Ein Kommentar von Rainer Rupp.
Wenn Medien, vor allem öffentlich-rechtliche, die wir alle zwangsfinanzieren, wichtige Nachrichten unter den Tisch fallen lassen, nur weil die Fakten Regierungsmärchen bloßstellen. Denn nur allzu oft würde die Wahrheit ihre zu Helden erklärten Politiker und Freiheitskämpfer als Folterknechte oder Schreibtischtäter entlarven. Tatsächlich werden die Menschen im neo-liberalen Westen tagtäglich nach Strich und Faden von ihren regierenden Politikern und ihren hörigen Presstituierten betrogen. Das führt natürlich zu mannigfaltigen Fehlentscheidungen, mit unabsehbaren Folgen für Wirtschaft, Finanzen und Sicherheit.
Aber da die Luft für die selbsterklärten Macht-Eliten da oben auf Grund ihrer vielen Fehlleistungen immer dünner wird, sind Lügen inzwischen zum integralen Bestandteil ihres politischen Geschäftsmodells geworden. Das hatte Monsieur Jean-Claude Juncker aus Luxemburg, der Vorgänger von Frau Ursula von der Leyen auf dem Chefsessel des EU-Kommission in Brüssel im Jahr 2011 erfrischend heiter in einem öffentlich ausgestrahlten Interview auf den Punkt gebracht.
In seiner Doppelfunktion als Eurogruppenchef hatte er in diesem Jahr im Zusammenhang mit der Schuldenkrise gesagt:
“Wenn es ernst wird, muss man lügen“(1).
Diesen Ratschlag haben sich seither ganze Heerscharen von Politikern, Beamten, so genannte „Wissenschaftler“ und „Experten“, und vor allem die Medienschaffenden zu Herzen genommen. Weil sie lange damit durchgekommen sind, und auch massive Proteste aus der Bevölkerung keine Rücktritte erreicht haben, fühlen sich die Herrschaften und Herrschaftinnen inzwischen so sicher im Sattel, dass sie nicht einmal mehr den Versuch machen, die Auslassungen und Lügen in ihren Narrativen zu vernebeln oder wenigsten einigermaßen plausibel zu lügen. Sie verkaufen uns tatsächlich tagtäglich für dumm. Das funktioniert natürlich nur so lange, wie die Masse der großen, selbst-erklärten Qualitätsmedien mitmachen und unbequeme Wahrheiten schnell im Gedächtnislos entsorgen, bzw. dafür sorgen, dass sie erst gar nicht veröffentlicht werden.
So werden wahrscheinlich die meisten Zuschauer der täglichen Fernsehnachrichten nicht mitbekommen haben, was Senator Lindsay Graham, einer der einflussreichen Senatoren der Vereinigten Staaten von Amerika, neulich bei seinem Besuch in Kiew gesagt hat. Die nachfolgende kurze Mitschrift einer Episode aus einem Video-Gespräch(2) zwischen dem republikanischen Senator und dem ukrainischen Freiheitshelden Wladimir Selenskij ist ein Musterbeispiel für deren gemeinsamen, ungebrochenen Einsatz für Demokratie, Humanität und Menschenwürde.
Selenskij: "Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Ich danke Ihnen vielmals. Danke den Vereinigten Staaten, dem Volk der Vereinigten Staaten für die große Unterstützung. Dank an Präsident Biden für die parteiübergreifende Unterstützung. Dank auch an den Kongress. Wir danken Ihnen wirklich sehr. Ja es ist sehr wichtig. Frei sein oder sterben. Graham: "Freiheit oder Tod." Selelnskij: "Jetzt sind wir frei." Graham: "Ja." Selenskij: "Und wir werden es sein." Graham: "Und die Russen sterben – da ist das Beste wofür wir je Geld ausgegeben haben."
Das Gespräch zwischen US-Senator Graham, der über Jahrzehnte hart daran gearbeitet hat, sich weltweit einen Namen als Russen-Hasser zu machen und der schon 2022 zur Ermordung des russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgerufen hatte, hat dieses Gespräch anlässlich seines Besuches beim ukrainischen Präsidenten in Kiew am 26. Mai geführt. Der geneigte Leser wird erkennen, dass Senator Graham hier ganz in der Tradition seines Landes USA aufgetreten ist, das allein seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Dutzende von Staaten überfallen oder Regierungen gestürzt hat, um deren Bodenschätze zu befreien oder sich deren geo-strategischen Bedeutung nutzbar zu machen.
So langsam scheint sich jedoch auch in den eingefleischten Medienkreisen Skepsis über den lauthals verkündeten Sieg der Ukraine einzunisten, obwohl sie auf die Erhaltung der Weltherrschaft der Konzerne des kollektiven Westens und ihrer Eliten eingeschworen sind. Die Skepsis ist verständlich, denn Mütterchen Russland hat die wirtschaftlichen und währungspolitischen Angriffe fast vollkommen unbeschadet überlebt, von denen die US/NATO-Eliten eine atombomben ähnliche Zerstörungskraft der russischen Wirtschaft und Gesellschaft erwartet hatten. Stattdessen ist Russland aus diesen historisch brutalsten aller bisherigen westlichen Sanktionen sogar ökonomisch gestärkt und als Gesellschaft geeinter denn je hervorgegangen.
Zugleich hat Russland außerhalb der Blase des absterbenden kollektiven Westens bei den aufstrebenden Mächten weltweit deutliche politische Unterstützung und neue ökonomische Partner gefunden, von China über Indien und Südafrika bis zu Brasilien, um nur einige zu nennen. Nicht nur in diesen Staaten, sondern auch in allen anderen Ländern, vor allem in Afrika, die auf eine schicksalhafte Geschichte kolonialer und neuerdings neo-koloniale Ausbeutung durch den Westen gelitten haben und immer noch erleiden, wird der russische Präsident Wladimir Putin wie ein Weltenretter gefeiert.
