Ein Kommentar von Hermann Ploppa.
Die Schäden durch die Leckstellen der Nord Stream-Pipeline für Wirtschaft und Umwelt in Zentraleuropa sind enorm. Doch während sich die US-amerikanischen Eliten mehr oder minder ungeniert dieser Freveltat rühmen, wurde der Botschafter der USA bislang noch nicht einmal von der Bundesregierung einbestellt.
Unsere amerikanischen „Beschützer“ brüsten sich mit der mutwilligen Zerstörung der Pipeline Nord Stream
Südlich der idyllischen dänischen Ostseeinsel Bornholm brodelt es, als hätte jemand drei riesige Brausetabletten ins Meer geworfen. Nur so viel ist klar: der Sprudel-Strudel stammt aus mittlerweile vier Leckstellen aus Strängen der russisch-deutschen Erdgaspipeline Nord Stream 1 und 2. Nord Stream 2 war bislang noch gar nicht eröffnet worden. Nord Stream 1 lieferte seit 2011 zuverlässig Gas nach Deutschland. Nach der völkerrechtswidrigen Intervention russischer Streitkräfte in die Ukraine kam Nord Stream 1 allerdings immer mehr ins Stocken. Dann sollte ein Kompressor technisch gewartet werden. Doch die Auslieferung wichtiger Komponenten dieser Anlage wurde durch Sanktionen verzögert. Dann fuhr Gazprom die Leistung zu zwanzig Prozent wieder hoch. Seit August diesen Jahres ruht nunmehr der Durchfluss auf Initiative der Betreibergesellschaft Nord Stream AG vollständig. Und Nord Stream 2 wurde auf Betreiben von Bundeskanzler Scholz bereits zwei Tage vor der russischen Intervention in der Ukraine, am 22. Februar dieses Jahres nämlich, die endgültige Zertifizierung verweigert. Die Verweigerung der Zertifizierung wurde mit der zu erwartenden russischen Intervention begründet. Verfügt unser Bundeskanzler etwa über hellseherische Fähigkeiten?
Und während die Medien und auch die westlichen Geheimdienste noch immer mit Leidenschaft Blinde Kuh spielen und die Angelegenheit herunterstufen oder gar den Hauptgeschädigten, Russland nämlich, zum Zerstörer der Pipelines erklären, brüsten sich die maßgeblichen Stellen in den USA, diesen ruchlosen Akt des Staatsterrorismus selber ausgeführt zu haben. Da versichert US-Präsident Joe Biden einer Reporterin bei einer Pressekonferenz am 7. Februar dieses Jahres, die USA würden Mittel und Wege finden, Nord Stream zu zerstören, sollten „die Russen“ auf die Idee kommen, die Ukraine zu überfallen <1>. Und Bidens müde Greisenaugen blitzen noch einmal auf vor Genugtuung bei diesen Drohungen, während sein Staatsgast, Bundeskanzler Scholz, dabei steht und grinst wie eine immer gut gelaunte Schießbudenfigur.
Und auch der amtierende US-Außenminister Antony Blinken macht aus seinem Herzen keine Mördergrube wenn er erklärt: „Wir sind jetzt der führende Lieferant von Flüssiggas für Europa, um die Verluste von Gas und Öl auszugleichen. Es ist eine enorme Chance, Wladimir Putin das Druckmittel der Energie zur Durchsetzung seiner imperialen Pläne zu nehmen. Das ist sehr bedeutsam und bietet eine enorme strategische Chance für die kommenden Jahre.“ <2> Richtig erkannt vom amerikanischen Außenminister. Auf diese Weise ist Deutschland jetzt gleich dreifach erpressbar. Zum Einen erpressbar von den USA durch die Lieferung extrem giftigen Fracking-Gases, durch dessen Förderung gerade das Ökosystem Nordamerikas den finalen Genickschuss erleidet. Zum anderen dadurch, dass die einzigen verbliebenen Pipelines mit russischem Gas durch Polen und die Ukraine führen. Beide Länder fallen durch einen beim besten Willen nicht anders als pathologisch zu bezeichnenden Russenhass auf. Der Hass der amtierenden Regierungen in Polen und der Ukraine richtet sich aber nicht nur gegen Russland, sondern genauso auch gegen Deutschland. Die einschlägigen Äußerungen des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrej Melnyk, sind in dieser Hinsicht Zeugnis genug. Und während jetzt der Preis für Öl und Gas aufgrund der kriegerischen Ausschaltung der russischen Lieferanten in ungeahnte Höhen schießt, verarmen nicht nur deutsche Haushalte im Raketentempo. Auch die deutsche Wirtschaft ist nicht länger konkurrenzfähig. Die Lösung besteht darin, dass deutsche Premium-Marken ganz ungeniert in die USA abgeworben werden. Der deutschen mittelständischen Industrie stehen diese Optionen jedoch nicht offen. Sie werden, wenn sich nichts Grundlegendes an der jetzigen Konstellation ändert, kurz und kalt einfach abgewickelt.
