Ein Meinungsbeitrag von Karolin Ahrens.
Die Bauern machen es vor: Bundesweit lassen sie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, Artikel 8 Grundgesetz, mehr oder weniger lautstark aufblühen. Als objektiver Beobachter wird einmal mehr deutlich, wie grotesk die vermeintliche Wortführerschaft des Bundesverbandes anmutet, gelingt es einigen Landesverbänden doch deutlich besser, sich als Interessenvertreter der durch überwiegend (europäische) Vorgaben und Richtlinien geknechteten Bauernschaft zu identifizieren.
Wurden während der staatlich veranlassten Coronakrise Demonstranten mit Wasserwerfern attackiert, von Polizisten misshandelt und als Unschuldige verfolgt, muten die Bauernproteste zudem erfreulich harmonisch an. Propagandistischer, angstverbreitender Störenfried hier lediglich einige vorwiegend öffentlich-rechtliche Pressestimmen: Das medienwirksame Inaussichtstellen von rechtlichen Konsequenzen und “juristischem Nachspiel für die Bauern” als Ausdruck fortwährendem staatlicherseits vorherrschendem Repressionswillen.
Artikel 8 Grundgesetz bestätigt jedem Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Diese grundgesetzlich garantierte Versammlungsfreude gilt es gerade jetzt weiter zu fordern und zu fördern, um diese bestenfalls auch in anderen (Berufs-)gruppen zu entfachen. Denn Zukunft wird aus Mut gemacht. So soll der nachfolgende Artikel die rechtlich relevanten Grundlagen einer Versammlung aufzeigen, die zumindest jedem Versammlungsleiter bekannt sein sollten, um ein “böses Nachspiel” auszuschließen.
Versammlungsfreiheit
Unter einer Versammlung ist zunächst jede örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen Erörterung oder Kundgebung in Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zu verstehen. Kennzeichnend für eine Versammlung ist der Umstand, dass sie „Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung“ dient.(1)
Keine Versammlung ist daher beispielsweise eine bloße Ansammlung oder Volksbelustigung wie ein Menschenauflauf oder Personen vor einem Informationsstand. Zufällige Ansammlungen werden dann eine Versammlung, wenn sich eine innere Verbindung einstellt.(2)
Was unter einer Meinungsäußerung zu verstehen ist, wird von den Gerichten wiederum sehr weit gefasst, es ist unerheblich, ob die Versammlung ortsfest oder beispielsweise ein Demonstrationszug bildet. Was den Personenkreis betrifft, werden bereits zwei Personen als ausreichend angesehen, das Bundesverfassungsgericht stellt auf „mehrere Personen ab“, was wohl eher als drei und mehr auszulegen wäre.
Friedlich im Sinne der grundgesetzlichen Versammlungsfreiheit bedeutet, dass sie ohne Waffen stattzufinden hat. Zu den Waffen zählen hierbei zunächst die technischen Waffen im Sinne des § 1 Waffengesetz. Unter Waffen werden auch andere Gegenstände verstanden, wenn sie geeignet sind, eine Verletzung bei einer Person herbeizuführen, eine Sache beschädigen zu können und der Träger diese mitgenommen hat, um hiermit Gewalt auszuüben. Verhalten sich auf einer Versammlung einige Teilnehmer friedlich, andere unfriedlich, kommt dies den friedlichen Versammlungsteilnehmern zugute. Es wird also immer auf den einzelnen Teilnehmer abgestellt und kein Verhalten eines anderen zugerechnet.(3) Werden also einzelne Demonstrationsteilnehmer staatlicher – oder medienseitig – auch zu Unrecht – als „rechtsextrem“ oder anders diffamiert, muss sich dies kein friedlicher Teilnehmer zurechnen lassen. Gleiches gilt, wenn sich Außenstehende oder Gegendemonstranten unfriedlich verhalten.(4)
Auf die Versammlungsfreiheit kann sich jeder Deutsche im Sinne von Artikel 116 Grundgesetz berufen, dies gilt auch für Minderjährige. EU-Ausländer müssen sich auf den Schutzbereich des EU-Rechts berufen.(5) Juristische Personen und sonstige Vereinigungen, soweit sie geschützte Handlungen vornehmen können – sprich durch ihre Organe und Vertretungspersonen handeln.
Anmeldung und Durchführung
Jede staatliche Maßnahme, die in diese Versammlungsfreiheit eingreift ist zunächst als Grundrechtseingriff zu bewerten. Diese sind nur durch oder aufgrund eines Gesetzes zulässig.
