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Warum der Globale Süden gespannt zur Ukraine schaut | Von Jochen Mitschka

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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Wie schon mehrfach erwähnt, sehen die meisten Intellektuellen im Globalen Süden den Kampf Russlands in der Ukraine, als eine Art Stellvertreterkrieg um ihre Selbstbestimmung. Zum ersten Mal in der Geschichte nach der Auflösung der Sowjetunion, wagt es ein Land sich militärisch gegen das Imperium und seine Vasallen zu wehren, so ihre Sichtweise. Dieser Beitrag soll auch erklären, was Russland und Europa im Fall eines Rückzuges drohen, und sollen Beispiele erklären, wie die USA Länder des Globalen Südens in die Knie zwingen, mal abseits von den diversen bekannten großen Angriffs-Kriegen mit Millionen Toten.

Russlands existentielle Bedrohung

Beginnen wir mit der immer wieder aufgestellten Behauptung, so auch von Präsident Joe Biden:

„Wenn Russland seine Invasion stoppt, wird sie sofort enden. Wenn die Ukrainer aufhören, sich zu verteidigen, wird das das Ende der Ukraine sein.“

Tatsächlich dürfte das Gegenteil zutreffen, was nicht überrascht, wenn man die Geschichte der USA kennt.

In Wirklichkeit bedeutet der Abbruch der Speziellen Militäroperation Russlands, ohne die der Föderation angegliederten Gebiete wenigstens in den Frontlinien vor Februar 2022 gesichert zu haben, so die nachvollziehbare Sicht russischer Analysten, dass die Föderation aufhören wird zu existieren. Russland werde dann in Stücke zerrissen. Wenn die USA allerdings ihre Waffenlieferungen an das Kiewer Regime einstellen, wird der Krieg sofort enden.

Wer jetzt von Putins Propaganda redet, sollte sich daran erinnern, was mit Jugoslawien passierte. Und dass das Ziel der USA die Balkanisierung Russlands ist, heute genannt Entkolonialisierung, also die Zerschlagung in viele kleine Einheiten. Mehr dazu später. Die Führung in Russland ist sich natürlich dessen sehr bewusst. Erinnern wir uns, was Putin in seiner jährlichen Ansprache vor wenigen Tagen erklärte.

Kurz zusammengefasst sagte Putin, dass Russland durch die dringenden Umstände, in die es der Westens unter Führung der USA gebracht hat, gezwungen sei, auf militärische Mittel zurückzugreifen, um die Integrität seiner nationalen Sicherheit in der Ukraine zu verteidigen. Denn die NATO habe die Grenzen in der Ukraine, welche die Sicherheit Russlands gefährden, längst insgeheim überschritten. Die Sonderoperation stehe daher im Einklang mit dem in den Vereinten Nationen verankerten Recht auf Selbstverteidigung und erfülle auch die moralische Verpflichtung des Landes, der drohenden ethnischen Säuberung und dem Völkermord zuvorzukommen, die extrem nationalistische Kräfte in der Ukraine mit Unterstützung der NATO im Donbass vorbereiteten.

Tatsächlich war die Ukraine eine Marionette der USA geworden. Sie hatte ihre verfassungsmäßige Neutralität aufgegeben und Russland offiziell als Feind bezeichnet. Einen Feind, den man am liebsten mit Kernwaffen bekämpfen würde, wie Selenskyj wenige Tage vor dem Einmarsch Russlands indirekt erklärt hatte. Kennt man weiter die Geständnisse von Poroschenko, Merkel und Hollande, dass nie geplant gewesen war, Frieden durch Minsk2 zu erreichen, sondern dass Zeit gewonnen werden sollte, um Kiew für einen Angriffskrieg gegen die abtrünnigen Provinzen und die Krim vorzubereiten, mag man die Aussage Putins in einem anderen als westlichen Propagandalicht sehen.

Erinnern wir uns auch an die von der US-Regierung geleiteten Helsinki-Kommission im Sommer 2022. Sie fand unter dem Titel „Entkolonialisierung Russlands: Ein moralischer und strategischer Imperativ“ statt. Das Ziel der Politik hätte nicht eindeutiger definiert werden können. Das Ziel sei die Zerschlagung der Russischen Föderation in Einzelstaaten. Mit der nicht ausgesprochenen, aber aus der Geschichte bekannten Folge der wirtschaftlichen Beherrschung und Ausbeutung, der wirtschaftlichen Kolonialisierung.

Immer noch an russische Propaganda glaubend? Dann schauen Sie sich das vom ukrainischen Geheimdienst unterstützte faschistische Troll-Netzwerk NAFO in den sozialen Medien an. Dort werden regelmäßig Karten verbreitet, wie Russland entkolonialisiert werden sollte. Und diese Karten stammen von politischen US-Vordenkern. Es zeigt, wie populär diese Idee der Vernichtung der Staatlichkeit Russlands im Westen ist. Das zeigt gleichzeitig die Gefahr auf, die damit verbunden ist.

Denn die Atomdoktrin Russlands sieht eindeutig vor, Kernwaffen im Fall einer existentiellen Gefahr für die Russische Föderation einzusetzen. D.h. durch diese westlichen Ziele wird Putin offen in die Karten gespielt, denn Putin muss diese Ziele mit Hinweis auf die Atom-Option kontern. Und das war kein Bluff, wie manche Politiker und Journalisten im Westen glauben.

Würde sich Russland aus der Ukraine, und damit aus Gebieten zurückziehen, welche der Russischen Föderation beigetreten sind, würden die roten Linien der nationalen Sicherheit unwiderruflich überschritten und damit eine Kettenreaktion von Szenarien ausgelöst. Niemand mit ein bisschen Verstand, kann sich ernsthaft wünschen, dass dies passiert. Aber genau um dieses Ziel zu erreichen, so scheint es, setzen die USA die Bewaffnung Kiews fort.

Die Falken der USA werden diesen geostrategischen Kreuzzug zur vollständigen Wiederherstellung ihrer unipolaren Hegemonie nicht aufgeben. Und wenn das klappen sollte, und die Atomwaffenoption doch nicht aktiviert wird, ist China das nächste Opfer. Weshalb China sicher nicht tatenlos zusehen wird, falls Russland in die Nähe der Gefahr eine Balkanisierung gerät. Deshalb auch der Friedensplan mit der nicht ausgesprochenen Drohung, Russland mit Waffen und Munition zu beliefern.

Ja, völkerrechtlich ist die Abspaltung der östlichen Provinzen eigentlich illegal. Aber durch den Präzedenzfall Kosovo, den die NATO verursachte, während sie Jugoslawien zerschlug, wie letzten Donnertag an dieser Stelle erklärt, gibt es nun die Möglichkeit, die Unabhängigkeitserklärung, wie im Fall des Kosovo, als nicht illegal anzuerkennen. Und das ist vermutlich die einzige Lösung dieses Konfliktes. Zunächst ein Einfrieren des Krieges, dann nach ein paar Jahren ein Gerichtsurteil, was sich auf das Kosovo-Urteil stützt und irgendwann ein Referendum.

Um Russlands Sicherheitsinteressen zu erfüllen muss die Ukraine neutral bleiben und darf nicht zum Aufmarschgebiet und Stützpunkt für die neue Generation von Hyperschallraketen, oder die ganz offensichtlich in der Entwicklung befindlichen biologischen Waffen sein. Russland wird zweifellos darauf bestehen, dass die Ukraine wieder ein neutrales Land wird, wie ursprünglich in der Verfassung vorgegeben.

Aber schauen wir uns nun an, warum der Globale Süden so gebannt auf diesen bisher größten Versuch der USA schaut, ein Land zu zerschlagen. Zunächst das Beispiel der Sanktionen gegen Simbabwe.

Fallbeispiel Simbabwe

Jeremy Kuzmarov schreibt in einem Artikel1) mit vielen weiterführenden Quellen und guten Abbildungen, dass die USA die Regierung Simbabwes, die sie gerne austauschen würde, für die tragischen humanitären Krisen verantwortlich mache. Doch das Internationale Volkstribunal gegen den US-Imperialismus2) habe für die Leiden der Bevölkerung die harten Wirtschaftssanktionen benannt, welche die USA seit 22 Jahren gegen Simbabwe verhängt haben. Der Autor erklärt, dass nur zwei Jahre nach dem Beginn der Sanktionen durch die USA, also im Jahr 2001, die Wirtschaft Simbabwes um 23 % geschrumpft war, und die Inflation um mehr als 560 % in die Höhe schnellte.

