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Wie funktioniert eigentlich Inflation? | Von Ernst Wolff

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Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Die Welt sitzt zurzeit auf dem größten Schuldenberg ihrer Geschichte. Haushalts-, Unternehmens- und Staatsschulden belaufen sich auf geschätzte 300 Billionen Dollar.

Das globale Bruttoinlandsprodukt, also die Summe aller weltweit in einem Jahr produzierten Waren und erbrachten Dienstleistungen, beträgt etwa 100 Billionen Dollar. Um den aktuellen Schuldenberg abzutragen, müssten alle Beschäftigten rund um den Globus bei gleichbleibender Produktivität drei Jahre lang arbeiten - und das, ohne gleichzeitig zu konsumieren.

Das zeigt, in welcher Lage wir uns befinden: Die Welt hat mehr Schulden angehäuft, als sie jemals zurückzahlen kann. Was also tun?

Es gibt nur drei Möglichkeiten: Die erste wäre eine Bankrotterklärung oder ein Offenbarungseid aller Schuldner, die zweite ein Schuldenschnitt, also ein freiwilliger oder erzwungener Verzicht der Gläubiger auf die Rückzahlung der Schulden durch die Schuldner. Beides würde jedoch auf den entschiedenen Widerstand der großen Mehrheit der Gläubiger stoßen, wäre also nicht durchzusetzen.

Die einzig verbleibende Möglichkeit, die Schulden loszuwerden, besteht darin, die Inflation anzuheizen, um die Schulden über die Entwertung des Geldes dahinschmelzen zu lassen.

Um zu zeigen, wie das funktioniert, hier ein Beispiel aus der deutschen Geschichte, und zwar aus dem Jahr1923, in dem Deutschland eine Hyperinflation erlebt hat.

Nehmen wir an, ein Herr Müller hätte Anfang 1923 1.000 Mark im Monat verdient und sich in dieser Zeit von Herrn Meier 2.000 Mark – also das Doppelte seines Lohns - geliehen. Zu diesem Zeitpunkt kostete ein Brot in Deutschland eine Mark. Herr Müller hätte sich also den Gegenwert von 2.000 Broten geliehen.

Ein halbes Jahr später hätte das Brot auf Grund der Hyperinflation das 500fache, also 500 Mark, gekostet. Die von Herrn Müller eingegangene Schuld von 2.000 Mark hätte sich also auf den Gegenwert von 4 Broten reduziert.

Da Herrn Müllers Lohn der Inflation zwar hinterhergehinkt, aber trotzdem um, sagen wir mal, das 50fache angestiegen wäre, hätte er ein halbes Jahr später über ein monatliches Einkommen von 50.000 Mark verfügt.

Die Rückzahlung von 2.000 Mark an Herrn Meier hätte ihn also ein halbes Jahr nach Aufnahme der Schulden nicht mehr das Doppelte seines Lohns, sondern nur noch vier Prozent davon gekostet. In anderen Worten: Die Inflation hätte Herrn Müllers Schulden gewaltig geschrumpft.

Was aber wäre passiert, wenn Herr Müller vor der Inflation über ein erspartes Vermögen von, sagen wir 10.000 Mark verfügt und dieses als eifriger Sparer trotz der Geldentwertung auf seinem Konto belassen hätte? Statt 10.000 Broten hätte er sich auf Grund der Hyperinflation nach einem halben Jahr nur noch 20 Brote kaufen können.

Wir sehen also: Die Inflation begünstigt Schuldner und bestraft Sparer.

Genau diesen Prozess müssen wir uns einfach in großem Stil vorstellen, um zu begreifen, was momentan in der Welt vor sich geht: Der Schuldenberg wird über eine durch fast unbegrenzte Geldschöpfung angeheizte Inflation erst langsam und dann immer schneller verringert.

Was aber ist mit der gegenwärtigen Zinserhöhung durch die Zentralbanken? Wird sie die Inflation eindämmen können?

Ganz sicher nicht. Die aktuellen Zinserhöhungen um unter einem Prozent sind angesichts von Inflationsraten über 8 % reine Kosmetik und dienen nur der Beruhigung der Allgemeinheit.

Viel aufschlussreicher ist die Tatsache, dass sehr viele Großinvestoren zurzeit Geldvermögen in Sachwerte umschichten. Bekanntestes Beispiel dafür ist Bill Gates, der mittlerweile in den USA der größte Ackerland-Besitzer ist und dessen Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung sich zurzeit weltweit aus den Finanzmärkten zurückzieht und vor allem in Nahrungsmittelbetriebe einkauft.

Was wir aktuell rund um den Globus erleben, ist nichts anderes als das bewusste und vorsätzliche Anfachen der Inflation zur Abschmelzung des historischen Schuldenberges. Großer Gewinner sind diejenigen, die über Vermögen verfügen und in der Lage sind, diese beizeiten in Form von Sachwerten in Sicherheit zu bringen.

Großer Verlierer ist die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung, die nicht in der Lage ist, in Sachwerte zu fliehen, weil sie keine oder nur geringe Rücklagen hat und weitgehend von der Hand in den Mund lebt. Sie muss damit fertig werden, dass ihr Einkommen auf Grund der Inflation tagtäglich an Kaufkraft verliert, sie also immer weiter in die Armut getrieben wird.

Die Inflation sorgt dafür, dass das Hauptproblem unserer Epoche, die soziale Ungleichheit, systematisch verschärft und der soziale Friede immer stärker gefährdet wird. Das Ergebnis werden weltweit Zustände sein wie wir sie in den vergangenen Wochen im Libanon, auf Sri Lanka und in Ecuador erlebt haben.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Sv Svetlana/ shutterstock


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