Ein Meinungsbeitrag von Dirk C. Fleck.
Jetzt hatten wir erst einmal drei Jahre Angst vor Corona. Wir opferten dieser Angst den demokratischen Diskurs und installierten stattdessen eine Kultur des Misstrauens. Dass ein Großteil unserer Grundrechte dabei auf der Strecke blieb, wurde weitgehend akzeptiert. Inzwischen ist es der Ukraine-Konflikt, der unsere Ängste schürt. Und wieder lässt sich die Mehrheit unseres Volkes von Politik und Medien am Nasenring durch die Arena führen. Anstatt der Ungeimpften sind es nun die Besonnenen unter uns, die verunglimpft und diffamiert werden, und zwar von allen Seiten, die Kirche ist wie üblich dabei. Wer die andauernden, sich hoch schaukelnden Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert - Großbritannien ist neuerdings mit Uranmunition in den Krieg gegen Russland eingestiegen - und für Verhandlungen plädiert, ist dem Fraß der öffentlichen Meinung fast wehrlos ausgesetzt. Peaceniks nannte man solche Leute in den USA verächtlich zu Zeiten des Vietnam-Krieges.
Nun gut, darauf wollte ich gar nicht hinaus. Ich wollte eigentlich dazu anregen, den Blickwinkel ein wenig zu verändern. Denn hinter der Krisen-Matrix unserer Tage lauert eine Gefahr, die uns wirklich Angst machen sollte. Sie ist mehr als jede Pandemie und jeder Atomkrieg geeignet, uns dem globalen Harmageddon näher zu bringen, sozusagen einen Schlusssstrich zu ziehen unter die atemlose Aufrechnung sich fort- und fortzeugenden Leids, wie es Ulrich Horstmann in seinem Buch „Das Untier - Konturen einer Philosophie der Menschenflucht“ beschreibt. Ein Tsunami der Zerstörung, den das Dauerbeben eines ungezügelten Kapitalismus ausgelöst hat, schickt sich an, alles aus dem Gleichgewicht zu reißen, was die menschliche Gemeinschaft seit jeher zusammen hält: das filigrane ökologische Netzwerk ebenso wie die sozialen Strukturen unserer globalen Zivilgesellschaft.
Frank Schirrmacher, der verstorbene Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, den ich für mein Buch »Die vierte Macht« interviewt hatte, sagte in unserem Gespräch:
»Nehmen wir mal an, der Ökozid wäre heute schon eingetreten. Dann würde es die Tagesschau morgen als Normalität behandeln. Es gibt diesen einen Moment gar nicht, wo man sich fragt: Haltstopp, was ist hier geschehen? Die Medien schaffen es, aus den größten Brüchen immer wieder eine Scheinnormalität zu konstruieren.«
Was Frank Schirrmacher nicht erwähnte, ist die Tatsache, dass die Glaubwürdigkeit der von den Eliten kontrollierten Mainstreammedien extrem gelitten hat. Die Zahl der Menschen, die den notorischen Wahnsinn eines kapitalen Giersys- tems und ihrer Propagandisten durchschauen, wächst. Und mit ihr wächst die Bereitschaft zum Widerstand. Es war der US-amerikanische Schriftsteller Edward Abbey (»Ohne Zivilcourage sind alle andere Tugenden nutzlos«), der in seinem bereits 1975 erschienenen Roman »The Monkey Wrench Gang« den Begriff der Ökotage (von Sabotage) prägte. Es war dieser Roman, der den Aktivisten Dave Foreman 1979 dazu inspirierte, die Umweltschutzorganisation Earth First! zu gründen, welche die sehr moderat auftretenden anderen Organisationen, beispielsweise die Wilderness Society oder selbst Greenpeace, ziemlich alt aussehen ließ. Das Motto von Earth First!: »No Compromise in Defense of Mother Earth!« (Kein Kompromiss bei der Verteidigung von Mutter Erde). Der verstellbare Schraubenschlüssel (engl. monkey wrench) wurde zum Symbol für Sabotage und zu einem Teil des Logos von Earth First!
Eine Galionsfigur der radikalen Umweltschutzbewegung ist Paul Watson, ehemaliges Gründungsmitglied von Greenpeace. Greenpeace war ihm zu lau, zu kompromissbereit. Seit Jahren schippert Watson nun mit seiner »Sea Shepherd« über die Meere und rammt Walfangschiffe. Sein Credo:
»Ich vertrete die Menschen, die noch nicht geboren sind und die mit Verachtung auf unsere Generation zurückblicken werden.«
Derrick Jensen. Merkt euch diesen Namen. Jensen (63) ist ein unermüdlicher Prediger des gewaltsamen Widerstands. In seinem Bestseller »Endgame« schreibt er:
»In Anbetracht des auf dem Spiel stehenden Einsatzes – das Leben auf der Erde – ist es an der Zeit, dass auch wir unserem Siegeswillen den Zusatz ›um jeden Preis‹ anhängen. Das ganze kapitalistische System basiert auf Lügen. Solange uns jemand mit Lügen beruhigt, erlauben wir ihm weiterhin, mehr und mehr Land, Luft und Wasser, unser genetisches Material und alles andere auf diesem Planeten zu kontrollieren.«
Der Schriftsteller Michael Ende, Autor von »Die unendliche Geschichte«, schrieb schon sehr früh:
»Immer wieder tauchte nach 1945 die Frage auf, ob es denkbar sei, dass es je zu einem dritten Weltkrieg kommen könne. Ich glaube, wir befinden uns schon mittendrin. Nur bemerkt es offenbar niemand, weil dieser Krieg nicht territorial, sondern zeitlich geführt wird. Wir haben einen erbarmungslosen Krieg gegen unsere eigenen Kinder und Enkel entfesselt. Wir werden ihnen eine verwüstete Welt hinterlassen, auf der das Leben für sie sehr schwer sein wird. Aber da sie ja nicht zurückschlagen können, fahren wir damit fort, wir können schon gar nicht mehr anders. Unser Gewissen (sofern es nicht ganz zum Schweigen zu bringen ist) beruhigen wir mit der Annahme, dass ihnen schon etwas einfallen wird, um unsere Gemeinheiten wiedergutzumachen.«
Seit Dezember 1994 liegt der deutschen Bundesregierung eine interne Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung vor. In ihr heißt es:
»Die Kooperation mit den Nachrichtendiensten im europäischen oder transatlantischen Rahmen muss ausgebaut werden. Außerdem müssen die rechtlichen Kompetenzen der Nachrichtendienste und Ermittlungsbehörden neu überdacht werden.«
Oh ja, und wie sie die rechtlichen Kompetenzen überdacht haben! Um die wirtschaftlichen Interessen zu schützen, sind die Regierungen der Industriestaaten in einem nicht für möglich gehaltenen Tempo dazu übergegangen, die demokratischen Grundrechte zu beschneiden. In den nächsten Jahren werden unsere Demokratien schrittweise zu inhaltsleeren Gebilden verkommen, hinter denen sich autoritäre Strukturen verbergen, wie sie so bisher nur in Diktaturen möglich schienen.