Am 4. Februar 2023, berichtet Kuzmarov, beschrieben Experten auf diesem Tribunal über den US-Imperialismus Einzelheiten der negativen Auswirkungen der Sanktionen auf Simbabwe. Die Anhörungen hätten auch darauf abgezielt, die schädlichen Auswirkungen der US-Sanktionen auf 16 Länder in Lateinamerika, Afrika und Asien zu beleuchten. Sie seien ein Schlüsselinstrument des US-Imperialismus.

Aber damit sei noch nicht genug Leid über Simbabwe gebracht worden. Am Vorabend des Gipfeltreffens der afrikanischen Staats- und Regierungschefs im Dezember 2022 in Washington, habe die Regierung Biden eine weitere Runde von Sanktionen gegen Simbabwe verhängt. Diese neuen Sanktionen werden mit Sicherheit die Lebensbedingungen der simbabwischen Bevölkerung weiter verschlechtern, sagt der Autor voraus. Ihr Ziel sei, einen Aufstand gegen die Regierung zu erzwingen. Der Artikel zitiert dann als Beweis eine Mitteilung des US-Finanzministeriums vom Dezember 2022.3)

Landreform in Simbabwe

Die Verabschiedung des ZDERA genannten US-Gesetzes im Jahr 2001 erfolgte, nachdem der simbabwische Präsident Robert Mugabe ein historisches Landumverteilungsprogramm auf den Weg gebracht hatte, mit dem Land den Ureinwohnern zugeteilt wurde, das von Europäern während der Apartheid übernommen wurde, als Simbabwe (damals Südrhodesien) um die Jahrhundertwende von weißen Siedlern kolonisiert worden war.

Der bibliophile Mugabe, der in Fort Hare, der einzigen schwarzen Universität Südafrikas, studiert hatte, und dort mit revolutionären marxistischen und panafrikanistischen Idealen in Berührung kam, sei von 1964 bis 1974 unter dem Regime des weißen Vorherrschers Ian Smith inhaftiert gewesen. Als Chef der Zimbabwe African National Union-Patriotic Front (ZANU-PF) wurde er 1980 der erste Präsident Simbabwes, und regierte bis zu seinem Tod im Jahr 2019, als er von Mnangagwa abgelöst wurde.

In den westlichen Medien sei Mugabe als Tyrann verunglimpft worden, der jedoch in den ländlichen Gebieten Simbabwes und unter den traditionellen Stammeshäuptlingen eine starke Unterstützung genoss. Im Westen sei er vor allem deshalb unbeliebt gewesen, meint Kuzmarovso, weil seine Regierung a) panafrikanische und sozialistische Grundsätze vertrat, b) die Industrialisierung Simbabwes vorantreiben wollte, c) den Anti-Apartheid-Kampf unterstützte und d) die historischen Landreforminitiativen vorantrieb, die das koloniale Erbe Simbabwes überwinden sollten.

Im Jahr 2003 habe Mugabe außerdem eine Politik der Ausrichtung nach Osten begonnen, welche heute noch anhalte. Mnangagwa, der in den 1960er Jahren in China militärisch ausgebildet wurde, habe die Beziehungen Simbabwes zu China weiter vertieft. In den letzten 20 Jahren habe die US-Regierung die Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) verdeckt unterstützt, eine 1999 gegründete Oppositionspartei, die großzügige Mittel vom National Endowment for Democracy (NED) erhalten habe - einem CIA-Ableger, der Propaganda und pro-amerikanische politische Parteien unterstützt. Das ZDERA-Gesetz sei genau dann verabschiedet worden, als die MDC die Parlamentswahlen verloren hatte. Sein Hauptziel sei es gewesen, das politische Gewicht der MDC zu stärken, als Mugabes ZANU-PF-Partei gerade seine Landreforminitiative eingeleitet hatte.

Der bis zu seinem Tod im Jahr 2018 amtierende MDC-Führer Morgan Tsvangirai habe ein neoliberales Wirtschaftsprogramm vertreten, das Simbabwe für ausländische Ausbeutung öffnen wollte, und wurde beschuldigt, Mugabe ermorden zu wollen. Als Mugabe 2011 auf die Verstaatlichung von Unternehmen in ausländischem Besitz gedrängt habe und ein Gesetz bekräftigte, das Unternehmen in ausländischem Besitz, die mehr als 500.000 Dollar wert sind, dazu zwingt, zu mindestens 51 % in schwarzem Besitz zu sein, prangerte Tsvangirai den Plan als Plünderung und Ausbeutung durch eine gierige Elite an.

Der Artikel beschreibt dann die schrecklichen Auswirkungen der Sanktionen der USA und der EU auf die Bevölkerung des Landes. So habe sich z.B. der Zugang zur Gesundheitsversorgung in dieser Zeit erheblich verschlechtert. Firmen mussten schließen oder zumindest drastische Entlassungen vornehmen. Unter anderem wurde auch eine Firma betroffen, welche Desinfektionsmittel für Trinkwasser produziert, in dessen Folge Cholera und Typhusepidemien wieder auftraten. Die Kindersterblichkeitsrate und die Zahl der Frauen, die bei der Geburt starben, seien in die Höhe geschnellt, und Simbabwe habe unter einer starken Abwanderung von Fachkräften gelitten. Man sollte hinzufügen, dass dieser Brain-Drain für den Westen von Vorteil war.

Natürlich sei in den ehemaligen Kolonialländern für alles die korrupte Regierung verantwortlich gemacht worden. Obwohl unter Mugabes Führung in den späten 1990er Jahren Simbabwe noch eines der besten Gesundheits- und Bildungssysteme in Afrika hatte, die zweitgrößte Börse, und eine wichtige Kornkammer für die gesamte SADC-Region [Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft] gewesen sei. Die Sanktionen hätten der simbabwischen Regierung benötigte Kredite und Darlehen entzogen, die Steuerbasis zerstört, und die Wirtschaft zum Schrumpfen gebracht. Man muss fairerweise hinzufügen, dass den neuen Farmern außer Krediten auch Erfahrung, Markt-Beziehungen und Kenntnisse fehlten, weshalb viele nicht profitabel wirtschafteten.

Interessanterweise, so der Autor weiter, haben mächtige Wall-Street-Investmentfirmen wie BlackRock, Vanguard, State Street und Fidelity die Situation ausgenutzt, um kräftig an der Börse Simbabwes, Anteile an Firmen billig zu erwerben, die durch die Sanktionen in Schwierigkeiten geraten waren. Scheinbar seien diese Investoren gegen die Sanktionen der US-Regierung immun, meint der Autor.

Der Artikel weist dann darauf hin, dass Milton Allimadi, der einer der wichtigsten Experten vor dem Tribunal und Herausgeber von Black Star News ist, betont habe, dass ein Hauptziel der Sanktionen gegen Simbabwe darin bestehe, Südafrika und Namibia zu signalisieren, dass sie ihr Land nicht umverteilen sollten, da sie sonst mit ähnlichen Konsequenzen wie Simbabwe zu rechnen hätten. In Südafrika machen Europäer 8% der Wirtschaft aus, kontrollieren aber 72% des Landes, obwohl die Apartheid beendet wurde.

Als Allimadi Anfang der 2000er Jahre nach Simbabwe reiste, sah er mit eigenen Augen, wie die internationalen Medien logen: Er hatte von Übergriffen auf weiße Europäer in den Straßen von Harare und anderen simbabwischen Städten gelesen, konnte aber auf seiner Reise nichts dergleichen beobachten.

Der Artikel fährt fort zu erklären, dass, als Simbabwe unter Mugabes Führung unabhängig wurde, das Land gezwungen war, die Schulden von Smiths Apartheid-Regierung zu übernehmen. Aber Smith habe es versäumt, der mehrheitlich schwarzen Bevölkerung eine Grundversorgung in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Wohnen oder Energie zu verschaffen. Die USA und Großbritannien hatten zu dieser Zeit mit der südafrikanischen Apartheidregierung zusammen gearbeitet, um Simbabwe zu destabilisieren, das im Anti-Apartheid-Kampf als Operationsbasis für Anti-Apartheid-Aktivisten des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) eine Schlüsselrolle gespielt habe.

