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Wie russische Analysten über mögliche Verhandlungen denken | Von Thomas Röper

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Ein Standpunkt von Thomas Röper.

In westlichen Medien ist immer öfter von möglichen Verhandlungen mit Russland die Rede, aber mit wem soll Russland verhandeln und wie soll Russland nach der Erfahrung mit dem Minsker Abkommen darauf vertrauen, dass ein weiteres Abkommen tatsächlich eingehalten wird?

Für alle, die davon noch nie gehört haben, sei darauf hingewiesen, dass es die Ukraine mit Unterstützung des Westens war, die das 2015 geschlossene Minsker Abkommen nie umgesetzt hat, auch wenn westliche Medien und Politiker stets das Gegenteil behauptet und Russland beschuldigt haben. Die Details und den Inhalt des Abkommens können Sie hier <1> nachlesen und überprüfen.

Mehr noch, auch wenn die westlichen Vertragspartner Merkel <2>, Hollande <3> und auch Poroschenko <4> inzwischen in westlichen Medien offen gesagt haben (siehe die Links), dass sie das Minsker Abkommen nie umsetzen wollten, sondern dass es nur den Sinn hatte, der Ukraine Zeit für die Vorbereitung auf einen Krieg gegen Russland zu verschaffen, haben westliche Medien das nie thematisiert. Und dass auch Selensky es offen abgelehnt hat <5>, das Minsker Abkommen umzusetzen, wurde in westlichen Medien ebenfalls nicht groß berichtet. Im Westen weiß davon praktisch niemand.

Daher stellt sich die Frage, wie Russland, wenn es irgendwann zu Verhandlungen (mit wem auch immer, Kiew oder dem kollektiven US-geführten Westen) kommt, glauben soll, dass der Westen und die Ukraine sich an die getroffenen Friedensvereinbarungen halten?

Um diese Frage geht es in einem sehr interessanten Artikel <6>, den ein russischer Analyst in der russischen Nachrichtenagentur TASS veröffentlicht hat und den ich übersetzt habe.

Beginn der Übersetzung:

Die Minsker Abkommen oder die Geschichte einer Täuschung

Andrej Nisamutdinow darüber, wie alle möglichen Erklärungen Kiews über Verhandlungen nur zu einem führen: zu Aufrüstung

Ende August 2014 führte der russische Präsident Wladimir Putin in Minsk seine ersten Gespräche hinter verschlossenen Türen mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Einige Tage später wurde das Gespräch per Telefon fortgesetzt, um die Möglichkeit einer Lösung des Konflikts zu besprechen, der nach dem Februar-Putsch in Kiew im Südosten der Ukraine ausgebrochen war. Das Ergebnis der Gespräche war ein am 5. September in Minsk unterzeichnetes Dokument mit dem langen Titel „Das Protokoll der Ergebnisse der Kontaktgruppen-Konsultationen, gerichtet auf die Umsetzung des Friedensplans des Präsidenten der Ukraine, Petro Poroschenko, und der Initiativen des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin“.

Im Volksmund wird dieses Dokument kurz als das Protokoll von Minsk, das erste Minsker Abkommen oder einfach Minsk-1 bezeichnet. Sowohl in Moskau als auch im Donbass und in Noworossija verband man mit diesem Abkommen große Hoffnungen auf eine friedliche Beilegung des Konflikts und die Rückkehr zu einem normalen, friedlichen Leben. Seitdem sind Jahre vergangen, und der russische Präsident stellte verbittert fest: „Es hat sich herausgestellt, dass niemand bereit war, die Minsker Abkommen umzusetzen. Auch die ukrainische Führung, so der ehemalige Präsident [Petro Poroschenko], hatte nicht die Absicht, das Abkommen umzusetzen, sie hatte es zwar unterzeichnet, aber sie hatte nicht die Absicht, es umzusetzen.“

Keine Scham

Die Geschichte der Minsker Abkommen hat sich erst vor kurzem vor unseren Augen abgespielt, so dass man sie im Detail in Erinnerung rufen muss: Warum, wenn man schon alles weiß? Tatsache ist jedoch, dass die Lügen, die diese Abkommen von Anfang an begleitet haben, bis heute andauern. Nicht selten wird behauptet, Russland habe der Ukraine diese Abkommen aufgezwungen und sich dann selbst geweigert, sie einzuhalten. So war es aber nicht, ganz und gar nicht.

