Viele davon waren Expeditionen von Christen, die versuchten, den Muslimen das Heilige Land abzunehmen. Dabei wurden zahlreiche Massaker an Juden, Orthodoxen, und Muslimen verübt. Der so genannte „Volkskreuzzug“, der als Auftakt zum ersten Kreuzzug von 1096 angesehen wird, sah das Massaker im Rheinland an tausenden von Juden in Frankreich und Deutschland.

Die Kreuzfahrer plünderten oft und behielten die Kontrolle über die eroberten Länder, anstatt sie an die Aufrufer zum Kreuzzug zurückzugeben.

„Der Vierte Kreuzzug (1202-1204) wurde von Papst Innozenz III. in Auftrag gegeben, um Jerusalem über Ägypten von den Muslimen zurückzuerobern. Er endete mit der Plünderung von Konstantinopel (heute Istanbul) und dem Anfang vom Ende des Byzantinischen Reiches.“[143]

Nicht zuletzt durch zahlreiche Gemetzel unter den Muslimen, war die Bevölkerung überwiegend christlich geworden. Bis Saladin dem ein Ende bereitete, als er 1187 einen Feldzug gegen die Kreuzfahrer anführte. Interessanterweise war er ein sunnitischer Muslim mit kurdischen Wurzeln. Die Niederlagen der christlichen Kreuzfahrer in der Schlacht von Hattin 1187, lösten dann aber den dritten Kreuzzug, nur zwei Jahre nach der Niederlage aus. Aber diese war nur teilweise erfolgreich und konnte Jerusalem nicht erobern. Um das zu ändern, folgte der 4. Kreuzzug 1201. Und so ging es ständig hin und her.

Mit anderen Worten, Palästina ist seit über tausend Jahren im Fokus der westlichen Eroberer, und bekommt einfach keine Ruhe, um sich selbstbestimmt zu entwickeln. Heute sind es die postkolonialen Kriege, in denen sich die Eroberungskriege der vergangenen tausend Jahre gut wiedererkennen lassen.

In meinen vorherigen Büchern habe ich ausführlicher über die Wurzeln des Zionismus im europäischen Kolonialismus berichtet, aber ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal eine Kurzfassung davon erklären, denn um den laufenden Völkermord in Gaza zu verstehen, ist es wichtig zu begreifen, woher der Zionismus kam, und was er schon immer zum Ziel hatte.

Israel wurde nicht aufgrund des Holocaust der Nazis gegründet. Das britische Empire befürwortete die Gründung Israels in der Balfour-Erklärung von 1917, als Europa den Nahen Osten kolonisierte, und es war kein Zufall, dass die Balfour-Erklärung unmittelbar nach dem Sykes-Picot-Abkommen von 1916 zustande kam, in dem das britische und das französische Empire das Territorium des Osmanischen Reichs aufteilten und ihre eigenen Kolonien im Nahen Osten (Westasien) gründeten. Der Zionismus war eine direkte Fortsetzung der europäischen Kolonialbewegungen des 19. Jahrhunderts. Und die Gründerväter wie Theodor Herzl hatten es selbst aktenkundig gemacht. So schrieb Herzl in einem Brief an Cecil Rhodes, einen Vertreter von Kolonialismus und Völkermord in Afrika, und bat ausdrücklich um Hilfe zur Kolonialisierung Palästinas.

Das britische Kolonialreich dachte zunächst daran, ein zionistisches Regime in Uganda einzurichten, um die Präsenz in Afrika zu sichern. Änderte dann aber seine Meinung, weil das Narrativ der Zionisten langfristigeren Erfolg zu versprechen schien, was sich ja auch bewahrheitete.

Mit der Balfour-Erklärung des britischen Empires von 1917 gaben die Briten grünes Licht für die Kolonisierung Palästinas – Jahrzehnte vor dem Zweiten Weltkrieg. Nun muss man verstehen, dass der deutsche Faschismus in der Welt vor dem 2. Weltkrieg durchaus populär war, und von vielen Herrschern kopiert wurde. Denn durch die aufputschende Propaganda ließen sich die Menschen endlich wieder für ein gemeinsames Ziel zusammenfassen, während die Völker vorher eher träge und zurückhaltend gegenüber den Staaten waren. Und so haben sowohl der deutsche, als auch der zionistische Faschismus ihren Ursprung in dieser Blütezeit, als der Faschismus um die Welt wanderte.

