Der Spiegel hat berichtet, dass die russischen Behörden den Flutopfern nach der Sprengung des Staudamms keine Hilfe leisten. Damit hat der Spiegel einen neuen Tiefpunkt des Zynismus erreicht
Ein Standpunkt von Thomas Röper.
Bei manchen Spiegel-Artikeln werde sogar ich sprachlos. Ich bin von Christina Hebel, der Lügenbaronin des Spiegel zwar schon einiges gewöhnt, aber wie sie über die Lage der Flutopfer nach der Sprengung des Staudamms von Kachowka berichtet hat, ist eine ganz neue Dimension. Dass Frau Hebel in ihren Artikeln sogar so dreist lügt, dass der Spiegel sie hinterher heimlich ändern muss, ist nicht neu. Dass Frau Hebel anti-russisch ist, ist ebenfalls nicht neu. Aber der Artikel mit der Überschrift „Hilferufe vom russisch besetzten Dnjepr-Ufer – »Niemand kommt und rettet meine Eltern«“, an dem Frau Hebel offenbar federführend gearbeitet hat, ist wieder eine Steigerung.
Die Kurzversion des Artikels ist schnell erzählt: Frau Hebel berichtet über viele Einzelschicksale, die angeblich beklagen, dass die russischen Behörden den von der Überflutung nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms betroffenen Menschen nicht helfen.
Über die Autoren des Spiegel-Artikels erfahren wir, dass sie entweder in Hamburg oder Kiew sitzen. Woher Frau Hebel also all diese Menschen kennen und wie mit ihnen gesprochen haben will, wenn sie gar nicht vor Ort ist, ist das erste Rätsel. Allerdings beruft sie sich auf Telefonate, die sie angeblich mit den Menschen geführt hat.
Ein Hebel-Artikel ist vor allem eines: Propaganda, bei der die Emotionen angesprochen werden sollen, weshalb er ohne diese angeblichen Einzelschicksale seine gewollte Wirkung nicht entfalten könnte. Fakten sind hingegen nebensächlich. Da der Hebel-Artikel sehr lang ist, werde ich nur auf Beispiele für die Desinformation eingehen, mit der sie die Spiegel-Leser versorgt.
Die Evakuierung
Zunächst einmal muss man festhalten, dass es bei Katastrophen nie „rund läuft“, es dauert immer ein wenig, bis Hilfe und Evakuierungen organisiert sind., das liegt in der Natur der Sache. Auch russische Medien melden, dass nicht alle Menschen evakuiert werden konnten. Und da das russisch kontrollierte Flussufer tiefer liegt als das ukrainisch kontrollierte, ist es wenig verwunderlich, dass es schwerer betroffen ist und dass es dort natürlich auch tragische Schicksale gibt.
Wichtiger ist aber etwas anderes, denn was Frau Hebel komplett verschweigt, ist, dass die russische Seite fast sofort mit Evakuierungen begonnen hat. Es wurden in aller Eile Busse organisiert und Sammelpunkte eingerichtet, von denen aus die Anwohner abtransportiert werden konnten. Darüber berichtet Frau Hebel jedoch kein Wort, sondern suggeriert, dass die russische Seite gar nichts getan und die Menschen ihrem Schicksal überlassen hätte.
Da das öffentlich – also im Netz, bei Telegram und so weiter – verkündet wurde, waren die Sammelpunkte auch der ukrainischen Armee bekannt. Und die hat diese Informationen genutzt und mindestens einen der Sammelpunkte in der Stadt Golaja Pristan gezielt mit Artillerie beschossen, wobei zwei Menschen, darunter eine schwangere Frau, gestorben sind und zwei weitere verletzt wurden. Bei Frau Hebel findet sich darüber – wenig überraschend – keinerlei Information.