Der südafrikanische Apartheidstaat hatte dann daran gearbeitet, die Infrastruktur Simbabwes zu sabotieren, und Terroranschläge gefördert, auch im benachbarten Mosambik. Das habe die Wirtschaft und den Staat in noch größere Schulden gestürzt. Die CIA habe rechtsgerichtete Terroristen des mosambikanischen Nationalen Widerstands (RENAMO) unterstützt, die mit dem Apartheid-Südafrika verbündet waren und einen wichtigen Beitrag zur Destabilisierung der Region leisteten.

Nachdem Simbabwe 1980 nach einem langen Guerillakampf seine Unabhängigkeit erlangt hatte, sei ihm in den ZIMCORD-Gesprächen finanzielle Hilfe (4 Mrd. USD bis März 1983) und ein Schuldenerlass versprochen worden, der jedoch nie zustande kam und durch die ZDERA-Sanktionen verhindert wurde. Einer der Ankläger des Tribunals vertrete die Auffassung, dass die US-Sanktionspolitik ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei, das die Simbabwer diskriminiere. Es sei eine Form der kollektiven Bestrafung für Simbabwes politischen Widerstand gegen die von den USA dominierte Weltordnung und ein politisches Instrument zur Herbeiführung eines Regimewechsels.

Die US-Regierung behaupte, sie wolle die Demokratie in Simbabwe fördern, obwohl sie durch die Sanktionen Wahlen manipuliere und eine politische Partei, die MDC, unterstütze, die Analysten als terroristische Organisation betrachten, weil sie Zwang anwende und die Verfolgung und Tötung von Simbabwern durch Hunger, um politische Macht zu erlangen. Soweit der Artikel.

Fallbeispiel Somalia

Ähnlich wie Israel erfolgreich seit vielen Jahrzehnten die Staatenbildung Palästinas verhindert, haben die USA erfolgreich verhindert, dass eine einheitliche, starke somalische Nation entstand.

Ann Garrison erklärt in einem Artikel vom 14. Februar4), wie die USA den Kampf für eine somalische Nation unterdrückten und zerschlugen. Sie schreibt, dass, während Somalia darum kämpfte, seine ersten echten nationalen Wahlen seit dem Zusammenbruch des Landes im Jahr 1991 abzuhalten, die USA und ihre Verbündeten den Separatismus förderten, und die Demokratie untergruben, um das Land militärisch zu beherrschen und seine Ressourcen zu plündern.

In der Stadt Lasanod sei ein bewaffneter Konflikt zwischen Sezessionisten und Gewerkschaftern im Gange, bei dem die separatistischen Kräfte des somaliländischen Staates auf Zivilisten geschossen, und Berichten zufolge mehr als 82 Menschen getötet haben. Die somalischen Gewerkschafter hätten nun zu den Waffen gegriffen, um sich zu verteidigen, und eine Erklärung veröffentlicht, in der sie erklären, dass Lasanod von Somalias Hauptstadt Mogadischu aus verwaltet werden soll.

In einem Interview, das in diesem Format im Anhang zu lesen ist, stelle Dr. Abidiwahab Sheikh Abdisamad die jüngsten Kämpfe in den Kontext des viel größeren Kampfes um den Wiederaufbau der somalischen Nation und die Abhaltung nationaler Wahlen seit der völligen Destabilisierung des Staates im Jahr 1991. Wie Abdisamad erklärt, führe der Westen einen heimlichen Krieg, um Somalia schwach und zersplittert zu halten.

Somalias 2100 Meilen lange Küstenlinie sei so reich an Ressourcen und strategisch wichtig, dass ein wirklich souveränes Somalia für die USA und ihre westlichen Verbündeten ein Gräuel sei. Deshalb hätten die USA das Land mit ihren Truppen besetzt, es mit Drohnenbomben angegriffen, in seiner Hauptstadt eine eigene, abgeschottete Verwaltungseinrichtung eingerichtet, eine gescheiterte friedenserhaltende UN-Operation überwacht, eine Marionettenregierung unterstützt, die das Land regiert, und das Militärbündnis AFRICOM sowie eine EU-Marinepatrouille entlang der somalischen Küste organisiert.

Das Land leide seit Jahrzehnten unter zügelloser Fischplünderung und der Ablagerung von Giftstoffen. Einige Investoren schätzen, führt der Artikel aus, dass Somalia über die größten unerschlossenen Küstenölreserven der Welt verfüge. Das Land liegt in der Nähe der Bab-El-Mandeb-Straße und der Straße von Hormuz, durch die täglich 40 % des weltweiten Erdöls fließen. Außerdem verfügt es über fünf Häfen an der Schnittstelle zwischen Afrika, dem Nahen Osten und Asien.

Das Problem des somalischen Föderalismus

Somalia werde von einem Kampf zwischen Sezessionisten und Unionisten, die sich auch als Nationalisten bezeichnen, geplagt. Beamte in allen sechs föderalen Mitgliedstaaten widersetzen sich bis zu einem gewissen Grad der föderalen Autorität. Die meisten separatistischen politischen Bewegungen gebe es in Jubaland, Puntland und vor allem in Somailand, das auch Vertreter in das Bundesparlament in Mogadischu entsende.

Beamte in Hergeisa, der Hauptstadt Somalilands, bemühten sich seit 30 Jahren um die Anerkennung als unabhängiger Staat, aber weder die Vereinten Nationen noch einer ihrer 193 Mitgliedsstaaten hätten dem zugestimmt. Berichten zufolge sei die Stimmung für eine Abspaltung Somalilands in der Landeshauptstadt Hergeisa am stärksten.

In einem Abschnitt des National Defense Authorization Act (NDAA) der USA aus dem Jahr 2023 würden jedoch die USA informell die Unabhängigkeit Somalilands anerkennen, indem das Gesetz einen Plan für eine direkte militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und dem abtrünnigen Staat skizziere.

Der Kampf um eine Volksabstimmung

Die USA und ihre Verbündeten hätten erfolgreich verhindert, dass Somalia das im Westen praktizierte Wahlsystem einführt, mit dem jeder Wähler eine Stimme hat. Dadurch hätten sie die Niederlage von Präsident Mohammed Abdullahi Mohammed, auch bekannt als Farmaajo, herbeigeführt. Details dazu im Anhang. Es sei ein äußerst populärer Präsident gewesen, der versucht habe, ein Militär aufzubauen, das in der Lage sein sollte, die somalische Souveränität zu verteidigen und ausländische Truppen, einschließlich der US-Truppen, von somalischem Boden zu entfernen.

Die meiste Zeit der letzten 32 Jahre habe Somalia keine Regierung gehabt, die in der Lage gewesen sei, das Territorium oder Küste zu sichern. Dr. Abdiwahab Sheikh Abdisamad, ein somalischer Kenianer und Vorsitzender des Instituts für das Horn von Afrika, beklagte, dass Somalia, durch den vom Westen unterstützten fake Föderalismus, heute nicht mehr als ein UN-Sitz und eine Flagge sei.

Er führte jedoch auch aus, dass, wenn von den westlichen Großmächten zugelassen würde, dass in Somalia eine Wahl wie z.B. in Europa stattfindet, eine Wahl, in der jede Person eine Stimme hat, die Marionetten-Parlamentarier und der Marionetten-Präsident Hassan Sheikh Mohammed aus dem Amt gefegt würden und der ehemalige Präsident Farmaajo mit einem Erdrutschsieg gewählt werden könnte.

Das Interview mit vielen Details findet sich im Anhang. Es gibt einen tiefen Einblick in die post-koloniale Politik des Westens, und das Denken der Intellektuellen des Globalen Südens.

Aussicht

Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass der neu gewählte Präsident Lula sich den USA, stärker als bisher von mir angenommen, angenähert hat.

Dieses und andere Themen, die den Globalen Süden bewegen, wieder am nächsten Donnerstag an dieser Stelle.