Eine der Hauptgefahren, welche die Regierungen der Industriestaaten ausgemacht haben, sind die zu erwartenden, dem Klimawandel geschuldeten Bevölkerungswanderungen. Auch im Inneren eines Landes. Wasserknappheit, Dürre, Naturkatastrophen – das alles könnte zu chaotischen, ja anarchistischen Zuständen führen, denen nur mit militärischen Mitteln begegnet werden kann, wenn ein Rest an Ordnung und sozialer Sicherheit aufrechterhalten werden soll. Ein US-amerikanischer Think-Tank hatte schon Anfang der neunziger Jahre empfohlen, Klima- und Umweltschützer in Zukunft als Terroristen, als sogenannte ungesetzliche Kämpfer zu behandeln. Das sollte auch für Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International gelten.
Wie gesagt, das war nur ein Vorschlag, noch kein Gesetz. Zum Gesetz ist es jetzt erst, dreiunddreißig Jahre später, geworden. Denn vor Kurzem hat das EU-Parlament eine »Anti-Terror-Richtlinie« beschlossen. Das im Eilverfahren verabschiedete Gesetzespaket soll terroristische Akte im Keim ersticken. Die Richtlinie kann problemlos auf Bereiche ausgedehnt werden, die gemeinhin nicht als Terrorismus gelten – etwa öffentlichkeitswirksame Proteste von Polit- und Ökoaktivisten oder Reisen, die als »zu terroristischen Zwecken« fehlinterpretiert werden könnten. Zudem räumt die Richtlinie den EU-Mitgliedstaaten unter anderem die Möglichkeit ein, Netzsperren zu errichten.
Wie kann der Einzelne, wie kann ich mich diesem Wahnsinn entziehen? Mir fällt ein Satz von Peter Handke ein:
»Irgendwann«, so sagt er, »habe ich beschlossen, dass alles fremd ist und alles neu ist und alles unentdeckt. Und das hilft mir auf die Sprünge.«
Genau. Machen wir uns immer wieder klar, dass wir hier nur zu Gast sind, dass es Millionen von Parallelwelten auf diesem Globus gibt, sowohl in der Tier-, als auch in der Pflanzenwelt. Und dass jede dieser Welten in einem eigenen Gefühlskosmos lebt und mit einem ureigenen Kommunikationssystem ausgestattet ist. Entwickeln wir Respekt für unsere Mitbewohner auf der Erde. Öffnen wir unsere Herzen für das Mysterium der Schöpfung, von denen die Betreiber des seelenlosen Killersystems nicht die geringste Ahnung haben.
Zum Schluss noch ein Zitat von der wunderbaren US-amerikanischen Umweltwissenschaftlerin und Autorin Donella Meadows (1941–2001), die die Bewegung für eine nachhaltige Zukunft wie kaum eine andere geprägt hat:
»Ich habe eine Vision. Es ist die Vision einer Welt, in der die Menschen langsamer leben und arbeiten und mehr Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens haben: für Kinder, Familie, Natur, für Stille und Spiritualität. Jeder hat genug, es gibt keine Armut und auch keinen absurden Überfluss. Ich sehe eine Welt mit Zeit und Raum für Einfachheit, mit schöner Technologie und elegantem Design. Es wird viel weniger Reisen geben, weil jeder schon dort ist, wo er sein will. Ich sehe eine Welt vor mir, in der wir keine hässlichen Orte mehr erschaffen und wissen, wie man in guter Nachbarschaft gemeinschaftlich lebt. Es wird eine produktive Welt sein mit guter Arbeit, die die Menschen seelisch erfüllt, weil sie Qualitätsprodukte herstellen, die wirklich gebraucht werden statt Kram, den eigentlich niemand braucht. Ich sehe große Mengen an Wissen. Und ich habe die Vision von einer echten Demokratie: Menschen, die sich um die Art und Weise kümmern, wie sie regiert werden und gut informiert sind.«
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Dirk C. Fleck ist ein deutscher Journalist und Buchautor. Er wurde zweimal mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet. Sein Roman “Go! Die Ökodiktatur” ist eine beklemmend dystoptische Zukunftsvision.
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: O.M.Foto / Shutterstock.com
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