Stattdessen zitiert Frau Hebel lieber Selenskyj, der angeblich auf ukrainischer Seite das Gebiet Cherson besucht hat:
„Der ukrainische Präsident Selenskyj beklagte den Beschuss von Ukrainern, die versuchten, über den Dnjepr Menschen in den besetzten Gebieten zu helfen.“
Ich habe selten so einen Blödsinn gelesen, denn der Fluss ist die Frontlinie. Will Frau Hebel uns erzählen, dass die Menschen auf ukrainischer Seite, wo es ebenfalls Überflutungen gibt, allen Ernstes in Booten versuchen, über den Fluss (also die Front!) zu rudern, um auf der anderen Seite Menschen zu helfen, während ihre eigenen Häuser voll Wasser laufen? Ich habe schon viel Unsinn von Selenskyj gelesen, aber das übertrifft fast alles. Das hält Frau Hebel aber nicht davon ab, es zu zitieren.
Untätige Behörden?
Dann berichtet Frau Hebel über die Stadt Aleschkin, in der ich im September übrigens selbst gewesen bin:
„Im Ort habe es zunächst geheißen, die Berichte über den Dammbruch seien »Falschmeldungen«, erzählt Jelena, 44 Jahre, aus Odessa. Ihre Eltern, 66 und 68 Jahre, leben schon lange in Oleschky, bewirtschaften mehr als 20 Hektar, bauten Tomaten, Gurken und Wein an, um alles auf dem Markt zu verkaufen. »Ich war es, die sie gewarnt hat: In fünf Stunden kommt das Wasser«, sagt Jelena.“
Was die Gerüchteküche im Ort gesagt hat, weiß ich nicht, aber dass die Meldung von der Sprengung und dem steigenden Wasserpegel in Russland verschwiegen wurden (was Frau Hebel damit suggerieren möchte), ist gelogen. Ich habe die ersten Meldungen in russischen Medien bereits weniger als zwei Stunden nach der Sprengung, also gegen drei Uhr nachts Ortszeit, in russischen Medien gesehen und sogar überlegt, noch eine Eilmeldung zu veröffentlichen. Allerdings hatte ich Zweifel, dass Kiew wirklich zu diesem drastischen Mittel greifen würde, und habe daher auf eine offizielle Bestätigung und Angaben über das Ausmaß der Schäden gewartet.
In Cherson haben die russischen Behörden alles in ihrer Macht stehende getan, um die Menschen zu informieren. Sogar der eigentlich inaktive Telegram Kanal des ehemaligen Vize-Gouverneurs Kirill Stremousow, den ich im September kennengelernt habe und der einige Wochen später bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, wurde wieder aktiviert, weil die Behörden alle Möglichkeiten genutzt haben, die Menschen zu informieren.
Am 6. Juni wurde in dem Telegram-Kanal um 7.43 Uhr, also nur wenige Stunden nach der Sprengung, eine erste Meldung veröffentlicht, die die Menschen aufforderte, Ruhe zu bewahren und weitere offizielle Informationen abzuwarten. Zu dem Zeitpunkt wurde die Bevölkerung bereits über alle erdenklichen Wege informiert, um 7.43 Uhr hat man das auch auf dem inaktiven Kanal von Stremousow gepostet, weil der immer noch zehntausende Follower hat.
Um 8.21 Uhr wurde in dem Kanal in einem weiteren Post vor steigendem Wasser gewarnt und es wurden die besonders gefährdeten Ortschaften genannt, darunter übrigens auch Aleschkin, während Frau Hebel sich zusammenlügt, dort sei die Rede von „Falschmeldungen“ gewesen. Um 9.59 Uhr wurde auf dem Kanal gemeldet, dass Busse für die Evakuierung bereitgestellt werden und es wurden zwei Hotline-Telefonnummern veröffentlicht. Später folgte noch ein Post mit weiteren Telefonnummern für Notfälle in den betroffenen Ortschaften.
Dass Frau Hebel lügt, ist nicht neu, aber dass sie eine solche Tragödie, wie die Sprengung eines Staudammes, für ihre dreisten und zynischen Lügen benutzt, hätte selbst ich ihr nicht zugetraut. Was das über den Charakter dieser Dame aussagt, darf jeder für sich entscheiden.