Quellen und Anmerkungen:

1) https://covertactionmagazine.com/2023/02/16/u-s-sanctions-against-zimbabwe-condemned-as-crime-against-humanity/ 2) https://sanctionstribunal.org/ 3) "Wir fordern die simbabwische Regierung auf, sinnvolle Schritte zur Schaffung eines friedlichen, wohlhabenden und politisch dynamischen Simbabwes zu unternehmen und die Ursachen für viele Übel in Simbabwe anzugehen: korrupte Eliten und deren Missbrauch der Institutionen des Landes zu ihrem persönlichen Vorteil. Das Ziel von Sanktionen ist eine Verhaltensänderung. Die heutigen Maßnahmen demonstrieren unsere Unterstützung für ein transparentes und wohlhabendes Simbabwe." (1) 4) https://thegrayzone.com/2023/02/14/us-crushed-struggle-somali-nation/ Interview mit Dr. Abdiwahab Sheikh Abdisamad [Vorabbemerkung: Ähnlichkeiten zwischen Clan in Somalia und Partei in Deutschland sind rein zufällig, ebenso wie die Verweigerung einer Volksabstimmung.]

ANN GARRISON: Das Parlament wird also von Clanältesten gewählt, aber Farmaajo und seine Anhänger argumentieren, dass alle somalischen Bürger das Recht haben sollten, zu wählen. Was würde passieren, wenn Somalia ein Wahlsystem wie in Europa hätte, d.h. 1 Wähler, 1 Stimme?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Wenn heute eine Wahl mit einer Person und einer Stimme stattfinden würde, würde keiner der derzeitigen Politiker zurückkehren! Nicht einer! Keiner von ihnen!

ANN GARRISON: Sie würden alle rausfliegen?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ja! Keiner von ihnen würde wieder an die Macht kommen! Sie würden alle aus dem Parlament und der Exekutive verschwinden! Nicht einer von ihnen würde zurückkehren! Denn diese Leute wurden von den Feinden Somalias handverlesen, und die Somalier wissen das. Das sind Handlanger. Die Menschen in Somalia sind so wütend, weil die westliche Welt, die behauptet, die Welt der Demokratie zu sein, sich weigert, den Somaliern zu erlauben, ihre eigenen Führer in einer Wahl mit One man one vote zu wählen. Der Westen will keine Demokratie für die Somalier! Nach 32 Jahren des Konflikts, der auf den Zusammenbruch des Staates im Jahr 1991 folgte, leben vierzig oder fünfzig Prozent der Somalier in städtischen Zentren und Lagern für Binnenvertriebene (IDPs). Sie können leicht an die Urnen gehen und wählen, wen sie wollen. In Mogadischu. In Baidoa. In Kismayo. In Garowe. In Beledweyne. In Galkayo.

ANN GARRISON: Was ist mit den Wüstennomaden, die, wie ich glaube, noch vor fünfzehn Jahren die Mehrheit bildeten, und den Bauern und Fischern in abgelegenen Gebieten?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Für sie wäre es schwieriger, aber sie könnten zu den Wahlen gehen oder die Wahlen könnten zu ihnen kommen. Leider sind die multinationalen Unternehmen sowie westliche und andere ausländische Beamte nicht bereit, dies zuzulassen. Denn wenn sie das täten, würde keiner der von ihnen ausgesuchten Politiker jemals wieder in die Staatskanzlei oder in die Villa Somalia zurückkehren, wo der Präsident residiert. So einfach ist das. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass Farmaajo, wenn heute eine Wahl nach dem Prinzip eine Person - eine Stimme angesetzt würde, mit einem Erdrutschsieg gewinnen würde. Ich sage Ihnen, daran gibt es keinen Zweifel! Aber die westliche Welt war gegen ihn. Kenia und die Vereinigten Arabischen Emirate waren gegen ihn. Multinationale Unternehmen waren gegen ihn. Korrupte Clans waren gegen ihn. Die derzeitige Generation von Politikern, einschließlich des Präsidenten, wurde von den Feinden Somalias handverlesen. Sie sind ein Haufen von Pseudo-Führern. Sie haben weder eine Vision noch eine Mission für Somalia.

ANN GARRISON: Wie haben die USA und andere ausländische Organisationen die Niederlage von Farmaajo eingefädelt? Mehrere Quellen haben berichtet, dass eine Menge Bestechung im Spiel war.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ich will es Ihnen sagen. Die Gouverneure und Clan-Ältesten der föderalen Mitgliedsstaaten arbeiten für die westliche Welt und ihre Verbündeten in der Region, insbesondere für die VAE, aber vor allem für die westliche Welt. Die Gouverneure der Bundesstaaten wählten die Clan-Ältesten aus, die wiederum die Delegierten auswählten, die die Parlamentarier wählten. Die Parlamentarier wählten dann Hassan Sheikh Mohammed. Es war eine komplexe, schwerfällige und völlig korrupte Wahl. Keiner dieser Abgeordneten wurde vom Volk gewählt. Und er war es auch nicht! Die meisten der heutigen Parlamentsmitglieder sind eher für die Interessen des Auslands als für die Interessen ihres eigenen Volkes da. Es tut mir leid, das zu sagen, aber es ist eine Tatsache. Geld hat den Besitzer gewechselt. Ausländische Regierungen und Akteure finanzieren die Aktivitäten der meisten somalischen Gesetzgeber von heute.

ANN GARRISON: Wer sind die ausländischen Länder und was sind ihre Interessen?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Die USA, das Vereinigte Königreich, die EU und die NATO-Länder wollen Somalia schwach und zersplittert halten, damit sie die Giftverklappung, die Fischplünderung und die Ölausbeutung fortsetzen können, die jetzt im Anfangsstadium ist. Und weil, wie Sie sagten, Somalia geostrategisch so günstig gelegen ist. Die Vereinigten Arabischen Emirate würden gerne den somalischen Staat Puntland annektieren, wo sie bereits über wirtschaftliche und politische Macht verfügen.

ANN GARRISON: Sie sagen, dass das derzeitige Parlament und der Präsident für die westliche Welt arbeiten, aber Sie sagen auch, dass die VAE und Kenia sich mit ihren eigenen räuberischen Motiven eingemischt haben.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Das ist richtig.

ANN GARRISON: Sind sie Verbündete der USA und kollaborieren sie in diesem Fall?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Die VAE mischen sich ein und bestechen Politiker in Somalia, vor allem in den Staaten Puntland, Somaliland, Galmudug und Hirshabelle sowie in der Hauptstadt Mogadischu, und sie arbeiten mit den USA zusammen. Weder sie noch andere ausländische Mächte können sich in Somalia einmischen, wenn die USA und das Vereinigte Königreich ihnen nicht grünes Licht geben. Kenia hat sich in die somalische Politik eingemischt, als Uhuru Kenyatta Präsident war. Seit 2011 sind Tausende von kenianischen Truppen im Rahmen der UN-Mission in Jubaland stationiert, aber der neue Präsident William Ruto scheint Kenias Außenpolitik gegenüber Somalia zu verbessern und zu versuchen, die Wahrnehmung Kenias durch die Somalier zu ändern. Er will einfach ein guter Nachbar und Geschäftspartner für Somalia, Äthiopien und Eritrea sein.

ANN GARRISON: Es scheint endlos destabilisierende Nebenhandlungen zu geben. Das kenianische Militär arbeitet mit Al Shabaab zusammen, um Holzkohle aus Somalia in die Golfstaaten zu schmuggeln. Dafür fällen sie Bäume in einem Wüstenstaat. Die Golfstaaten und andere Nachbarländer bemühen sich um die Kontrolle somalischer Häfen. Die VAE betreiben bereits den Hafen von Berbera in Somaliland, wo die USA einen Marinestützpunkt errichten wollen, ohne die Zustimmung der Bundesregierung. Außerdem sind sie dabei, sich in den Hafen von Bosaso in Puntland einzukaufen.

Berichten zufolge wollen die Vereinigten Arabischen Emirate auch den Hafen von Kismayo in Jubbaland ausbauen und betreiben, aber auch Kenia will diesen Hafen. Und die Türkei scheint sich in den Hafen von Mogadischu einzukaufen. Die Regierungen Ugandas und Burundis verdienen viel Geld mit der Entsendung von Truppen für die UN-Friedensmission, die Al Shabaab bekämpfen soll, und die Truppen verdienen viel mehr, als sie zu Hause verdienen würden. Das letzte, was sie tun wollen, ist also, Al Shabaab zu besiegen. Lokale Behörden schließen unter Umgehung der Bundesregierung in Mogadischu illegale Verträge über Ölbohrungen ab, insbesondere in Somaliland und Puntland, und Kenia schloss einen Vertrag über Bohrungen in Gewässern, die nach einem Urteil des Internationalen Gerichtshofs zu Somalia gehören.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Und die privaten militärischen Sicherheitsunternehmen mit Sitz in Halane, der Grünen Zone, machen, was sie wollen. Sie betreiben ihre eigenen illegalen Bergbau- und Schmuggeloperationen. Sie sprengen Berge in die Luft, um an die Mineralien zu gelangen.