Denn Putin hat den Geiern des kollektiven Westens nicht nur die Stirn geboten, sondern er und das russische Volk sind auf dem besten Weg den Konflikt zu gewinnen und das ausbeuterische westliche Geschäftsmodell auf der Müllhalde der Geschichte zu entsorgen. Und das Unglaubliche an der Geschichte ist, dass die westlichen Eliten sich das alles selbst eingebrockt haben. Im Glauben an ihre eigene Propaganda von der haushohen Überlegenheit des Westen haben sie durch strohdumme Entscheidungen ihren eigenen Untergang unwiderruflich eingeläutet.
Einen ersten Ansatz von reumütiger Einsicht in diese Entwicklungen zeigte jüngst die Hauspostille der angelsächsischen Finanzwirtschaft. Die alt-ehrwürdige Financial Times titelte doch tatsächlich am 23.5. in einem Leitkommentar(3): „G7 must admit they can't rule the world“. Im Klartext heißt das auf Deutsch: die stärksten westlichen Industrienationen der G7 Gruppe müssen sich darüber klar werden, dass sie nicht mehr die Welt regieren und ihr diktieren können.
Die einstige Welt der G7-Dominanz ist heute noch weiter von der Realität entfernt als die Kooperation zwischen den G20-Staaten. In welcher fiktiven Traumwelt sich dennoch die Eliten der G7 Länder bewegen, zeigt exemplarisch das Kommuniqué ihres Gipfeltreffens vor kurzem in Hiroshima.
Es ist atemberaubend, wie G7 Regierungschefs in einem 19.000 Worte umfassenden Kommuniqué den anderen Ländern der Welt allumfassend vorgeschrieben haben, was diese zu tun und zu lassen haben, und zwar zu nachfolgenden Themen: Ukraine; Abrüstung, Nichtverbreitung von Atomwaffen; Anti-Politik im indopazifische Raum; die Weltwirtschaft; Klima, Umwelt, Energiehandel einschließlich saubere Energie; wirtschaftliche Widerstandfähigkeit und Sicherheit, Handel, Ernährungssicherung, Gesundheit, Arbeit, Bildung, digital, Wissenschaft und Technik; Genderfragen; Menschenrechte, Flüchtlinge, Migration, Demokratie, Terrorismus, Extremismus von rechts, grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, Beziehungen zu China, Afghanistan und Iran und vieles mehr. Dabei ist alles der US-geführten, Regel basierten Ordnung unterworfen, die von Washington jederzeit nach Belieben geändert werden kann und jede Regierung, die aufmuckt, mit Sanktionen oder Regimewechsel bestraft wird.
Bei so viel arroganter Dominanz und der zum Programm erhobenen Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten war nicht zu erwarten, dass sich der kollektive Westen in Form der G7 in der erweiterten G20-Gruppe durchsetzen konnte. Somit steht der Westen aktuell vor einem Problem. Die Länder des Globalen Südens wollen keine westlichen Diktate und Erpressungen mehr akzeptieren und auch nicht weiter im Rahmen der US-geführten, Regel basierten Ordnung kooperieren, zumal Washington jederzeit diese Regeln nach eigenem Gutdünken ändert. Vielmehr ist der Zug des Globalen Südens in Richtung einer immer engeren Zusammenarbeit mit den BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika längst abgefahren.
19 weitere, teils bedeutende Länder haben sich um den Beitritt zu den BRICS-Staaten beworben, worüber bei einem Gipfeltreffen in naher Zukunft über deren Beitritt entschieden wir.
„Was diese Länder offensichtlich eint, ist der Wunsch, sich nicht von den Launen der USA und ihrer engsten Verbündeten abhängig zu machen, die die Welt in den letzten zwei Jahrhunderten dominiert haben“,
formulierte die Financial Times mit erfrischender Ehrlichkeit. Der Moment der Unipolarität der USA und der wirtschaftlichen Dominanz der G7 gehöre der Vergangenheit an. Der zunehmende Einfluss der BRICS-Staaten bedeute „das Ende der US-Hegemonie und der G7-Dominanz.“ Und Washington müsse „lernen, zu verhandeln … und zu kooperieren“, so die Londoner Finanzzeitung.
Auch die traditionell guten Beziehungen der EU-Europäer zu den südamerikanischen Staaten sind nicht mehr das, was sie mal waren. Alle Bemühungen der EU, diese Länder dazu zu bewegen, Russland zu verurteilen und die Ukraine mit Waffen zu unterstützen, stießen auf taube Ohren. Dabei verfügen sowohl Chile als auch Brasilien über Hunderte von Leopard-Panzern aus deutscher Produktion, die in die Ukraine gehen könnten. Aber selbst der persönliche Einsatz von Bundeskanzler Scholz bei seinem Besuch in Brasilien hat nichts gebracht. Auf die Frage eines Korrespondenten von Politico an einen chilenischen Regierungsbeamten, ob Großbritannien womöglich Chile davon überzeugen könnte, der Ukraine militärische Hilfe zu leisten, antwortete der Chilene, dass „sowas nicht passieren wird, überhaupt nicht".
Quellen und Anmerkungen
(1) https://www.diepresse.com/1335097/junckers-beste-sager-wenn-es-ernst-wird-muss-man-luegen
(2) https://gegenzensur.rtde.life/kurzclips/video/171188-us-senator-bedankt-sich-bei/
(3) https://www.ft.com/content/c8cf024d-87b7-4e18-8fa2-1b8a3f3fbba1
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: Anton Vierietin / shutterstock
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