Ein Kommentar von Roberto J. De Lapuente.
In Bologna soll ein Sozialkreditsystem getestet werden: Was man vor kurzem noch als Verschwörungstheorie abgetan hätte, ist wieder mal eine sich anbahnende Realität geworden.
Die Verschwörungstheorie ist an ihr Ende gekommen. Nein, nicht weil sich Xavier Naidoo für sie entschuldigt hat. Überhaupt ist das ein interessanter Vorgang. Da kauert ein mehr stammelnd als sprechender Mann vor einer Kamera, laviert ein bisschen, säuselt was von einer Entschuldigung und meint damit ganz offensichtlich Verschwörungstheorien, die er verbreitet hat: Und ganz Deutschland tut so, als sei das völlig in Ordnung, wenn sich jemand dafür entschuldigt, gewisse Dinge geglaubt zu haben.
Eigentlich müsste es ja ganz anders laufen. Andersherum nämlich. Nicht die Verschwörungstheoretiker haben sich zu entschuldigen: Ihre Kontrahenten müssten das tun. Warum?
Wenn Sie demnächst mal unbedacht ein Bonbonpapier auf den Boden werfen und zehn Minuten später nicht ins Café können, weil ein nicht so netter Concierge sie darauf aufmerksam macht, dass Sie eben gerade einen Punktverlust erlitten haben, der ihren Gesamtpunktestand unter die Marke drückt, die man braucht, um hier residieren zu können, wissen Sie vielleicht, was ich meine.
Verschwörungstheorien, die keine mehr sind
Gemeinhin nennt man die letzten beiden Jahre ja Pandemie. Man könnte diese Zeitspanne aber auch die Jahre der sich bestätigenden Verschwörungstheorien nennen. Als einen Abschnitt bezeichnen, in dem man erst leugnete, abwiegelte, bestimmte Vorstellung der Lächerlichkeit preisgab, nur um hernach all diese fixen Ideen aus Köpfen kruder Leute zu etablieren, zu installieren und uns vor die Nase zu setzen.
Schon relativ früh sprach man von möglichem Impfstoff und einige Verschwörungstheoretiker haben geunkt, dass da eine Impfpflicht und ein Impfregime drohte. Man hat diese Stimmen abgeschmettert, als niederträchtige Angstmacherei aus der Ecke der Verschwörungstheorie abgetan. Gegen Menschen, die so einen ausgemachten Unsinn verbreiteten, müsse man vorgehen, erklärte die Presse. Nun muss ich wohl nicht ausführen, wie es kam – die Auswirkungen dieser vermeintlichen Phantasie niederträchtiger Wichtigmacher haben wir alle am Leib gespürt. Als etliche von uns vor Kinos und Restaurants warten mussten – oder ihren Job verloren. Andere spüren das im Moment an sich selbst, Impfnebenwirkungen nennt sich dieser Zustand dann.
Das war an sich nur die größte Verschwörungstheorie, die dann Verschwörungsalltag wurde. Viele kleinere Geschehnisse, die man vor Monaten noch als Unfug weggeschoben hat, bestätigten sich in der Folge: Ob nun Impfwirkung, Impf-Abo, fehlende Überlastung der Krankenhäuser, RKI-Mauscheleien oder eben auch nur die Tatsache, dass einige davon ausgingen, dass die Eingriffe in die Grundrechte niemals wirklich rückgängig gemacht würden. Die WHO ermächtigt sich zeitgleich selbst, überall brechen die Dämme. Es braucht nicht wirklich eine Erläuterung, wie es dann in Wirklichkeit kam, oder? Wer nur über Sinneswahrnehmungen verfügt, muss das doch erkennen.
Zuletzt konnte man fast die Uhr danach stellen: Wenn heute einer unkt, dass eine bestimmte Behauptung wieder nur so ein Quatsch aus dem Aluhut ist, dem man auf keinen Fall auch nur ein Gramm Glauben schenken sollte, dauert es etwa drei bis sechs Monate, bis die genannte Behauptung als potenzieller Fakt in der Zeitung steht. Dass es einige sogenannte Verschwörungstheoretiker gab, die schon vor drei oder eben sechs Monaten auf die Sache hinwiesen, steht im Regelfall nicht in der Zeitung. Richtigstellungen muss man sich gemeinhin erklagen.
Erst Theorie, dann die Praxis
Man könnte auch sagen, dass die Pandemie genau so wurde, wie es etliche Querdenker und Schwurbler immer schon prophezeit haben. Ja, selbst dass das Virus aus einem Labor stammt, ursprünglich der wahnwitzigen Phantasie einiger Spinner zugeschrieben, wurde mittlerweile öffentlich und offiziell von den Massenmedien als mögliche These angenommen und kommentiert – manche Journalisten hielten diese Möglichkeit für durchaus möglich und auch naheliegend. Und selbst die Impfnebenwirkungen finden nun Einzug im Mainstream, zögerlich und verklemmt zwar, denn all das war neulich noch konspirative Theorie; man muss sich erst daran gewöhnen, dass die Aluhüte schon wieder ein richtiges Bauchgefühl hatten.