ANN GARRISON: Im November letzten Jahres berichtete Middle East Eye, dass Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate eine Söldnerarmee aus 3000 verarmten jungen somalischen Männern rekrutiert haben. Der Zweck war nicht klar, aber die ägyptische Beteiligung machte die Äthiopier nervös, weil sie befürchteten, dass Ägypten diese jungen Männer einsetzen könnte, um Äthiopien zu destabilisieren, weil sie um das Wasser des Nils und den Großen Äthiopischen Renaissance-Damm streiten.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Das ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie Ausländer von der Schwäche und Zersplitterung Somalias profitieren. Eine weitere Geschichte von 1001 gesetzlosen Nächten in Somalia.

ANN GARRISON: Das klingt fast so schlimm wie im Osten der Demokratischen Republik Kongo.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Es ist ein ähnliches Chaos.

ANN GARRISON: Ich habe Somalias Nachbarland Eritrea besucht, das das Gegenteil von Somalia zu sein schien. Ich sah ein armes Land auf einem langsamen, aber stetigen Entwicklungspfad, mit einer ruhigen, entspannten Atmosphäre. Es war friedlich, niemand bettelte oder schlief auf der Straße, und ich dachte nicht ein einziges Mal daran, meine Brieftasche zu sichern, aber ich kann mich nicht erinnern, bewaffnetes Militär oder Polizei gesehen zu haben. Vielleicht war es einfach so ruhig, dass ich ein oder zwei Polizisten übersehen habe.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ich war auch schon in Eritrea und kann alles bestätigen, was Sie sagen. Eritrea ist nicht so, wie es in den westlichen Medien dargestellt wird. Sie sind durchweg negativ über Eritrea. Aber das Gegenteil von allem, was sie sagen, ist wahr. Eritrea arbeitet daran, sich bis 2030 vollständig mit Nahrungsmitteln zu versorgen, und bis jetzt wurden 600.000 Hektar von 2,1 Millionen Hektar Ackerland kultiviert. In Eritrea sind Wohnen, Bildung und Gesundheit kostenlos oder im Vergleich zu den Nachbarstaaten relativ preiswert. Eritrea ist außerdem ein schuldenfreies Land. Es ist der Schuldenfalle entkommen, die die meisten afrikanischen Staaten lähmt, aber keiner der zahllosen westlichen Kritiker erwähnt das jemals. Sie hassen es, dass Eritrea schuldenfrei ist, weil das bedeutet, dass es nicht vom IWF, der Weltbank und den anderen globalen Banken in die Unterwerfung gewürgt werden kann.

ANN GARRISON: Eritrea hat auch nur eine Militär- und Kommandostruktur, wie es sich für eine souveräne Nation gehört, im Gegensatz zu Somalia.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ja, im Gegensatz zu Somalia! Dort konnte man die Zahl der Streitkräfte und Kommandos nicht zählen! In Somalia gibt es US-Truppen, AFRICOM-Truppen, UN-Truppen und Clan-Milizen, die alle gegen Al Shabaab kämpfen sollen. Wie konnten all diese Truppen mit all dieser Feuerkraft 14 Jahre lang gegen Al Shabaab kämpfen, ohne sie zu besiegen? Sie werden kein achtjähriges Kind in Somalia finden, das glaubt, dass all diese Truppen wirklich gegen Al Shabaab kämpfen! Hinzu kommen die bereits erwähnten privaten militärischen Sicherheitsfirmen, die sich in alle Richtungen austoben. Und in der Zwischenzeit sind die somalischen Streitkräfte sehr schwach und schlecht bewaffnet, weil die UNO seit 1992 ein Waffenembargo gegen Somalia verhängt hat.

ANN GARRISON: Ich erinnere mich, dass der UN-Sicherheitsrat dieses Embargo im vergangenen Jahr trotz der Einwände Somalias und der Afrikanischen Union verlängert hat. Russland, China, Gabun und Ghana enthielten sich zur Unterstützung Somalias und der Afrikanischen Union der Stimme.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ja.

ANN GARRISON: Was machen die US-Truppen dort, wenn sie nicht wirklich gegen Al Shabaab kämpfen?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Al Shabaab ist der Vorwand der USA für ihre militärische Präsenz, um Ressourcen zu kontrollieren und militärisch zu dominieren. Aber Al Shabaab würde nicht existieren, wenn die USA nicht die äthiopische Stellvertreterinvasion und Besetzung Somalias von 2006 bis 2009 organisiert hätten, als die Tigray People's Liberation Front (TPLF) in Äthiopien noch an der Macht war. Die Extremisten der Al Shabaab entstanden, als die TPLF einmarschierte und die Islamischen Gerichte stürzte. Die Gerichtshöfe waren nicht extremistisch, aber Al Shabaab ist es, und Al Shabaab entstand, als die Gerichtshöfe fielen. Viele Somalier glauben, dass die USA Al Shabaab buchstäblich organisiert haben, aber ob das nun stimmt oder nicht, Al Shabaab würde ohne die USA nicht existieren, und sie sind trotz des Waffenembargos sehr gut bewaffnet.

ANN GARRISON: Eritrea hat einen starken Staat. Es bildet seine eigenen Sicherheitskräfte aus und kontrolliert sie, weigert sich, mit AFRICOM zusammenzuarbeiten, und schützt seine 600 Meilen lange Küste am Roten Meer trotz der unerbittlichen Verurteilung durch die USA/EU/NATO-Staaten und deren Presse. Kürzlich wurde berichtet, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow in Eritrea war, um mit Präsident Isaias Afwerki über die Logistik- und Transitmöglichkeiten zu sprechen, die der Hafen von Massawa am Roten Meer und der dazugehörige Flughafen bieten.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Wenn Somalia seine eigene Küste kontrollieren würde, würden Eritrea und Somalia 3.000 Meilen fast zusammenhängender Küstenlinie in einigen der geostrategisch wichtigsten Gewässer der Welt kontrollieren, mit nur Dschibutis 230 Meilen zwischen ihnen. Das wäre einer der schlimmsten Albträume des Westens. Das ist einer der Hauptgründe, warum die USA nicht bereit waren, die gemeinsame Erklärung über eine umfassende Zusammenarbeit zwischen Äthiopien, Somalia und Eritrea zu tolerieren, die 2018 vom äthiopischen Premierminister Abiy Ahmed, dem eritreischen Präsidenten Isaias Afwerki und dem damaligen somalischen Präsidenten Farmaajo unterzeichnet wurde.

Clan- versus moderne Staatssysteme

ANN GARRISON: Eine Volksabstimmung würde das derzeitige 4,5-Clan-System ersetzen. Können Sie das 4,5-Clan-System erläutern?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Nach der 4,5-Formel erhalten die vier "großen" Clans Hawiye, Rahanweyn, Dir (einschließlich des Isaaq-Clans) und Daarood gleich viele Parlamentssitze. Jeder dieser Clans hat 61 Sitze im Unterhaus, dem Haus des Volkes. Das macht 244 Sitze. Die übrigen 31 Sitze sind für kleinere Clans reserviert, aber seit 1979 hat es keine Volkszählung mehr gegeben, so dass die Zahl dieser Clans nicht genau bekannt ist. Das Oberhaus, der Senat, der 54 Sitze hat, wird von den Staaten gewählt. Dieses System entstand während des somalischen Bürgerkriegs, der mit dem Zusammenbruch des Staates im Jahr 1991 begann. Der Krieg dauerte bereits neun Jahre, als die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft im Jahr 2000 eine regionale Konferenz in Arta (Dschibuti) veranstalteten, um ihn zu beenden. Auf dieser Konferenz verhängte das ehemalige, von den USA unterstützte TPLF-Regime in Äthiopien zusammen mit dem von den USA unterstützten Präsidenten Ismail Omar Geele aus Dschibuti diese 4,5-Formel über Somalia, um die Spaltung zwischen den somalischen Clans zu vertiefen und den Krieg zu verlängern.

ANN GARRISON: Das war in den 20 Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als die USA die Welt, einschließlich der Vereinten Nationen, so ziemlich im Griff hatten, so dass wir wohl davon ausgehen können, dass die USA diesem Plan zustimmten.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ich stimme zu.