Poroschenko war der Initiator der Unterzeichnung des Minsker Protokolls, und sein Drängen wurde durch eine Reihe schwerwiegender Misserfolge bei der sogenannten Anti-Terror-Operation (ATO) Kiews im Donbass diktiert. Die ukrainische Armee brauchte dringend eine Atempause, und so ist es kein Zufall, dass der erste Punkt sowohl des Protokolls selbst als auch des zwei Wochen später unterzeichneten Memorandums ein sofortiger Waffenstillstand war. Die Punkte zur Dezentralisierung der Macht, zu vorgezogenen Wahlen und zur Verbesserung der humanitären und wirtschaftlichen Lage im Donbass wurden eindeutig nur pro forma hinzugefügt, und die ukrainische Regierung hatte nicht die Absicht, sie umzusetzen.

Tatsächlich brauchte die ukrainische Regierung nur den ersten Punkt, den Waffenstillstand, um die Truppen umzugruppieren und neu zu bewaffnen und dann weiter zu kämpfen. Ich möchte daran erinnern, dass das Protokoll und das Memorandum am 5. bzw. 19. September unterzeichnet wurden und Poroschenko bereits am 22. September öffentlich erklärte: „60 bis 65 Prozent der militärischen Ausrüstung in den Einheiten, die an den ersten Linien standen, war zerstört. Und es gab nichts, womit man sich hätte verteidigen können. Das ist nun anders. <…> Die ukrainischen Truppen werden die Positionen einnehmen, die Ende August verloren gingen, die entlang des Kalmius-Flusses verloren gingen.“

Im Dezember 2014, als ich zum ersten Mal in Donezk ankam, war von keinem Waffenstillstand mehr die Rede. Der Artilleriebeschuss dauerte Tag und Nacht an. Die Einheimischen haben Neuankömmlingen wie mir sofort beigebracht wie man die „ankommenden“ Granaten erkennt, wie man sich im Voraus nach möglichen Schutzorten vor Beschuss umschaut, und sie haben mir geraten, außerhalb der Stadt nicht von der Straße abzuweichen, um nicht auf eine Sprengfalle oder eine Mine zu stoßen. Der größte Schock für mich waren die Kinder, die unter der Aufsicht von zwei Lehrern fröhlich im frisch gefallenen Schnee spielten und das leise Grollen der Artillerie ignorierten. Die Kinder waren es gewohnt, im Krieg zu leben, und das war schrecklich.

Die Geschichte wiederholt sich

Im Januar 2015 reagierte die Donbass-Miliz auf den stark verstärkten Beschuss von ukrainischer Seite mit einer Gegenoffensive, um die Frontlinie nach Westen zu verlegen. Es gelang ihnen, die ukrainischen Streitkräfte vom Flughafen Donezk zu verdrängen und eine große ukrainische Einheit bei Debaltsewo einzukesseln. Poroschenko blieb nichts anderes übrig, als Deutschland und Frankreich um Hilfe zu bitten, deren damalige Regierungschefs Angela Merkel und Francois Hollande das Format des Normandie-Quartetts nutzten, um eine Einigung mit Russland zu erzielen, das hinter den nicht anerkannten Republiken stand.

Wie sich Christoph Heusgen, der von 2005 bis 2017 Merkels sicherheitspolitischer Berater war, später erinnerte, erzählte der ukrainische Präsident der Bundeskanzlerin offen von der beklagenswerten Situation der ukrainischen Streitkräfte im „Kessel von Debaltsewo“. „Poroschenko hat ihr klar gesagt, dass die [ukrainischen] Verteidigungskräfte besiegt sind, sie können kaum die Linien halten. <…> Deshalb brauchte er ein Abkommen“, sagte Heusgen in einer Dokumentation des britischen Senders BBC.