Hierunter fallen etwa Anmelde- und Erlaubnispflichten, Auflösungen und Verbote. Auch die Behinderung von Auffahrten und schleppenden „vorbeugenden“ Kontrollen. Faktische Behinderungen sind ebenfalls ein Grundrechtseingriff, sofern sie von solchem Gewicht sind, dass sie einer Maßnahme gleichkommen. Zum Beispiel, wenn grundlos Maßnahmen ergriffen werden, die der Einschüchterung dienen, wie die Registrierung von Demonstrationsteilnehmern, das Notieren von Autokennzeichen oder der Aufruf, die Versammlung zu meiden oder zu boykottieren.(6) Auch dürfen Polizeibeamte nicht grundlos den Zugang zu Orten verbieten.
Bei fragwürdigen Beschränkungen durch Polizeibeamte ist Demonstrationsteilnehmern zu raten, die handelnden Polizei- oder Ordnungsbeamten, vgl. Artikel 33 Absatz 4 Grundgesetz, im Zweifel nach der Ermächtigungsgrundlage zu fragen und zu prüfen, ob die Maßnahme angemessen, erforderlich und geeignet ist. Steht vielleicht ein milderes Mittel zur Verfügung? Oftmals zeigen sich Beamte kooperationsbereit. Gewalt ist in jedem Fall zu vermeiden. Sollte Gewalt von den Polizeibeamten ausgehen, ist es wichtig Beweismittel zu sichern und Zeugendaten aufzunehmen.
Eine pauschale Erlaubnispflicht von Demonstrationen ist rechtswidrig, es können jedoch länderspezifisch Anmeldepflichten bestehen, die als zulässig bewertet werden.(7) Bevor staatliche Stellen Auflagen und Verbote erlassen, sind sie verpflichtet, einvernehmliche Lösungen zu suchen und mit den Demonstrationsteilnehmern kooperativ zusammenzuarbeiten.(8) Exzessive Observationen sind verboten. Im Hinblick auf den besonderen Rang der Versammlungsfreiheit müssen Straßenteilnehmer die Behinderung durch eine Versammlung regelmäßig hinnehmen. Die Erzeugung eines Verkehrsstaus kann aber unzulässig sein, wenn die Behinderung beabsichtigt ist.(9)
Nachspiel
Werden diese grundlegenden Regeln eingehalten, ist ein juristisches Nachspiel nicht zu erwarten. Stehen dennoch Vorwürfe wie Nötigung, Körperverletzung, Beleidigungen, Sachbeschädigungen und Landfriedensbruch im Raum, sollte rechtlicher Rat eingeholt werden. Gerade der bedrohlich anmutende Vorwurf des Landfriedensbruchs dürfte bei den friedlichen Bauernprotesten kaum haltbar sein. Denn nach § 125 Abs. 1 Var. 1 StGB liegt ein gewalttätiger Landfriedensbruch nur vor, wer sich als Täter oder Teilnehmer aus einer Menschenmenge an Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen beteiligt, wobei eine aktive Teilnahme erforderlich ist. Verhält sich ein Teilnehmer friedlich, können ihm fremde Gewalt – selbst, wenn sie von Teilnehmern ausgeht – nicht zugerechnet werden. Denn ein passives Dabeisein, Mitlaufen oder Mitmarschieren reicht nicht aus. Zudem müssen bei diesen Straftatbeständen die Ziele der Demonstration mit einbezogen werden, als auch der Umstand, ob die Maßnahmen der Polizeibeamten selbst – etwa eine Auflösung oder Beschränkung – überhaupt rechtmäßig war.(10)
In diesem Sinne: Bleibt friedlich, versammelt Euch – nur Mut!
Quellen und Anmerkungen
Karolin Ahrens ist Rechtsanwältin und veröffentlicht auf dem Blog von rechtverständlich.online, als Teil der Initiative WIR.SIND.DEMOKRATIE.
(1) Vgl. auch BVerfGE 104, 92/104, BVerfGE 69, 315/342f.
(2) Vgl. BVerWGE 56, 63/69
(3) BBverfGE 69,315/361
(4) BVerfGE 69, 360
(5) Artikel 2 Absatz 1 it dem Schutzniveau des Artikel 8 Grundgesetz
(6) BverfGE 149, 225, Rn. 12
(7) Vgl. BVerfGE 69, 350
(8) BVerfGE 69, 362
(9) BVerfGE 73, 206
(10) Vgl. BVerfGE 73, 206/261
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Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Pictrider / Shutterstock.com
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