ANN GARRISON: Es ist wahrscheinlich wichtig, an dieser Stelle zu sagen, dass "Clan" etwas anderes ist als ethnische Zugehörigkeit. Das ist zweifellos eine grobe Vereinfachung, aber die Somalier haben zum großen Teil eine gemeinsame Sprache, Kultur und Religion, oder? Ich glaube also nicht, dass Sie unter ethnischen Konflikten leiden, wie es im benachbarten Äthiopien der Fall ist.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Das ist richtig. Bei uns gibt es keine konkurrierenden Ethnien wie in Äthiopien.

ANN GARRISON: Welchem Zweck diente das Clansystem vor dem Kolonialismus und den nationalen Grenzen?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Früher kontrollierten und verteidigten die Clans Gebiete, die von nomadischen Hirten zum Weiden und Tränken ihrer Herden genutzt wurden. Doch heute kann sich die Bevölkerung in fast ganz Somalia frei von einer Region zur anderen bewegen. Woher kommen die Spaltung und die Spannungen zwischen den Clans, wenn sich die Menschen frei bewegen können und keine Angst haben müssen, in das Gebiet eines anderen Clans einzudringen? Sie kommen von den Politikern und den Eliten, die das alte Clan-System missbrauchen, insbesondere dort, wo die Clan-Identität noch stark ausgeprägt ist, um Macht, Ressourcen und Land zu erlangen und sich zu bereichern.

ANN GARRISON: Wann haben die Clans aufgehört, um ihr Territorium zu konkurrieren, um zu weiden und ihre Herden zu tränken? Oder taten sie das?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Das einheimische Clan-Regierungssystem brach zusammen, als 1960 mit der Unabhängigkeit der moderne Staat Somalia entstand. Zwischen 1960 und 1969 existierte es noch, aber es war schwach. Im Jahr 1969 übernahmen die Militärs die Macht, führten den so genannten wissenschaftlichen Sozialismus ein und starteten eine massive Kampagne für die öffentliche Infrastruktur, um Somalia zu einem modernen Staat zu machen. Dadurch wurde das Clansystem weiter zerstört.

ANN GARRISON: Ich glaube, dass die Mehrheit der Bevölkerung bis weit in dieses Jahrhundert hinein ein nomadisches Leben als Hirten führte.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Der Staat setzte seine militärische Macht ein. Er setzte Sicherheitskräfte in den Gebieten ein, in denen Clankriege stattfanden. Er wandte sich an die Clan-Ältesten, um die Vermittlung zwischen den Clans zu erleichtern. In einigen Fällen setzte er Gewalt ein, um gestohlenes Vieh zurückzuholen.

ANN GARRISON: Ich glaube, es gab neben der Mehrheit der nomadischen Viehzüchter auch zwei Minderheiten, Bauern und Fischer. Wie wirkte sich das Clansystem auf sie aus?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Die Bauern- und Fischereigemeinschaften, die die Minderheitsgemeinschaften darstellen, haben untereinander keine Clanprobleme. Clankonflikte sind in der nomadischen Gesellschaft stark ausgeprägt. Die Fischergemeinschaften haben sich vor Jahrhunderten in den Küstenstädten niedergelassen, und die politische Machtverteilung behandelt sie als einen Clan. Die meisten von ihnen stammen ursprünglich aus der arabischen Welt, Persien und sogar Portugal. Und ehemalige Sklaven. Diese Gemeinschaften wurden Teil der somalischen Gesellschaft. Die Bauerngemeinschaften sind somalische Bantu und werden ebenfalls wie ein einziger Clan behandelt.

ANN GARRISON: "Clans" und "Clan-Älteste" haben einen positiven Klang, der auf lokale Bräuche und Traditionen hindeutet, aber Sie beschreiben ein System, das durch und durch von ausländischem Einfluss und eigennützigen Interessen korrumpiert ist.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ja.

ANN GARRISON: Dienen die Clans in Somalia heute einem positiven Zweck?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: In einigen Fällen leisten die Clanältesten der Gemeinschaft gute Dienste. Sie vermitteln zwischen sich bekriegenden Clans und Stämmen innerhalb von Clans. Clanmitglieder unterstützen sich gegenseitig finanziell und entschädigen Familien für den Tod von Clanmitgliedern bei Clankonflikten.

ANN GARRISON: Worum streiten sich die Clans heute, wenn nicht um das Territorium zum Weiden und Tränken der Herden?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Die Clans kämpfen jetzt um Macht auf lokaler und nationaler Ebene. Sie ringen um Macht und Einfluss im politischen System.

ANN GARRISON: Farmaajo schrieb in seiner Magisterarbeit, dass ein Teil der Bevölkerung die politische Macht eher in der Regierung als in den Clans sucht, ohne jedoch die Clan-Bündnisse aufzugeben. Ich glaube, Sie beide stimmen darin überein, dass die somalische Staatsbürgerschaft an die Stelle der Clan-Identität und des Clan-Bündnisses treten muss, damit Somalia überleben kann, so wie die äthiopische Staatsbürgerschaft an die Stelle der ethnischen Identität treten muss, damit Äthiopien überleben kann.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ja, so sollte es sein. Um die Souveränität und territoriale Integrität Somalias zu wahren, muss die Nation die Staatsbürgerschaft über die Clanidentität stellen. Nur so kann der somalische Staat überleben.

ANN GARRISON: Und eine Volksabstimmung - eine Person - eine Stimme - ist für dieses Projekt unerlässlich?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ja, wenn die Bürger, nicht die Clans, ihre Führer wählen, wird das die Spaltung der Clans und die Korruption in Somalia verringern. Die Bürger müssen in der Lage sein, ihre eigene Wahl zu treffen, unabhängig von ihrem Clan, auf der Grundlage der Prinzipien und der Führungsqualitäten eines Kandidaten. Das würde die Vorherrschaft der 4,5-Clan-Formel zerstören, die zu einer Art politischem Mafiasystem geworden ist, einschließlich der Korruption durch ausländische Mächte.

ANN GARRISON: Ich habe die Berichte über den Kampf für eine Volksabstimmung studiert, die bis ins Jahr 2017 zurückreichen, als eine nationale Wahlkommission begann, eine Ein-Personen-Wahl mit einer Stimme zu planen, die 2021 stattfinden sollte, bevor die Amtszeit von Farmaajo und dem amtierenden Parlament auslief. Vielleicht können Sie mir also sagen, was Sie von meiner Zusammenfassung halten.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Das werde ich gerne tun.

ANN GARRISON: Im Dezember 2019 stimmte das Unterhaus für die Einführung des Ein-Mann-Wahlrechts. Im Februar 2020 verabschiedete das Oberhaus das gleiche Gesetz und Farmaajo unterzeichnete es zwei Wochen später. Im Mai 2020 berichtete UN News, dass Somalia trotz COVID-19 auf dem Weg zu den ersten Ein-Personen-Wahlen seit 51 Jahren war, doch dann begann der Plan zu scheitern. Die Regierungen der föderalen Mitgliedstaaten begannen, die Zusammenarbeit zu verweigern, insbesondere Somaliland, Puntland und Jubaland, die drei Staaten, die am meisten mit den USA, dem Vereinigten Königreich, Kenia und den Vereinigten Arabischen Emiraten verbündet sind. Die Spannungen nahmen zu, und Wahltermine wurden nicht eingehalten. Im November 2020 berichtete die Brookings Institution, dass westliche Mächte Farmaajo dazu gedrängt hatten, die Ein-Personen-Wahl aufzugeben:

Unter dem Druck der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und der Vereinten Nationen gab Mohamed im September 2020 das Ziel "eine Person, eine Stimme" auf, und die politischen Führer Somalias akzeptierten das sogenannte Mogadischu-Modell: Clan-Älteste, die von den Clans ernannt und von den Bundes- und Landesbehörden überprüft werden, wählen die Delegierten für die Wahlkollegien aus. Diese Wahlkollegien, die für jeden Parlamentssitz in der unteren Kammer eingerichtet werden, wählen die Vertreter des Parlaments, die dann den Präsidenten wählen. Die Landesversammlungen wählen die Mitglieder des Oberhauses". Dennoch gerieten Mogadischu und die föderalen Mitgliedstaaten weiter aneinander und konnten sich nicht auf ein Verfahren einigen. Wahltermine wurden erneut nicht eingehalten, Gewalt brach aus, und am 7. April 2021 schrieb das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED): "Die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Somalia werden in einem allgemeinen Klima der politischen Spannungen und Gewalt stattfinden. Eine Verfassungskrise, die durch den monatelangen politischen Stillstand zwischen Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed 'Farmaajo' und der Opposition geschürt wurde, droht zu einem gewalttätigen Konflikt zu eskalieren, in dem die Streitkräfte der Föderation gegen staatliche Milizen und bewaffnete Clans mit konkurrierenden Loyalitäten antreten." Innerhalb einer weiteren Woche verabschiedete das amtierende Parlament eine Maßnahme, die ihre und Farmaajos Amtszeit um zwei Jahre verlängerte, bis Wahlen nach dem Prinzip "eine Person, eine Stimme" abgehalten werden können. Farmaajo unterzeichnete das Gesetz, und die USA verurteilten ihn sofort und drohten mit Sanktionen und der Kürzung von Hilfsgeldern, ohne anzuerkennen, dass es sich um eine Volksabstimmung handelte.