Wer genau hinschaut, erkennt die Parallelen. Zum Beispiel zwischen den faschistischen Kolonialreichen Italien und Portugal, die Lebensraum und Eroberungen in Kolonien suchten, und den Zionisten Israels, welche Palästina, Teile des Libanons und Syriens besetzt halten und nicht mehr hergeben wollen.

Was die von den USA unterstützten israelischen Streitkräfte in Palästina tun, ist keineswegs außergewöhnlich: Es ist das, was die USA und Kanada den Ureinwohnern angetan haben, was Frankreich Algerien angetan hat, was Großbritannien Irland angetan hat, was Deutschland Namibia angetan hat, was der belgische König im Kongo tat. Und dass die Kolonialmächte Apartheid unterstützen, liegt ihnen sozusagen in den Genen.

Das israelische Kolonialregime war also ursprünglich als ein Außenposten des britischen Imperiums gedacht. Mit der Wachablösung und der Übernahme der imperialen Ansprüche durch die USA 1967, wurde es jedoch ein Außenposten des US-Imperiums. Außenminister Alexander Haig prahlte einst:

„Israel ist der größte amerikanische Flugzeugträger der Welt, der nicht versenkt werden kann.“[144]

Also wer diese Geschichte kennt und versteht, weiß automatisch, wo die Frontlinien in diesen Konflikten verlaufen. Nämlich nicht zwischen religiösen Gruppen, sondern zwischen kolonialen Machtinteressen und deren Vertretern, und den nach Unabhängigkeit strebenden Staaten.

Der Angriff auf den Iran

Der Iran hatte sich nach verschiedenen Morden und Angriffen Israels zwei, manche sagen drei Monate ruhig verhalten, weil der frisch im Amt befindliche Präsident, der im Iran der Regierungschef ist, durch europäische Regierungschefs die Nachricht erhalten hatte, dass Israel einem Waffenstillstand in Gaza zustimmen werde, wenn der Iran nur ruhig bleibe. Das hörten wir ja, und wir wissen auch, dass es schließlich zu dem vom Iran lange vorher angekündigten und offiziell beim Sicherheitsrat angemeldeten Vergeltungsschlag kam. Danach meinte der Iran, jetzt sei gut, und man wolle es auf sich beruhen lassen. Aber nicht so Israel.

Am 9. Oktober verbreitet Israel die Nachricht, genauer der Kriegsminister Gallant, dass ein Angriff gegen den Iran bevorstehe, und dass er tödlich, präzise und überraschend sein werde, „Sie werden nicht verstehen, was und wann passiert“[145].  Wobei der Guardian von einer immer größeren angeblichen Frustration in den USA über die Alleingänge von Netanjahu berichtet.

Am 13. Oktober konnte man lesen, dass die USA zum ersten mal in ihrer Geschichte, ihr am weitesten entwickelte Raketenabwehrsystem innerhalb Israels stationiert habe. Es soll das am weitesten entwickelte Abwehrsystem der Welt sein, mit den neuesten Technologien ausgestattet.

„THAAD (Terminal High Altitude Area Defense) ist ein in den USA hergestelltes Raketenabwehrsystem, das darauf ausgelegt ist, ballistische Raketen kurzer bis mittlerer Reichweite während ihrer letzten Flugphase abzufangen. Hier sind die wichtigsten Spezifikationen:

  • Reichweite: 200 km (ca. 124 Meilen)
  • Höhe: Fängt Ziele in Höhen von bis zu 150 km (ca. 93 Meilen) ab
  • Raketengeschwindigkeit: Mach 8+ (über 9.800 km/h oder 6.100 mph)
  • Sprengkopf: Kinetisch (Hit-to-Kill-Technologie, keine Sprengstoffe)
  • Radar: AN/TPY-2, kann Raketenbedrohungen aus bis zu 1.000 km (620 Meilen) Entfernung erkennen und verfolgen
  • Mobilität: Hochmobil, kann mit transportablen Abschussvorrichtungen und einem auf einem LKW montierten Radarsystem schnell eingesetzt werden.[146]

Eine Batterie dieses modernsten aller Abwehrsystems besteht aus 95 Soldaten, sechs LKWs mit Abschusseinrichtungen, 48 Abfangraketen pro Abschusseinheit, und die Überwachungs-, Radar- und Kommandoeinheiten[147]. Die Beschränkung auf 48 Abfangraketen beschreibt die Schwäche aller bisherigen Luftabwehrsysteme, nämlich die Möglichkeit der Überwindung durch „Sättigung“.

Damit soll Israel also vor einer Bedrohung geschützt werden, die durch einen weiteren Vergeltungsschlag des Irans, nach einem erneuten Angriff Israels erwartet wird. Es wird interessant sein zu beobachten, welchen Erfolg dieses „modernste System der Welt“ gegen die „Raketen eines Entwicklungslandes“ hat. Andrew Korybko hält die Stationierung einmal für ein Zeichen, dass die israelische Luftabwehr durch den Iran überwunden wurde und zweitens für die Ankündigung eines großen Krieges[148].

Wie läuft der Krieg Israels gegen den Iran?

Elijah Magnier schrieb am 11. Oktober, dass Israel und die USA sich vermutlich darauf geeinigt haben, die iranische Raketenproduktion und Lager zu bombardieren, ohne die Tötung von verantwortlichen Generälen auszuschließen[149]. Sollte es wirklich zu großen Schäden und getöteten Generälen kommen, kann sich jeder vorstellen, dass der Iran nun auch die letzte Zurückhaltung aufgeben muss, um sein Gesicht und die Unterstützung der Massen nicht zu verlieren. Die Regierung muss dann noch einmal zuschlagen, und zwar deutlich schmerzhafter, als beim letzten Mal. Und da der Westen davor zurückscheut, Ölanlagen zu bombardieren, wird genau das vom Iran dann realisiert werden. Und durch die explodierenden Ölpreise wird der Iran die durch Israel verursachten Schäden bezahlen können.

Da genau das auch die Analysten der Kolonialstaaten feststellen müssen, ist anzunehmen, dass der angekündigte Angriff in dieser Form nicht stattfinden wird. Sondern dass er eher symbolischer Natur sein wird.

Deutschlands Schuld

Eine Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Großbritannien hat eine Studie über die Rüstungsexporte Deutschlands nach Israel vorgestellt hat. Die Studie stammt schon aus April 2024[150], wurde aber erst im Oktober wirklich wahrgenommen. Der Bericht weist nach, dass insbesondere deutsche Munition bei dem Völkermord in Gaza eine wichtige Rolle spielte. Besonders schockierend ist, dass 99,75% von israelischen Anträgen noch befürwortet wurden, obwohl der Völkermord in Gaza bereits deutlich erkennbar war. Deutschland hat Kriegswaffen zum Einsatz gegen zivile Ziele zur Sicherung einer illegalen Besatzung und Durchführung eines Völkermordes geliefert, ist die Quintessenz eines Interviews von Dr. Hever[151].

Die deutsche Bundesregierung muss gewusst haben, dass Israel mindestens Kriegsverbrechen, im schlimmen Fall einen Völkermord begeht. Trotzdem wurden diese Waffen- und Munitionslieferungen durchgeführt. Wie ich seit Ende 2023 warnte, wird Deutschland nicht nur wegen Mitschuld verurteilt werden, sondern wird der deutsche Staat auch Schadenersatz zahlen müssen.

Als der deutsche Bundeskanzler im Oktober 2024 trotzig im Fernsehen auftrat, und erklärte, dass Deutschland Rüstungsgüter lieferte und weiter liefern wird, war dies ein Verstoß gegen das Zwischenurteil des IGH vom Januar. Und alleine daraus wird sich ein Schadenersatzanspruch herleiten lassen.

