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Wo ist Joe Biden? | Von Thomas Röper

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Verschwörungstheorien

Im Netz geistern nach Bidens Rücktritt interessante Verschwörungstheorien herum, weil Biden sich seit Tagen nicht mehr der Öffentlichkeit gezeigt hat. Ich schaue mir hier die zwei am meisten verbreiteten an.

Ein Kommentar von Thomas Röper.

Der Rücktritt von US-Präsident Joe Biden als Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten war nicht überraschend. Überraschend war jedoch, wie das verkündet wurde. Man hätte erwarten können, dass Biden, auch wenn er wegen der Corona-Diagnose irgendwo isoliert wurde, eine kurze Ansprache hält und seinen Schritt dem amerikanischen Volk erklärt. Stattdessen hat Biden seinen Rücktritt als Kandidat in einem auf X (früher Twitter) veröffentlichten kurzen Brief erklärt.

Dann hat Biden, anstatt das in seinem ersten Brief zu tun, Kamala Harris in einem zweiten Tweet seine Unterstützung ausgesprochen und sie zur neuen Kandidatin der Demokraten erklärt, obwohl er dazu nicht das Recht hatte. Das haben zwar einige wichtige Demokraten (zum Beispiel die Clintons) schnell unterstützt, andere hingegen halten sich ausgesprochen bedeckt, denn beispielsweise die Obamas haben Bidens Rücktritt von der Kandidatur als zwar eine seiner schwersten Entscheidungen überhaupt bezeichnet, aber sich nicht zur Kandidatur von Kamala Harris geäußert.

Bevor wir zu den „verschwörungstheoretischen“ Versionen kommen, die im Netz herumgeistern, zeige ich zunächst die offizielle Version der Geschehnisse.

Was offiziell passiert ist

Offiziell ist Biden mit Corona infiziert und hat ein paar Erkältungssymptome, ist aber auf dem Weg der Besserung. Dass um ihn herum seine engsten Berater und auch seine wichtigsten Familienmitglieder sind, darf man in dieser politischen Situation annehmen. US-Medien berichten, Bidens engste Berater hätten ihn am Sonntag überzeugt, auf die Kandidatur zu verzichten und Biden sei darauf schließlich so schnell eingegangen, dass sogar enge Mitarbeiter aus dem Weißen Haus erst auf Twitter und in den Medien von Bidens Entscheidung erfahren hätten.

Auch Kamala Harris habe von all dem nur sehr kurzfristig, aber wohl vor der Veröffentlichung von Bidens Brief, erfahren.

Das ist die offizielle Version, die der Öffentlichkeit momentan präsentiert wird. Wir dürfen gespannt sein, was Biden sagen wird, wenn er sich, wie von ihm in seinem Brief angekündigt, diese Woche an die Nation wendet.

War es eine Art Putsch?

Eine wesentlich abenteuerlichere Version ist, dass Biden von seinem Umfeld quasi weggeputscht wurde. Diese Version besagt, man habe Biden mit der (vielleicht sogar gefakten) Corona-Infektion von der Öffentlichkeit und seinen meisten Mitarbeitern isoliert, um ihn davon zu überzeugen, dass er zurücktreten muss.

Zu dieser Version gehört, dass Biden, der noch am Samstag stur verkündet hat, in jedem Fall gegen Trump anzutreten und alle Rücktrittsforderungen schroff zurückgewiesen hat, sich weiterhin geweigert hat, als Kandidat abzutreten, woraufhin jemand aus seinem Umfeld den Brief auf Twitter veröffentlicht hat, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Aus diesem Grund, so die Version, bleibt Biden erst einmal verschwunden, bis er die neuen Realitäten akzeptiert und in einer Fernsehansprache an die Nation verkündet. Dazu würde passen, dass Bidens Unterstützung für Kamala Harris erst eine halbe Stunde später in einem zweiten Tweet verkündet wurde.

Es liegt nämlich in ihrer Hand als Vizepräsidentin, Biden für amtsunfähig zu erklären. Danach müsste die Mehrheit des Kabinetts das bestätigen und dann müssten auch beide Kammern des US-Parlaments sich dem anschließen.