Am 12. Februar 2015 unterzeichnete die Trilaterale Kontaktgruppe in Minsk nach stundenlangen Verhandlungen das Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen (auch bekannt als das Zweite Minsker Abkommen oder Minsk-2), und die Staats- und Regierungschefs des Normandie-Quartetts (Deutschland, Russland, Ukraine und Frankreich) verabschiedeten eine Erklärung zur Unterstützung dieses Dokuments. Später wurde das Dokument durch die Resolution 2202 des UN-Sicherheitsrats einstimmig angenommen, es erhielt also einen internationalen Status. Es wurde jedoch nie in die Praxis umgesetzt: Die Ukraine setzte den Beschuss des Gebiets der Volksrepubliken Donezk und Lugansk fort, wenn auch mit geringerer Intensität, und weigerte sich strikt, die Bestimmungen über die politische und humanitäre Lösung umzusetzen. Typischerweise wurde die Schuld für die Nichterfüllung der Verpflichtungen fleißig auf Russland geschoben, und Paris und Berlin schlossen sich dieser Meinung an.

Als ich im Sommer 2016 wieder in Donezk war, hatte sich die Lage in der Stadt merklich beruhigt: Der Beschuss war nicht mehr rund um die Uhr zu hören, und das Zentrum, in dem ich wohnte, wurde kaum noch getroffen. Aber die ukrainischen Streitkräfte beschossen regelmäßig Wohngebiete in den Vororten der Stadt. Ich erinnere mich, wie mir eine junge Journalistin von der Nachrichtenagentur Donezk erzählte, wie sie auf dem Heimweg von der Arbeit mehr als zwei Stunden lang einen ukrainischen Artillerieangriff abwarten musste. Ein anderer Kollege wurde auf dem Weg nach Gorlowka am Bein verwundet. Kennzeichnend für die Taktik der ukrainischen Streitkräfte war, dass das Ziel des Beschusses nicht militärische Einheiten, sondern Wohnviertel, Bildungseinrichtungen, Einkaufszentren und öffentliche Versorgungseinrichtungen waren.

Wie Poroschenko später in der erwähnten BBC-Dokumentation offen prahlte, bestand der „Erfolg der Minsker Abkommen“ darin, dass sie „der Ukraine acht Jahre Zeit gaben, eine Armee, eine Wirtschaft und eine globale pro-ukrainische Anti-Putin-Koalition aufzubauen“. Auch Merkel und Hollande konnten sich „Selbstenthüllungen“ nicht verkneifen. Zunächst bezeichnete die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin in einem Interview mit der deutschen Zeitung Die Zeit den Abschluss der Minsker Abkommen als „einen Versuch, der Ukraine Zeit zu geben, stärker zu werden“. Im Anschluss daran räumte der ehemalige französische Präsident in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein: „Die Zeit, die der Ukraine mit der Unterzeichnung der Minsker Abkommen gegeben wurde, hat es ihr ermöglicht, ihre Kampfbereitschaft zu erhöhen“.

Damals musste der russische Präsident zugeben, dass „niemand bereit war, die Minsker Abkommen umzusetzen“. „Aber ich hatte immer noch erwartet, dass die anderen Teilnehmer uns gegenüber ehrlich sind. Es hat sich herausgestellt, dass auch sie uns getäuscht haben und dass es nur darum ging, die Ukraine mit Waffen vollzupumpen und sie auf Kampfhandlungen vorzubereiten. Offensichtlich haben wir das zu spät erkannt, um ehrlich zu sein. Vielleicht hätten wir (mit der Militäroperation, Anm. d. Verf.) früher beginnen sollen, aber wir hatten einfach erwartet, dass wir im Rahmen der Minsker Abkommen eine Einigung erzielen könnten“, sagte Putin im Dezember 2022.