Im Moment hängen Klagen gegen die vermutlichen Verbrechen der Bundesregierung noch im deutschen Rechtssystem. Und es wird noch Monate dauern, bis die Möglichkeit besteht, die Klagen in internationale Gerichte zu bringen. Und weitere Monate, wenn nicht Jahre, bis dort Urteile gefällt werden. Aber es wird passieren, und das noch während der Lebenszeit der Akteure.

Mitte Oktober tauchten Berichte auf, dass Deutschland die weiteren Lieferungen von Waffen und Munition davon abhängig gemacht hat, dass Israel erklärte, diese nicht für einen Völkermord einzusetzen. Eine „Völkermordklausel“[152]. Da Israel sicherlich sinngemäß sagte:

„Nein, wir verteidigen uns nur, begehen natürlich nie einen Völkermord“,

glaubte Deutschland dazu befähigt zu sein, unbeschränkt weitere Waffen an das Land zu liefern. Da BILD eine schlimme Historie von Falschinformationen hat, konnte man verstehen, dass Menschen ungläubig waren. Allerdings hat die Äußerung von Bundeskanzler Scholz, dass Deutschland weiter Waffen liefere die Akzeptanz dieser Nachricht erhöht. Und schließlich bestätigte der Tagesspiegel sie auch[153]. Ich konnte nicht umhin an eine Szene in der Bibel zu denken, wo ein gewisser römischer Herrscher auch seine Hände wäscht und damit seine Unschuld an einem Todesurteil bekundet.

Quellen und Hinweise

  Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://x.com/jochen_mitschka [1] https://www.nytimes.com/2003/10/06/opinion/the-last-nuclear-moment.html Jom-Kippur-Krieg: Machte Israel 1973 seine Kernwaffen scharf [2] https://www.dropsitenews.com/p/blinken-approved-policy-bomb-aid-trucks [3] https://www.reuters.com/world/middle-east/blinken-headed-israel-show-us-solidarity-seek-deterrence-2023-10-11/ [4] https://www.theguardian.com/world/live/2023/oct/10/israel-hamas-war-live-updates-palestine-gaza-supernova-white-house?page=with:block-652546c18f08868e610b7de9#block-652546c18f08868e610b7de9 [5] https://www.theatlantic.com/international/archive/2024/09/israel-gaza-war-biden-netanyahu-peace-negotiations/679581/ [6] https://x.com/kann_news/status/1714357226956115984 [7] https://x.com/yaronavraham/status/1714330408836301109 [8] https://x.com/MoriahAsraf/status/1714330436854284734 [9] Ebd. [10] https://www.state.gov/secretary-antony-j-blinken-remarks-to-the-press-on-president-bidens-upcoming-trip-to-israel-and-agreement-with-israel-to-develop-a-humanitarian-aid-plan-for-gaza/ [11] Ebd. [12] https://www.state.gov/secretary-antony-j-blinken-remarks-to-the-press-on-president-bidens-upcoming-trip-to-israel-and-agreement-with-israel-to-develop-a-humanitarian-aid-plan-for-gaza/ [13] https://x.com/IsraeliPM_heb/status/1714649570318115079 [14] https://www.maariv.co.il/news/politics/Article-1043925 [15] https://www.israelhayom.co.il/news/geopolitics/article/15002913 [16] https://www.israelhayom.co.il/article/560639 [17] https://www.newyorker.com/news/q-and-a/how-israels-inspection-process-is-obstructing-aid-delivery [18] https://apnews.com/article/un-resolution-gaza-aid-palestinians-israel-a5bb32fb9f071689d231533a26beb838 [19] https://www.un.org/sg/en/content/sg/speeches/2023-12-22/secretary-generals-opening-remarks-the-media-the-situation-gaza%C2%A0#:~:text=Ladies%20and%20gentlemen%20of%20the%20Press%2C,This%20is%20a%20mistake. 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