Das Märchen der bösen russischen Soldaten
Frau Hebel, die seit dem Beginn der Eskalation im Februar 2022 nie im Donbass gewesen ist, erzählt trotzdem die Lügen darüber, dass die Menschen dort die russischen Soldaten fürchten. Wäre sie, so wie ich, mal vor Ort gewesen, dann wüsste sie, dass das Gegenteil der Fall ist. Ich habe bei meinen mittlerweile mehr als zehn Reisen in das Konfliktgebiet seit Beginn der Operation nicht eine einzige Beschwerde über die russischen Soldaten gehört. Im Gegenteil haben mir sehr viele Menschen dort von der Hilfsbereitschaft der russischen Soldaten erzählt. Das betraf besonders Gebiete, die gerade erst befreit worden waren.
Gerade im Gebiet Cherson habe ich erlebt, wie die Soldaten dort aufgenommen wurden und von den Menschen – fast schon als Polizeiersatz – bei allem Möglichen um Hilfe gebeten wurden. Das weiß der Spiegel-Leser aber nicht, weshalb Frau Hebel schreiben kann:
„Ein erstes Boot, das vorbeikam, sei bereits voll besetzt gewesen. Nach zwei weiteren Stunden seien sie und ihr Mann am Abend endlich gerettet worden. Neben Einheimischen hätten auch Männer in russischen Uniformen, vermutlich Soldaten, geholfen. Viele Menschen hätten Angst vor ihnen gehabt, erzählt Ljudmila. Aber welche Wahl sei ihnen geblieben? »Auch wenn man lieber nicht zu Russen ins Boot steigen will, will man doch weiterleben.«“
Ukrainischer Beschuss
Außerdem schreibt Frau Hebel auch noch:
„Seit Monaten hätten russische Soldaten aus der Stadt heraus das andere, von der ukrainischen Armee kontrollierte Dnjepr-Ufer beschossen, heißt es. Die Ukrainer reagierten mit Gegenbeschuss auf russische Stellungen. Wochenlang saßen deshalb auch Ljudmila und ihr Mann im Keller, um Schutz vor Querschlägern zu suchen.“
Ich war bekanntlich mehr als zehn Mal im Konfliktgebiet. Aber dass russisches Militär seine Stellungen in Städten aufbaut und von dort aus schießt, habe ich nie erlebt oder gehört. Für die ukrainischen Streitkräfte hingegen ist das die Norm, denn die ukrainische Armee verschanzt sich vor allem in Städten, was die Zerstörung von Mariupol oder aktuell Artjomowsk (Bachmut) erklärt.
Allerdings habe ich, als ich im September in Cherson und auch in Aleschkin war, die Schäden gesehen, die der ukrainische Beschuss schon damals, als diese Städte noch weit von der Front entfernt waren, angerichtet hat. Vor allem Stadtverwaltungen und Schulen waren in fast allen Orten mehr oder weniger stark beschädigt, weil die ukrainische Armee sie angegriffen hat, obwohl da weit und breit kein russisches Militär war.
Ich war zwei Mal in Cherson, im Mai und im September 2022. Im Mai war die Stimmung in Cherson zwischen pro-russisch und pro-ukrainisch geteilt, weshalb ich im September überrascht war, wie sehr die Stimmung dort umgeschlagen war. Im September erzählten mir die Menschen überall im Gebiet Cherson, dass der ukrainische Beschuss ziviler Ziele, den sie selbst erlebt hatten, die Stimmung hat umschlagen lassen. Im September habe ich fast keine einzige Stimme gehört, die sich noch pro-ukrainisch geäußert hätte, obwohl ich in jeder Stadt einige Stunden war und mit sehr vielen Menschen reden konnte.
Artikel, wie dieser von Frau Hebel im Spiegel, zeigen, dass manche deutsche Journalisten inzwischen jede Scham verloren haben, wenn sie sogar eine solche Tragödie für primitive anti-russische Propaganda nutzen.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 09. Juni 2023 auf dem Blog anti-spiegel.ru. +++ Bildquelle: Frank Middendorf / shutterstock
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