Und die sowieso schon malträtierte Umwelt?
Wo bleiben jetzt Greenpeace, NABU, BUND? Oder die synthetische Konzern-Kunstfigur Greta Thunberg? Die oben genannten Umweltorganisationen mit Ausnahme von NABU haben ihre Zentrale in den USA. Der BUND ist beispielsweise eine Filiale des amerikanischen Umwelt-Trusts Friends of the Earth. All diese Organisationen betreiben massive Kampagnen gegen die Unterwasser-Pipelines der Nordstream-Gruppe. Haben diese von Washington gesteuerten Umwelthüter nicht bemerkt, dass die Leckagen der Nordstream-Rohre eine gewaltige Umweltkatastrophe auslösen? Das ist zudem auch für die angeblich so um das Klima besorgten Mainstream-Medien überhaupt kein Thema. Es gibt offensichtlich politisch korrekte Umweltzerstörung und politisch unkorrekte Umweltzerstörung. Gäbe es die Aufsichtsbehörde Integrated Carbon Observation System (ICOS) mit ihren 140 Messstationen in 14 Ländern nicht, könnten wir die wahre Dimension dieser Umweltkatastrophe buchstäblich nicht ermessen. Diese Katastrophe ist nämlich schlimmer als die Deep-Water-Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko im Jahre 2010. Die ICOS sagt: „Das Leck entspricht schätzungsweise den Methanemissionen eines ganzen Jahres in einer Stadt von der Größe von Paris oder einem Land wie Dänemark.“ <3> Methan ist neben Lachgas einer der potentesten Klimakiller, etwa dreißigmal stärker als CO2.
Chronologie eines Verbrechens
Wenden wir uns nun den genaueren Umständen der Sabotage von Nord Stream zu. Alle Akteure sind sich einig, dass die Zerstörung der Pipelines nicht von terroristischen Kleingruppen ausgeführt wurde. Ein solches Verbrechen können nur staatliche Akteure ausführen. Sprich: ein feindliches Militär. Unterhalb dieser Größenordnung ist so etwas technisch nicht machbar. Punkt. Seit der Planung wurde bereits gegen Nord Stream von USA-Netzwerken gehetzt. Richtig handgreiflich wurde diese Agitation aber erst unter US-Präsident Donald Trump, der aus seiner Abneigung gegen Deutschland nie ein Geheimnis gemacht hat. Im Jahre 2019 peitschte Trump ein Gesetzespaket durch die beiden Häuser des Capitols in Washington. Am 20. Dezember 2019 unterschrieb Trump sodann das Sanktionsgesetz gegen Nord Stream 2. Finanzielle Transaktionen von Managern und Aktienhaltern von Nord Stream sind seitdem in den USA blockiert, und selbigen Managern und Aktionären ist die Einreise in die USA verboten. Und im Gesetzestext kommen die zu Grunde liegenden kommerziellen Interessen der amerikanischen Fracking-Industrie ungeniert zum Ausdruck: „Die US-Regierung legt größten Wert auf den Export amerikanischer Energieträger und auf die Schaffung amerikanischer Jobs.“ <4> So heißt es dort wortwörtlich.