Haben Sie diese Maßnahme zur Verlängerung der Amtszeit um zwei Jahre befürwortet? Waren Sie der Meinung, dass damit ernsthaft beabsichtigt war, die Verpflichtung zur Ein-Personen-Wahl zu erneuern?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ja. Farmaajo und das amtierende Parlament haben immer noch versucht, die Ein-Personen-Wahl zu verteidigen.

ANN GARRISON: OK, dann wurden Sie sechs Monate später, im September 2021, von der kenianischen Polizei, die als Söldner arbeitete, entführt, 12 Tage lang festgehalten und dann freigelassen mit der Warnung, sich aus somalischen und äthiopischen Angelegenheiten herauszuhalten, Farmaajo nicht mehr zu unterstützen, sich nicht mehr gegen Premierminister Mohamed Hussein Roble zu stellen und Ihre Kollegen zu warnen, dasselbe zu tun. Wer ist der ehemalige Premierminister Roble?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Mohammed Hussein Roble war der korrupteste Premierminister, den Somalia je hatte. Er wurde innerhalb von 18 Monaten märchenhaft reich, indem er Bestechungsgelder von Ausländern und regionalen Mitgliedsstaaten annahm, um ihre korrupten Geschäfte umzusetzen. Er verwandelte das Amt des Premierministers in sein persönliches Unternehmen und war gegen die Ein-Personen-Abstimmung.

ANN GARRISON: Ich nehme also an, dass Sie von Söldnern entführt wurden, die für ihn und seine Kumpane arbeiten?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Von der kenianischen Polizei, die als Söldner arbeitet.

ANN GARRISON: Im Dezember 2021 forderte das US-Außenministerium "glaubwürdige, transparente und integrative Parlaments- und Präsidentschaftswahlen", wiederum ohne anzuerkennen, dass es um eine Volksabstimmung ging.

Ebenfalls im Dezember 2021 forderte die somalisch-amerikanische Kongressabgeordnete Ilhan Omar im Unterausschuss für Afrika des Repräsentantenhauses die US-Unterstaatssekretärin für afrikanische Angelegenheiten, Molly Phee, auf, mit "Zuckerbrot und Peitsche" Druck auf Somalia auszuüben, um "ordnungsgemäße Wahlen" abzuhalten. Wie das Außenministerium hat auch sie nicht anerkannt, dass es sich um eine Volksabstimmung handelt:

Ilhan Omar: Wenn wir von der ostafrikanischen Region sprechen, wissen wir, dass in Somalia seit über einem Jahr keine Wahlen stattgefunden haben. Dieser Konflikt dauert noch immer an. Wie stehen die USA zu dem Versuch, Druck auf die somalische Regierung auszuüben, damit sie sich auf einen Prozess einlässt, der die Durchführung ordnungsgemäßer Wahlen ermöglicht?

Molly Phee: Wir stimmen Ihnen absolut zu, dass die Wahlen von entscheidender Bedeutung sind. Zunächst müssen die Parlamentswahlen abgeschlossen werden, damit der Staat für die Präsidentschaftswahlen gerüstet ist. Das ist Teil unseres Engagements mit der Regierung, allen Parteien in Somalia und mit all den vielen regionalen und internationalen Akteuren, die ebenfalls in Somalia aktiv sind, damit es eine einheitliche Botschaft gibt. Wie Sie wissen, läuft das AMISOM-Mandat [die UN-Friedensmission] demnächst aus, und wir prüfen, wie dieses Mandat umgestaltet werden kann, um sowohl den politischen Prozess als auch den Kampf gegen Al Shabaab zu unterstützen. Diese Situation wird also nicht vernachlässigt. Es ist nach wie vor schwierig, die Parteien davon zu überzeugen, dass sie sich in die richtige Richtung bewegen. Bei den Parlamentswahlen wurden einige Fortschritte erzielt, aber es muss mehr getan werden, und zwar schneller, um Somalia auf den Weg zur Selbstversorgung zu bringen. Das ist also ein Bereich, über den wir mit den somalischen Führern und mit unseren Partnern in der Afrikanischen Union und in Europa, die einen Teil der AMISOM finanzieren, aktiv diskutieren.

Ilhan Omar: Und um auf die Frage meines Kollegen von vorhin einzugehen: Welche Mechanismen setzen wir ein, um sicherzustellen, dass Somalia unsere Position versteht und den richtigen Kurs einschlägt?

Molly Phee: Ich denke, eine der Lektionen, die wir aus Afghanistan gelernt haben, die ich persönlich gelernt habe und die auch Minister Blinken gelernt hat, ist, dass es nicht unbedingt ausreicht, mehr vom Gleichen zu tun, so dass wir uns wirklich bemühen, den Somaliern klar zu machen, dass sie nicht unbegrenzt von internationaler Hilfe abhängig sein können und dass sie eine Rolle bei der Führung und Verwaltung ihres eigenen Landes spielen müssen. Das ist also der Geist, der unser Konzept für Somalia durchdringt.

Am 27. Dezember 2021 twitterte sie, dass Farmaajo gehen solle: Im Januar 2022 drohten die USA erneut mit Sanktionen, und im Februar verhängten sie wegen der Wahlverzögerungen Sanktionen gegen somalische Beamte.

Ende Februar 2022 drohte der Internationale Währungsfonds, bei dem die USA ein Vetorecht haben, schließlich mit der Streichung von Finanzmitteln, von denen Somalia abhängt, wenn die Wahlen auf Clan-Basis nicht bis Mai abgeschlossen werden. The Caravel, die Zeitschrift für internationale Angelegenheiten der Georgetown University, berichtete: "Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat damit gedroht, sein Programm in Somalia nach den lange verschobenen nationalen Wahlen zu stoppen. Das IWF-Programm unterstützt die Finanzierung von Militärgehältern und anderen wichtigen Dienstleistungen in Somalia und soll im Mai auslaufen, wenn es zu weiteren Verzögerungen bei den Präsidentschaftswahlen kommt. Die Überprüfung des IWF-Unterstützungsprogramms für Somalia muss bis zum 17. Mai abgeschlossen sein, und wenn sie bis zu diesem Datum nicht abgeschlossen ist, läuft das Programm automatisch aus", erklärt Laura Jaramillo Mayor, die Leiterin der IWF-Mission in dem Land.

Wenn diese Mittel gestrichen werden, hätte dies schwerwiegende Auswirkungen auf den Haushalt des Landes und würde eine Vereinbarung zur Reduzierung der Schulden von 5,2 Milliarden Dollar im Jahr 2018 auf 557 Millionen Dollar gefährden", erklärte der Bürgermeister. Der somalische Finanzminister Abdirahman Beileh wies diese Bedenken jedoch mit den Worten zurück: "Wir sind zuversichtlich, dass die Wahlen rechtzeitig abgeschlossen werden, damit das Reformprogramm nicht beeinträchtigt wird. Bisher gab es keine größeren Probleme bei der Erfüllung der IWF-Auflagen, und wir erwarten auch keine."

Im April 2022 wurden die Parlamentswahlen schließlich abgeschlossen. Die BBC brachte einen Bericht über den jahrelangen Prozess mit dem Titel "Somalia's elections - where the people don't vote".