Nun also Bologna: Dort muss nur noch die Datenschutzbehörde absegnen, dass ein Punktesystem eingeführt werden darf, das das Umweltverhalten der Bürgerinnen und Bürger bewertet – und natürlich belohnt, indem man mit Vergünstigungen arbeitet etwa. Natürlich weist die Stadt darauf hin, dass dieses Social Score System absolut freiwillig ist. So freiwillig wie die Impfung, so freiwillig wie die soziale Ächtung, die eine Entscheidung gegen die Impfung zeitigte? Wir wissen doch, was Freiwilligkeit heute eigentlich bedeutet. Sie steht nicht als Gegenteil von Zwang im Raum, sondern als kleine Schwester des Zwangs, als Form leichten bis mittleren Drucks etwa.
In der Theorie haben sogenannte Verschwörungstheoretiker schon recht früh auf China gezeigt und gesagt: Das droht uns auch, wenn wir den Machtphantasien nicht Einhalt gebieten. Bitte sehr, in Italien wird nun Theorie in die Praxis umgesetzt; dort tischt man uns nun schon mal ein erstes Versuchsmodell auf. Aber selbst jetzt noch neigen viele dazu, das als Verschwörungstheorie abzutun, schließlich wolle man in Bologna nur die Umweltverschmutzung bekämpfen – und das noch dazu freiwillig. "Hast du etwa was gegen Klima- und Umweltschutz?" werden Kritiker mundtot gefragt. Wie will man da umsichtig antworten, ohne gleich alle moralischen Komplexe solcher Fragensteller anzustacheln?
Was genau soll das eigentlich sein: Verschwörungstheorie? Das ist ja auch so ein Modewort geworden. Alles, was irgendwie nicht nach Mainstream riecht, ist ja schon seit Jahren immer gleich rechts und Nazi. Zuletzt gesellte man noch den Vorwurf dazu, so eine nicht massentaugliche Meinung sei die, die nur ein Verschwörungstheoretiker haben könne.
Dabei ist Politik und Wirtschaft gar nicht ohne Verschwörung denkbar. Unternehmen verschwören sich Tag für Tag gegen die Interessen von Bürger und Verbraucher – um Kasse zu machen.
Und wer glaubt, dass es in der Politik ohne verschwörerische Intrigen abgeht, dem ist nun wirklich nicht zu helfen. Aber Sozialpunkte kriegt er für diese Naivität sicherlich künftig reichlich.
Bis heute macht man Visionäre als Aluhüte lächerlich
Die Eliten haben sich mit einer Ideologie der Ungleichheit, einer Ökonomie des Unausgeglichenheit und einer Triebfreude an der Ausbeutung der Schwächeren zu einer Verschwörung verabredet. Ich gebe zu, das klingt übertrieben. Natürlich meine ich das bildlich. Man spricht sich nicht bei einer Sitzung ab und verschlechtert nach Plan die Welt. Es entwickelt sich, es ist Ideologie – da muss man gar nichts so arg viel besprechen, denn dass Völker dazu da sind, geführt und ausgequetscht zu werden, weiß man in diesen Kreisen auch ohne Briefing. Daran halten die Eliten fest. Wider aller Argumente und Fakten, die gegen diesen Kurs sprechen, wider aller Menschlichkeit. Das sture Festhalten: Das ist die Verschwörung.
Das Label Verschwörungstheoretiker ist in viele Fällen nur eine Konstruktion. Ein Kniff, um all jene, die die Abläufe und die Köpfe dahinter vielleicht ein wenig besser einordnen können, als der normale Spiegel- oder FAZ-Leser es tut, als er es überhaupt auch nur kann, irgendwie unter einem Sammelbegriff zu vereinen. Natürlich hat der, den man scherzhaft mit einem Aluhut in Verbindung bringt, längst das Vertrauen in die Protagonisten der amtierenden Ordnung verloren, in Behörden, Medien, Politik, Institutionen und NGOs etwa: Er empfindet ganz deutlich, dass sich was oder wer gegen ihn, gegen die arbeitenden und auch arbeitslosen Menschen verschworen hat. Manchmal wissen sie keine adäquate Antwort darauf; einige Antworten, die sie liefern, sind auch zugegebenermaßen grober Unfug, aber die Tendenz ist stimmig. Dass die Wertegemeinschaft nicht dazu da ist, die Welt zu einem glücklichen Platz für Menschen umzubauen: Ihnen ist zumindest das klar.
Sie wähnen sich in einer Simulation, in der man uns Kümmerer und Fürsorgebeauftragte vorstellt, die den Anschein der besten aller möglichen Welten aufrechterhalten sollen. Viele dieser Kräfte ahnen oft selbst nicht, dass sie Teil einer solchen Simulation sind. Wer das hinterfragt, mit dem kühlen Nihilismus des Skeptikers auftritt, wird schnell zum Verschwörungstheoretiker stilisiert. Offenbart sich dann, dass dieser Nihilist am Ende recht hatte, entschuldigt sich keiner bei ihm, man hat ihn längst aufgegeben, als Spinner eingenordet, als nicht mehr der Mühen wert, mit ihm regelmäßig zu sprechen.
Entschuldigen bei jemandem, den man aus seinem direkten Umfeld ausgegrenzt, den man isoliert hat? Das kann ja nicht gelingen. Dieser Gesellschaft wurde eine Kultur der Ausgrenzung Andersdenkender, skeptisch Tickender übergestülpt, damit solche Zeitgenossen schnellstmöglich weggecancelculturet werden. So schnell, dass sie schon ausgeblendet sind, wenn herauskommt, dass sie recht behielten und eigentlich visionär in die Zukunft blickten.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 30. Mai 2022 bei neulandrebellen.de
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Bildquelle: Skorzewiak / shutterstock
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