Ausgerechnet der Ökonom Jeffrey Sachs, der verantwortlich zeichnet für die marktradikale Verelendungspolitik in Polen und Russland während der berüchtigten Jelzin-Jahre, sagt jetzt in einem Interview für das Portal Bloomberg ganz offen: „Die (Zerstörung der) Nord Stream Pipeline war, denke ich, eine Aktion der USA, vielleicht auch USA und Polen.“ <5>
Welch’ ein Zufall, dass im Sommer dieses Jahres mit BALTOPS 22 das größte NATO-Manöver seit dem Kalten Krieg in der Ostsee, und besonders im Raum Bornholm stattgefunden hat! Im Juni 2022 übten Flottenteile aus vierzehn NATO-Staaten genau jene Fertigkeiten, die für die Zerstörung einer Pipeline geeignet sind: unter anderem U-Boot-Bekämpfung, Minenräumung und „Kampfmittelbeseitigung“. <6> Aber auch nach dem Manöver blieben US-amerikanische Kriegsschiffe unter Führung der USS Kearsarge nebst Hubschraubern in der Ostsee <7>. Die Kearsarge war mal ins Mittelmeer aufgebrochen, um sodann plötzlich wieder in der Ostsee aufzukreuzen. Das ist Teil einer neuen Verwirrstrategie gegen die bösen Russen, wie westliche Militärs stolz verkündeten <8>. Und so waren auch US-Kriegsschiffe im September im Raum Bornholm. Über FFAB 123 Radar-Verfolger <9> ist auch für uns Zivilisten rekonstruierbar, dass sich im September immer wieder US-Hubschrauber der Sorte Sikorsky MH 60 R über den Nord Stream-Röhren aufhielten. Dieser Hubschrauber-Typ ist ein Kampf-Hubschrauber, der sich im Irak-Krieg bestens „bewährt“ hat. Vom MH 60 R können Geschosse unterschiedlichster Bauart abgefeuert werden. Ein Video der deutschen Marine zeigt zudem einen Einsatz, bei dem Torpedos von Hubschraubern abgeworfen werden <10>. Sobald diese Torpedos ins Wasser einschlagen, steuern sie zielsicher das vorher einprogrammierte Ziel an. Eine andere Möglichkeit besteht im Einsatz von Unterwasserdrohnen. Die Erprobung solcher Unterwasserdrohnen war ein wichtiger Bestandteil des NATO-Manövers BALTOPS 22. So heißt es in der Presseverlautbarung der NATO zu dieser Übung: „Es kam zum Einsatz unbemannter Unterwasserfahrzeuge zum Aufspüren von Minen in der Ostsee, um die Wirksamkeit dieser Fahrzeuge im realen Kampfeinsatz zu erproben. Die Erprobung fand vor der Küste von Bornholm in Dänemark statt.“
Die letzten Einsätze der MH 60 R fanden am 25. und 26. September dieses Jahres statt. Am 27. September wurden die Leckstellen dann entdeckt. Torpedos haben auch die erforderliche Durchschlagskraft, um den dicken Betonmantel der Röhren am Meeresboden zu durchschlagen. Und damit dann auch die Erderschütterungen auf der Richter-Skala auszulösen <11>. Wichtig war ja auch, dass bei den letzten Einsätzen am 26. September ausschließlich US-amerikanische Streitkräfte beteiligt waren. So ersparen sich die USA komplizierte Abstimmungsmechanismen mit ihren 29 NATO-“Partnern“. Eine koordinierte Sabotage der Pipeline durch die NATO hätte die Gefahr vergrößert, dass „Whistleblower“ die Öffentlichkeit mit Beweisen beliefert hätten.
Gibt es seitens des Westens irgendwelche professionell anmutenden Aktivitäten, den Fall möglichst rasch aufzuklären? Das Interesse an einer Aufklärung der Umstände dieses Staatsterrors hält sich leider in Grenzen. Der Bundesnachrichtendienst soll der Sache nachgehen. Doch handelt es sich beim BND bekanntlich um eine nach dem Krieg mit Nazi-Verbrechern vollgestopfte Filiale der CIA. Also ist der Bundesnachrichtendienst gewiss nicht der Garant für eine objektive unparteiische Recherche. Und dann soll das deutsche Minenjagdboot „Bad Rappenau“ an den Leckstellen herumschnüffeln. Doch nicht-westliche Untersuchungsorgane dürfen den Tatort einstweilen nicht besuchen. Währenddessen kümmern sich die Behörden der NATO-Staaten Dänemark und Schweden um die Bewachung der Leckstellen …
Es wird schon dafür gesorgt, dass auch bei diesem Verbrechen keine Handfesten Beweise für eine Täterschaft bestehen bleiben. So müssen wir ein Urteil wieder einmal ausschließlich auf Indizien stützen. Doch die sind aussagekräftig genug.
Quellen
<1> https://www.youtube.com/watch?v=OS4O8rGRLf8
<2> https://militarywatchmagazine.com/article/blinken-nord-stream-attack--opportunity
<3> https://www.trendingtopics.eu/pipeline-explosionen-riesige-methangas-wolke-ueber-nordeuropa/
<7> https://de.wikipedia.org/wiki/USS_Kearsarge_(LHD-3)
<9> https://de.flightaware.com/live/flight/FFAB123
<10> https://www.youtube.com/watch?v=hqN9WLUacx8
<11> https://www.youtube.com/watch?v=4oyxTq3EGHE Auf die auffällige Übereinstimmung US-amerikanischer Aktivitäten mit der Datierung der Entdeckung der Leckagen der Pipelines machte in dem hier verlinkten Beitrag Ivan Rodionov aufmerksam.
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Dieser Beitrag erschien zuerst in der Wochenzeitung Demokratischer Widerstand, Ausgabe 107
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: MillerZ/ shutterstock
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