Es gibt kein Vertrauen mehr

Die heutige Situation unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was vor zehn oder fünf Jahren im Donbass geschah. Die ukrainischen Streitkräfte halten weiterhin an derselben terroristischen Taktik fest: Sie beschießen Wohngebiete in Städten und Dörfern im Donbass und in Noworossija. Darüber hinaus steht die Region Belgorod unter Dauerbeschuss, und ukrainische Verbände sind in das Gebiet der Region Kursk eingedrungen. Die Zahl der Opfer unter der russischen Zivilbevölkerung ist gestiegen, weil die NATO-Länder die Ukraine weiterhin mit gepanzerten Fahrzeugen, Langstreckenartillerie und Mehrfachraketenwerfern beliefern. Auch Streumunition und Drohnen kommen zum Einsatz. Inzwischen bittet Kiew den Westen um die Lieferung von noch mehr Langstreckenraketen und um die Erlaubnis, damit tief ins russische Territorium zu schießen.

Gleichzeitig wird immer dann, wenn die ukrainischen Streitkräfte Probleme an der Front haben, das Thema Verhandlungen in die Medien geworfen. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass alle Verhandlungsideen nach wie vor darauf hinauslaufen, Kiew Zeit zum Durchatmen und Aufrüsten zu geben, um dann weiter zu kämpfen. „Wir müssen aufhören, uns der Illusion hinzugeben, dass wir uns im Krieg mit der ukrainischen Armee befinden. Wir befinden uns auch mit dem NATO-Block im Krieg“, betonte der Held Russlands, Generalmajor Apty Alaudinow, der derzeit die Achmat-Spezialkräfte bei der Säuberung der Region Kursk von ukrainischen Kämpfern führt, in einem Interview mit der TASS.

Der erfahrene Militärkommandeur weiß, dass Konflikte am Verhandlungstisch enden: „Ich denke, wir werden nicht versuchen, die gesamte Ukraine zu nehmen. <…> Wir werden irgendwo an irgendwelchen Grenzen Halt machen müssen und dann eine Art von Abkommen schließen“. Und „je eher die Ukraine, der NATO-Block und die USA, die das alles kontrollieren, begreifen, dass sie aufhören und sich mit uns einigen müssen, desto eher werden sie in der Lage sein, zumindest einen Teil des ukrainischen Territoriums zu behalten“.

Doch dann stellt sich unweigerlich die Frage: Mit wem soll man verhandeln, wer kann als Vermittler und Garant dafür fungieren, dass künftige Vereinbarungen umgesetzt und nicht in den Mülleimer geworfen werden, wie es bei den Minsker Abkommen der Fall war? Meiner Meinung nach könnten solche Vermittler und Garanten Russlands BRICS-Partner China, Indien, Brasilien und andere Länder sein, die Führungskräfte des Globalen Südens. Und das nicht nur, weil die westlichen Länder, einschließlich der einst neutralen Schweiz, de facto auf der Seite der Ukraine in den Konflikt verwickelt sind. Es ist einfach so: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“. Und Berlin, Paris, Brüssel, London, Washington und andere haben gelogen und lügen ständig, also kann und darf man ihnen nicht glauben.

Ende der Übersetzung

Quellen

<1> https://anti-spiegel.com/2018/russland-muss-das-abkommen-von-minsk-erfullen-eine-analyse-des-abkommens/ <2> https://anti-spiegel.ru/2022/merkel-minsker-abkommen-2014-war-der-versuch-der-ukraine-zeit-zu-geben/ <3> https://anti-spiegel.ru/2023/das-minsker-abkommen-sollte-es-kiew-ermoeglichen-zeit-zu-gewinnen/ <4> https://yandex.ru/video/touch/preview/13277929547094209932 <5> https://anti-spiegel.ru/2023/nach-merkel-hollande-und-poroschenko-auch-selensky-wollte-minsker-abkommen-nie-umsetzen/ <6> https://tass.ru/opinions/21770807 +++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 06. September 2024 bei anti-spiegel.ru +++ Bildquelle: Vitalii Vodolazskyi / shutterstock


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