Am 16. Mai 2022, einen Tag vor dem Auslaufen der kritischen IWF-Finanzierung, wählte das neue somalische Parlament Hassan Sheikh Mohamud, den berüchtigten korrupten früheren Präsidenten, zum Nachfolger von Farmaajo. Während des gesamten Prozesses gaben sich die USA als Verteidiger der Demokratie aus, indem sie darauf bestanden, dass Wahlen abgehalten werden, obwohl sie in Wirklichkeit:

1) eine Volksabstimmung vereitelten, indem sie die Gouverneure von Puntland und Jubaland ermutigten, sich der Ein-Personen-Abstimmung zu widersetzen,

2) Druck auf Farmaajo und das amtierende Parlament ausgeübt hatten, damit diese angesichts des Widerstands auf die Ein-Personen-Wahl verzichten,

3) darauf bestanden, dass die korrupten, clanbasierten Parlamentswahlen weitergeführt werden, damit das korrupte Parlament den korrupten Präsidenten wählen kann, und,

4) schließlich damit drohten, die IWF-Finanzierung, von der Somalia abhängt, zu streichen, wenn nicht bis zum 17. Mai 2023 ein Parlament und ein Präsident ernannt würden.

Habe ich etwas Wichtiges verpasst?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Nein, das ist eine sehr gute Zusammenfassung der Ereignisse.

ANN GARRISON: OK, dann nur noch ein paar letzte Punkte.

Wahlen nach westlichem Vorbild mit einer Volksabstimmung sind ebenfalls berüchtigt für Korruption. In den USA wird die Regierung von den Spendern politischer Kampagnen korrumpiert, aber man nennt es nicht Korruption, weil es legal und offen ist. In einem Interview aus dem Jahr 2010 mit dem Titel Everything You Are Not Supposed to Know about Eritrea (Alles, was Sie nicht über Eritrea wissen sollten) sagte der somalisch-äthiopische belgische Wissenschaftler Mohammed Hassan: "In Afrika gibt es keine politischen Parteien und die Mehrparteiendemokratie funktioniert nicht. Das liegt vor allem daran, dass dieses politische Modell zu Spaltungen führt. Im Kongo zum Beispiel gibt es fast so viele politische Parteien wie Einwohner. Das Ziel all dessen ist es, die Menschen zu spalten, und zwar nicht mehr nach ihren Stämmen wie früher, sondern nach ihren politischen Parteien. Das sind Demokratien mit geringer Intensität.

Außerdem funktioniert das Mehrparteiensystem in Afrika nicht, weil dieses Modell ein trojanisches Pferd für die Imperialisten ist. Die Neokolonialisten bestimmen das demokratische Spiel, indem sie die Kandidaten finanzieren, die ihren Anforderungen am besten entsprechen: Zugang zu Rohstoffen für ihre multinationalen Unternehmen, Unterstützung in der Außenpolitik usw. Mit dem Mehrparteiensystem in Afrika sagen die Imperialisten alle 4 oder 5 Jahre: ‚Geht und wählt die Kandidaten, die wir für euch ausgewählt haben. Sie werden euch arm machen und euch töten. Stimmt für sie!'"

Warum glauben Sie, dass das Mehrparteiensystem mit nur einer Person und nur einer Stimme in Somalia funktionieren wird?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Eine Volksabstimmung wird die Wahlbeteiligung deutlich erhöhen, da das Volk seine Führer wählen kann, und die Gewählten werden nach ihrer Leistung beurteilt, sei es im Parlament oder im Präsidentenamt. Der einzige andere Ausweg aus dem 4,5-Clan-System wäre ein Militärputsch. Die politischen Führer werden auftreten, wohl wissend, dass sie sich nach vier oder fünf Jahren wieder an die Bürger wenden und um eine weitere Amtszeit bitten werden, wenn sie sich nicht bewährt haben, denn sie wissen, dass sie dann abgewählt werden. Solche Wahlen würden zeigen, was die Öffentlichkeit schätzt und was sie von ihrer Regierung erwartet. Mit der Art von Wahlsystem, die wir jetzt haben, wissen wir nicht, was die Menschen wollen, weil sie nicht wählen.

ANN GARRISON: Heißt das, dass Sie nicht einverstanden sind mit dem, was Mohammed Hassan in diesem Interview gesagt hat, oder dass Sie glauben, dass Somalia zum jetzigen Zeitpunkt in seiner Geschichte geeignet ist, eine Volksabstimmung zum Erfolg zu führen?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Ich denke, dass Somalia zum jetzigen Zeitpunkt bereit ist für eine Ein-Personen-Wahl. Sie kann erfolgreich sein, weil die Somalier die negativen Auswirkungen des derzeitigen Wahlsystems gesehen haben, bei dem nur wenige ein Mitspracherecht haben. Die Menschen wollen unbedingt wählen; sie fordern das Wahlrecht seit Jahren.

ANN GARRISON: Es ist schwierig, einem Kandidaten die Wahl zu entreißen, der erdrutschartig gewinnen würde, wie Sie sagen, dass Farmaajo es tun würde. Diese Art von Volkswillen wäre nur schwer zu verbergen.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Das Volk würde Parlamentarier wählen, die Farmaajo wählen würden. Daran gibt es keinen Zweifel.

ANN GARRISON: Was macht Farmaajo so beliebt, dass Sie sagen, er würde einen Erdrutschsieg erringen?

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Farmaajo ist ein Nationalist und ein Patriot, der sein Land liebt und nicht seine eigenen egoistischen Interessen. Er hat das föderale Parlament gestärkt und die Macht der föderalen Mitgliedsstaaten reduziert.

Er machte sich daran, ein souveränes somalisches Militär unter einem einzigen, einheitlichen Kommando aufzubauen. Unter seiner Führung bildete Somalia zwischen zehn und zwanzig Berufssoldaten aus. Er entsandte 5000 somalische Soldaten zu einer Sonderausbildung nach Eritrea. Er versuchte, das direkte Geschäft der VAE mit dem abtrünnigen Staat Somaliland zu verhindern. Er beschlagnahmte 10 Millionen Dollar, die die VAE nach Somalia schmuggelten, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Er warf den kenianischen Botschafter aus dem Land, weil er sich ständig in die inneren Angelegenheiten Somalias einmischte. Er weigerte sich, ein Abkommen über die Fortsetzung des Projekts Atalanta, der Marinepatrouille der Europäischen Union vor Somalias Küste, zu unterzeichnen. Er war der Meinung, dass Somalia eine eigene Marine und eine eigene Küstenwache haben sollte, um den Fischraub und die Ablagerung von Giftstoffen zu stoppen, an deren Unterbindung die EU-Marine kein Interesse hat. Viele Somalier sind der Meinung, dass das Projekt Atalanta all diese meist europäischen Aggressionen an der Küste begünstigt. Er handelte den schrittweisen Abzug der UN-Friedensmission aus, die seit 2007 den Frieden in Somalia nicht bewahren konnte. Nun, da Farmaajo nicht mehr im Amt ist, wurde der für Dezember 2022 geplante Abzug von 2000 Soldaten auf Juni 2023 verschoben, und künftige Fristen werden wahrscheinlich erneut nicht eingehalten werden. Er erklärte ausländischen Interessen, dass Somalia den Somaliern gehöre, und blockierte ein Abkommen mit dem US-Unternehmen Coastal Oil Exploration. Eine Woche nach seiner Abreise aus der Villa Somalia wurde dieses Abkommen wieder auf den Weg gebracht.

Während seiner Amtszeit erhielt Somalia einen Schuldenerlass. Und im Gegensatz zum jetzigen Präsidenten, der sich während seiner ersten Amtszeit sehr bereichert hat, und dem gesamten clanbasierten System ist Farmaajo nicht korrupt.

ANN GARRISON: Da er sich im Amt nicht bereichert hat, mietete Farmaajo eine Wohnung in Mogadischu, als er aus dem Amt schied. Die Menschen in Somalia organisierten eine GoFundMe-Kampagne, um ihm ein Haus mit einem Büro und einer Bibliothek zu bauen, damit er weiterhin im politischen Leben Somalias wirksam sein kann. Das ist ein deutlicher Beweis dafür, was die Menschen für ihn empfinden.

ABDIWAHAB SHEIKH ABDISAMAD: Er ist der beste Führer, den die Somalier je hatten.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

+++ Bildquelle: shutterstock / yingko


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