Aber Vizepräsidentin Harris ist die Schlüsselfigur, die diesen Sturz des Präsidenten einleiten könnte. Das könnte sie tun, indem sie sich dabei auf den Hur-Report vom Februar beruft, in dem Biden von US-Sonderermittler Robert Hur als „wohlmeinenden älteren Mann mit einem schlechten Gedächtnis“ bezeichnet wurde.

Daher wäre ein Szenario denkbar, in dem Harris und ihr Team das Biden-Team mit Zuckerbrot und Peitsche (für Bidens Leute geht es schließlich um ihre prestigeträchtigen Jobs) unter Druck gesetzt haben, damit Biden als Kandidat abtritt und damit er Kamala Harris als Nachfolgerin ernennt. Das durfte Biden zwar nicht, weil dafür die demokratische Partei zuständig ist, aber da sich auch Bidens Wahlkampfstab schnellstmöglich in „Harris for President“ umbenannt hat, führende Demokraten wie die Clintons Harris sofort ihre Unterstützung zugesagt haben und Großspender der Demokraten Harris umgehend etwa 50 Millionen Dollar gespendet haben, könnten hier Tatsachen geschaffen worden sein.

Wenn die Demokraten nicht vollkommen zerstritten in den Wahlkampf gehen wollen, dann wird es für die Gegner von Harris schwer, ihre Kandidatur noch zu verhindern.

Ich habe keine Ahnung, ob Harris so gestrickt ist, dass sie zu so einer Intrige greift, und wie die Machtkämpfe innerhalb der US-Demokraten hinter den Kulissen verlaufen, aber dass beispielsweise die Obamas Harris noch immer nicht ihre Unterstützung ausgesprochen haben, ist ausgesprochen merkwürdig und deutet durchaus auf Machtkämpfe hinter den Kulissen hin.

Ich sage daher nicht, dass es so gelaufen ist, auch die offizielle Version könnte der Wahrheit entsprechen, aber ganz ausschließen würde ich diese Version zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht, zumal es ja Beispiele aus der Vergangenheit dafür gibt, wie amtierende US-Präsidenten auf ihre Kandidatur verzichten. Lyndon Johnson hat als amtierender US-Präsident 1968 überraschend auf eine erneute Kandidatur verzichtet und das in einer Ansprache an die Nation verkündet.

Warum Biden sich dafür entschieden hat, seinen Rücktritt schriftlich zu verkünden, anstatt seinen Brief in einer kurzen Ansprache zu verlesen, ist das große Fragezeichen.

Ist Biden tot?

Die dritte Version, die man inzwischen im Netz findet, ist, dass Biden gestorben ist und er deshalb nicht öffentlich seinen Rücktritt von der Kandidatur verkündet hat.

Diese Version halte ich allerdings für Quatsch, weil sie keinen Sinn ergibt. Wäre Biden wirklich gestorben, dann wäre Harris automatisch US-Präsidentin und hätte damit fast schon ein Anrecht auf die Kandidatur. Es würde daher in meinen Augen keinen plausiblen Grund geben, Bidens Tod zu verheimlichen, wenn man Harris als Kandidatin durchdrücken will.

Ein wenig Geduld bitte

Ich wiederhole, dass ich mir keine der Versionen zu eigen mache, ich warte bekanntlich gerne auch einige Zeit ab, bevor ich genug Fakten habe und mir eine Meinung bilde. Aber diese Geschichte ist so merkwürdig, dass ich auch eine „verrückte“ These, wie den „Putsch“ von Bidens Umfeld, derzeit nicht ausschließe.

Haben wir einfach ein wenig Geduld, vielleicht bringen die kommenden Auftritte von Biden ja ein wenig Klarheit. Zum Spekulieren ist danach immer noch genug Zeit.

+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Dieser Beitrag erschien zuerst am 22. Juli 2024 bei anti-spiegel.ru +++ Bildquelle: Paul Froggatt / shutterstock


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